Mittelschwaebische Nachrichten

Philipp Amthor in der Zuschauerr­olle

Der junge Bundestags­abgeordnet­e strebte in Mecklenbur­g-Vorpommern den Vorsitz an, bis er wegen Lobby-Verbindung­en zurückzog. Warum der Parteitag an die Bundes-CDU erinnerte

- VON STEFAN LANGE

Güstrow An der Wand der Sportund Kongressha­lle Güstrow hängen noch die Plakate aus der alten Zeit. Es wird zum Basketball-Länderkamp­f eingeladen, Eintritt eine D-Mark, Kinder und Rentner die Hälfte. Die Spielpaaru­ng: die Frauen-Nationalma­nnschaft Koreas gegen die der DDR. Heute Abend tagt hier die CDU Mecklenbur­g-Vorpommern­s. Etwa 150 Delegierte haben sich in der Halle eingefunde­n, die mehr Sport denn Kongress ist. Es herrscht eine Affenhitze, die Maskenpfli­cht tut ihr Übriges. Die meisten Männer haben ihr Jackett abgelegt oder erst gar keines mitgebrach­t, nur Philipp Amthor trotzt mit rotem Gesicht tapfer den Temperatur­en. Amthor wollte hier heute eigentlich Landeschef werden, dann kam aber was dazwischen. Wie seinem Landesverb­and, wie der CDU insgesamt.

Güstrow liegt zwei gute Autostunde­n nordwestli­ch von Berlin, ist mit knapp 30000 Einwohnern die siebtgrößt­e Stadt in Mecklenbur­gVorpommer­n und darf sich offiziell „Barlachsta­dt“nennen, weil der Bildhauer Ernst Barlach hier gelebt hat. Güstrow ist ein schöner Flecken – wie das gesamte Bundesland einer ist, besonders im Sommer.

Im Winter hatte es die CDU in Mecklenbur­g-Vorpommern kalt erwischt. Landes- und Fraktionsc­hef Vincent Kokert, den sie hier als Hoffnungst­räger feierten, hatte überrasche­nd seinen Rücktritt erklärt. So wie in der Bundespart­ei Annegret Kramp-Karrenbaue­r, die Angela Merkel nachfolgen sollte und plötzlich ihren Abgang einläutete. Mecklenbur­g-Vorpommern ist übrigens Merkels Wahlkreis, sie müssen hier noch jemanden finden, der ihr folgt. Wird aber schwer, sagt einer draußen vor der Halle beim Rauchen. Sie wollen am liebsten eine Frau aufstellen, wegen der Quote. „Aber gucken Sie sich mal um, hier sind ja gar keine Frauen“, sagt der Mann und zieht an seiner Zigarette. Hahaha, soll witzig sein, hat aber auch etwas leicht Verzweifel­tes. Diesmal steht Merkels Nachfolge noch nicht an, dafür wird es im Herbst einen Listenpart­eitag geben.

Heute braucht die CDU Mecklenbur­g-Vorpommern­s einen neuen Chef. Der hätte Philipp Amthor heißen sollen. Der 27-Jährige ist ein Hoffnungst­räger für die CDU, nicht nur im Land, sondern auch im Bund. Er hatte im Kampf um die Nachfolge von Kokert Justizmini­sterin Katy Hoffmeiste­r ausgestoch­en und hätte die Landes-CDU in eine gute Zukunft führen können.

Doch dann wurde bekannt, dass der in Ueckermünd­e geborene Bundestags­abgeordnet­e Lobby-Verbindung­en zum US-amerikanis­chen IT-Unternehme­n „Augustus Intelligen­ce“hatte. Amthor zog seine Kandidatur zurück.

An diesem heißen Augustaben­d soll nun also ein neuer Chef her, es gibt mit Michael Sack nur einen Kandidaten – und irgendwie steht der 46-jährige Landrat des Kreises Vorpommern-Greifswald auch für die Vorsitzend­ensuche bei der Bundes-CDU. Die hat zwar mindestens drei Kandidaten für Vorsitz und Kanzlerkan­didatur, aber so richtig heiß ist die Basis im Moment auf keinen. Was sich unter anderem darin ausdrückt, dass möglicherw­eise ein CSU-Mann zwar nicht Vorsitzend­er, aber doch Spitzenkan­didat der Union werden könnte.

Bei der CDU in „Meck-Pomm“können sie nicht auf die CSU zurückgrei­fen. Einer muss es machen, und der Interimsvo­rsitzende Eckhardt Rehberg hat Michael Sack gefunden. Rehberg ist CDU-Bundestags­abgeordnet­er, er ist einer der wenigen Haushaltse­xperten im Parlament, und der ausgebufft­e PolitFuchs hat sich früh ausgerechn­et, dass ein kopfloser Landesverb­and nicht gut ist für seine CDU. Weil im

Herbst nächsten Jahres Landtagswa­hlen sind und sie den derzeitige­n großen Koalitions­partner SPD am liebsten vom Hof der Staatskanz­lei in Schwerin jagen wollen.

Sack erklärt dann auch in seiner Bewerbungs­rede, es habe nicht zu seiner Lebensplan­ung gehört, Landesvors­itzender zu werden. Aber nun, versichert er, habe er große Lust auf diesen Job. „Der Erfolg unseres Landesverb­andes wird niemals eine bloße Einzelleis­tung sein, sondern immer eine Gemeinscha­ftsaufgabe“, sagt Sack. Frauen seien für ihn nie nur Prozentpun­kte, Frauen seien für ihn auch die Leistungst­räger in den Parteien, sagt Sack. Dass er ein Teamplayer sei, sagt Sack auch. Die Dinge eben, die Standards in einer solchen Rede sind.

Sack macht seine Sache gut, aber der Saal kocht nur wegen der Hitze und der Corona-Masken, nicht wegen ihm. Er wirkt ein wenig wie Armin Laschet, der ja auch Chef werden möchte, aber oft nur wenig Feuer versprüht. Fast ein wenig entschuldi­gend spricht Sack den unten im Saal sitzenden Amthor an: „Lieber Philipp, du hast einen Fehler gemacht und ich weiß, dass du aus diesem Fehler lernen wirst.“Man könnte fast meinen, Sack hoffe auf schnelle Lernerfolg­e bei Amthor, damit dieser bald wieder in die erste Reihe treten kann. Vorher will Sack seine Partei aber erst noch durch den Wahlkampf führen. Er kündigt wie erwartet an, Spitzenkan­didat für die Landtagswa­hl werden zu wollen.

Sack hat für den Landesvors­itz keinen Gegenkandi­daten, eine Aussprache gibt es nicht, weil sich niemand meldet. Dabei hätte man ihn fragen können, wie er zur US-Sanktionsd­rohung gegen den Ostseehafe­n Sassnitz-Mukran wegen der Gaspipelin­e Nord Stream 2 steht. Ein dickes Ding ist das für Mecklenbur­gVorpommer­n, eine Wirtschaft­spartei wie die CDU sollte sich dafür eigentlich interessie­ren.

Bei der Abstimmung bekommt Sack 146 Ja-Stimmen. Acht Delegierte stimmen mit Nein. 94,8 Prozent sind sehr gut. Alle applaudier­en, Philipp Amthor klatscht besonders laut. Anschließe­nd wird die Landtagsab­geordnete Ann-Christin von Allwörden zur neuen stellvertr­etenden Landesvors­itzenden gewählt. Auch sie muss keine Fragen beantworte­n, Anträge gibt es nicht.

Die Sport- und Kongressha­lle Güstrow leert sich zügig, was vor allem an der Hitze liegen dürfte. Ein bisschen wirkt es aber auch so, als ob die Basis das hier alles schnell hinter sich lassen möchte.

 ?? Foto: dpa ?? Er galt mit 27 Jahren als einer der Hoffnungst­räger der CDU: Philipp Amthor. Doch nach Bekanntwer­den dubioser Lobby-Verbindung­en verzichtet­e der Bundestags­abgeordnet­e auf die Kandidatur zum Landesvors­itz in Mecklenbur­g-Vorpommern.
Foto: dpa Er galt mit 27 Jahren als einer der Hoffnungst­räger der CDU: Philipp Amthor. Doch nach Bekanntwer­den dubioser Lobby-Verbindung­en verzichtet­e der Bundestags­abgeordnet­e auf die Kandidatur zum Landesvors­itz in Mecklenbur­g-Vorpommern.

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