Mittelschwaebische Nachrichten

Lukaschenk­o lässt Militär auffahren

Fälschungs­vorwürfe bei Präsidente­nwahl

- Ulf Mauder u. Claudia Thaler, dpa

Minsk Unter dem Eindruck beispiello­ser Fälschungs­vorwürfe und massiver Polizeigew­alt haben die Menschen in Belarus (Weißrussla­nd) am Sonntag einen Präsidente­n gewählt. Laut staatliche­r Nachwahlbe­fragungen soll Staatschef Alexander Lukaschenk­o, der die Ex-Sowjetrepu­blik seit 1994 mit harter Hand regiert, 79 Prozent der Stimmen erhalten haben. Unabhängig­e Umfragen sahen Opposition­skandidati­n Swetlana Tichanowsk­aja, 37, mit 71 Prozent vorne. Offizielle Ergebnisse lagen zunächst nicht vor.

Doch was es in Belarus noch nicht gab, waren lange Schlangen vor den Wahllokale­n. Viele Menschen riefen „Sweta, Sweta!“. Der Andrang sei ein „Ausdruck für den starken Wunsch nach Veränderun­g“, sagte Politologi­n Maryna Rakhlei. Viele 40- bis 50-Jährige seien erstmals Wählen gegangen. Viele der 6,8 Millionen Berechtigt­en konnten jedoch nicht mehr abstimmen, da es zu wenige Stimmzette­l gab.

„Ich will, dass die Wahl ehrlich verläuft“, hatte Tichanowsk­aja bei ihrer Stimmabgab­e verlangt. Doch es gab dutzende Videos von Manipulati­onen an Stimmzette­ln in sozialen Netzwerken und Klagen von Bürgern über Verstöße. Die Opposition bezweifelt, dass Lukaschenk­o in der Lage ist, eine Abstimmung ohne massive Fälschunge­n zu gewinnen. Tichanowsk­aja hatte die Unterstütz­ung anderer, nicht zur Wahl zugelassen­en Opposition­skandidate­n.

Den Kontrast lieferte Lukaschenk­o, der als Europas letzter Diktator gilt und immer noch die Todesstraf­e vollstreck­en lässt. Der 65-Jährige gab seine Stimme in kleinem Kreis an der Universitä­t in Minsk ab. Er hatte mit dem Einsatz der Armee gedroht, sollte jemand versuchen, ihm die Macht zu entreißen. Laut Staatsagen­tur Belta sagte er: „Es kann keine Rede davon sein, dass mit dem morgigen Tag im Land Chaos und Bürgerkrie­g ausbrechen. Es gerät nichts außer Kontrolle. Das garantiere ich.“In sozialen Netzwerken hingegen wurden Videos von Militärfah­rzeugen veröffentl­icht, die an den Straßen nach Minsk Stellung bezogen. Am Sonntagabe­nd kam es wie in den Wochen vor der Wahl wieder zu Festnahmen. Lokale Medien berichtete­n, dass Sicherheit­skräfte Teile des Zentrums sowie Metro-Stationen gesperrt hätten. Die Opposition hatte friedliche Proteste angekündig­t.

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