Mittelschwaebische Nachrichten
Der Hund will eine liebevolle Leitfigur
Wie der Mensch den Vierbeinern das Leben leichter machen kann und was er lassen sollte
Hunde passen sich ihrem menschlichen Rudel perfekt an. Man könnte glatt vergessen, dass man es mit einem Tier zu tun hat. Sollte man aber nicht. „Mein Hund ist nicht mein Kind-Ersatz“, sagte mir vergangene Woche die Besitzerin eines frechen Mischlings. Ich zweifelte diese Aussage zwar an, war aber froh, dass sich die Dame
offenbar über das Thema „Vermenschlichung von Hunden“bereits Gedanken gemacht hatte. Doch dann folgte Teil zwei ihres Statements: „Mein Hund ist mein Kind.“
Noch nie hat jemand mir gegenüber die Beziehung zu seinem Vierbeiner so auf den Punkt gebracht. Tatsächlich gibt es eine entscheidende Gemeinsamkeit: Was die Beziehung zum Kind ebenso braucht wie die Beziehung zum Hund, ist Bindung. Denken Sie als Hundebesitzer doch einmal zurück an die Zeit, als der tierische Nachins Haus kam. Anfangs steht man sich ganz fremd gegenüber, vielleicht auch etwas kritisch und skeptisch. Erst die gemeinsame Zeit, die Fürsorge und die Aufmerksamkeit für den Vierbeiner Bindung – dieses wichtige Zusammenhalten als Team. So wird ein Hund automatisch zum Partner und Familienmitglied. Gut so. Doch neben der Bindung gibt es eine zweite Komponente, die inwuchs takt sein muss, damit das gemeinsame Leben reibungslos läuft.
Hunde und Menschen haben unterschiedliche Weltbilder. Kommt ein Welpe ins Haus, erwartet sich der Mensch einen Freund. Mit Freunden diskutiert man, man zeigt sich tolerant, akzeptiert ihre Meinungen und lässt ihnen vor allem Freiheiten für Entscheidungen. Zwei gleichberechtigte Wesen begegnen sich hier auf Augenhöhe.
Überträgt man diese Vorstellung von Freundschaft auf den Hund, können sich Probleme entwickeln, denn Hunde haben keinen Sinn für Gleichberechtigung. Im Gegenteil: Ihr Zusammenleben im Rudel folgt einer klaren und strengen Hierarchie, die man Rangordnung nennt. An der Spitze steht der Chef. Er kümmert sich unter anderem ums Fressen, indem er die Vorräte füllt, und um die Sicherheit für alle, indem er beispielsweise entscheidet, welche Gäste im Haus willkommen sind. Das sind keine leichten Aufgaben. Dafür genießt der Chef einige Privilegien. Er darf die kuscheligen erhöhten Sitzposiermöglichen tionen einnehmen und darüber entscheiden, ob und wann Untergeordnete auf das Sofa dürfen. Er darf sich zuerst am Futter bedienen und sich auch das beste Stück aussuchen. Man bettelt den Chef nicht an, denn er kümmert sich sowieso darum, dass niemand verhungern muss. Aus Hunde-Sicht ist das keineswegs ungerecht.
Im Gegenteil. Die allermeisten Hunde sind mit einer niedrigen Position in der Rangordnung glücklich und zufrieden. Chef sein ist ja anstrengend. Viel entspannter ist es doch für den Hund, wenn er einfach spielen, fressen, schlafen kann und die wichtigen Dinge des Lebens der Boss – also der Mensch – erledigt. Der Hund im Haus erwartet, anders als der Mensch, keinen Freund, sondern eine souveräne, liebevolle Leitfigur.