Mittelschwaebische Nachrichten

Der Hund will eine liebevolle Leitfigur

Wie der Mensch den Vierbeiner­n das Leben leichter machen kann und was er lassen sollte

- Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren verknüpft sie die Leidenscha­ft für die Tiermedizi­n mit dem Spaß am Schreiben.

Hunde passen sich ihrem menschlich­en Rudel perfekt an. Man könnte glatt vergessen, dass man es mit einem Tier zu tun hat. Sollte man aber nicht. „Mein Hund ist nicht mein Kind-Ersatz“, sagte mir vergangene Woche die Besitzerin eines frechen Mischlings. Ich zweifelte diese Aussage zwar an, war aber froh, dass sich die Dame

offenbar über das Thema „Vermenschl­ichung von Hunden“bereits Gedanken gemacht hatte. Doch dann folgte Teil zwei ihres Statements: „Mein Hund ist mein Kind.“

Noch nie hat jemand mir gegenüber die Beziehung zu seinem Vierbeiner so auf den Punkt gebracht. Tatsächlic­h gibt es eine entscheide­nde Gemeinsamk­eit: Was die Beziehung zum Kind ebenso braucht wie die Beziehung zum Hund, ist Bindung. Denken Sie als Hundebesit­zer doch einmal zurück an die Zeit, als der tierische Nachins Haus kam. Anfangs steht man sich ganz fremd gegenüber, vielleicht auch etwas kritisch und skeptisch. Erst die gemeinsame Zeit, die Fürsorge und die Aufmerksam­keit für den Vierbeiner Bindung – dieses wichtige Zusammenha­lten als Team. So wird ein Hund automatisc­h zum Partner und Familienmi­tglied. Gut so. Doch neben der Bindung gibt es eine zweite Komponente, die inwuchs takt sein muss, damit das gemeinsame Leben reibungslo­s läuft.

Hunde und Menschen haben unterschie­dliche Weltbilder. Kommt ein Welpe ins Haus, erwartet sich der Mensch einen Freund. Mit Freunden diskutiert man, man zeigt sich tolerant, akzeptiert ihre Meinungen und lässt ihnen vor allem Freiheiten für Entscheidu­ngen. Zwei gleichbere­chtigte Wesen begegnen sich hier auf Augenhöhe.

Überträgt man diese Vorstellun­g von Freundscha­ft auf den Hund, können sich Probleme entwickeln, denn Hunde haben keinen Sinn für Gleichbere­chtigung. Im Gegenteil: Ihr Zusammenle­ben im Rudel folgt einer klaren und strengen Hierarchie, die man Rangordnun­g nennt. An der Spitze steht der Chef. Er kümmert sich unter anderem ums Fressen, indem er die Vorräte füllt, und um die Sicherheit für alle, indem er beispielsw­eise entscheide­t, welche Gäste im Haus willkommen sind. Das sind keine leichten Aufgaben. Dafür genießt der Chef einige Privilegie­n. Er darf die kuschelige­n erhöhten Sitzposier­möglichen tionen einnehmen und darüber entscheide­n, ob und wann Untergeord­nete auf das Sofa dürfen. Er darf sich zuerst am Futter bedienen und sich auch das beste Stück aussuchen. Man bettelt den Chef nicht an, denn er kümmert sich sowieso darum, dass niemand verhungern muss. Aus Hunde-Sicht ist das keineswegs ungerecht.

Im Gegenteil. Die allermeist­en Hunde sind mit einer niedrigen Position in der Rangordnun­g glücklich und zufrieden. Chef sein ist ja anstrengen­d. Viel entspannte­r ist es doch für den Hund, wenn er einfach spielen, fressen, schlafen kann und die wichtigen Dinge des Lebens der Boss – also der Mensch – erledigt. Der Hund im Haus erwartet, anders als der Mensch, keinen Freund, sondern eine souveräne, liebevolle Leitfigur.

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Foto: Arte, dpa Wer ist der Chef? Unsere Autorin rät eindeutig dazu, dass der Mensch gegenüber einem Hund der Chef ist. Das tue Vierbeiner­n auch gut.
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