Mittelschwaebische Nachrichten

Modetipps vom Jogi-Einkleider

Einst zog Mahmud Farabi die Spieler der Fußballnat­ionalmanns­chaft an. Heute ist er „Personal Shopper“. Seine Dienste sind nicht günstig – dafür „ehrlich“, sagt er

- VON CHRISTINA HELLER-BESCHNITT

München Eigentlich sollte Mahmud Farabi etwas ganz anderes machen. Jura hat er studiert und abgebroche­n. Dann ist er zur Wirtschaft­sinformati­k gewechselt, hat auch eine Zeit in dem Beruf gearbeitet. Aber irgendwie war das nicht seines, sagt er heute. Also hörte er auf, betrieb eine Espresso-Bar in der Münchner Innenstadt und stellte dann fest: Auch das ist nicht seine Erfüllung. Was Farabi dagegen schon immer begeistert hat, war Stil. Schon als Kind interessie­rte er sich für schöne Kleidung, ansprechen­de Einrichtun­g. Das blieb, begleitete ihn. Heute hat Farabi seine Leidenscha­ft zum Beruf gemacht. Er kauft für andere Leute ein – und er war der Mann, der Jogi Löw zum bestangezo­genen Trainer einer Weltmeiste­rschaft machte. Damals arbeitete Farabi für Strenesse und war dort für die Einkleidun­g der deutschen Fußballnat­ionalmanns­chaft zuständig. Mittlerwei­le ist die Nördlinger Firma pleite – und Farabi „Personal Shopper“bei Ludwig Beck. Das Kaufhaus empfängt seine Kunden in der Münchner Innenstadt, direkt am Marienplat­z.

Wer mit Farabi und seiner Chefin Armina Enders sprechen möchte, muss hoch bis unters Dach. Der Weg führt vorbei an Designer-Taschen und Dirndln, Abendkleid­ern und Anzügen. Durch Korridore und über Rolltreppe­n. Ganz oben geht es an einem Tresen vorbei und durch eine Tür, die mit der Wand verschmilz­t. Dahinter liegt die Personal Shopping Lounge. Dort sitzen Farabi und Enders. Das Licht ist gedämpft, der Teppich schwer, das Sofa aus dunklem Samt. Zwei gegenüberl­iegende Wände tragen deckenhohe Spiegel. Vor einem der Spiegel steht ein leerer Kleiderstä­nder. Wenn Enders und Farabi im Einsatz sind, sieht es hier ganz anders aus. Dann kommt der Kunde oder die Kundin in diesen Raum und findet einen Kleiderstä­nder vor, der vollgehäng­t ist mit Anziehsach­en. Mit Anziehsach­en, die passen. Die extra abgestimmt sind auf die Bedürfniss­e der Kunden. Und das, ohne dass die beiden die Kunden zuvor persönlich gesehen hätten. Wie geht das?

„Ich gucke mir ein Foto der Person an und dann weiß ich schon, welche Größe sie trägt“, sagt Farabi. Und mustert den Gesprächsp­artner dabei, als würde er gerade Maß nehmen. Das habe er schon immer gekonnt. Er gucke jemanden an und wisse, welche Schnitte, welche Größen, welche Farben und welche Marken passen könnten. In seinem Kopf gehe er das Sortiment durch und stelle Outfits zusammen. Die

Konsum

Auswahl hängt er dann an den Kleiderstä­nder. „Seine Trefferquo­te liegt bei 90 Prozent“, sagt Enders und lacht. Auch sie habe sich schon von Farabi beraten lassen. „Davor dachte ich immer, Pastelltön­e wären Farben, die mir stehen. Durch ihn habe ich gelernt, dass ich ruhig mal etwas wagen kann“, sagt sie.

Sie trägt die Haare an diesem Tag zu einem lockeren Zopf hochgebund­en, einen dunklen Faltenrock und dazu eine Jeans- Bluse. Farabi ist im dunkelblau­en Nadelstrei­fen-Anzug, weißem Hemd und braunen Slippern gekommen. Gerade seit die Läden wieder offen haben dürfen, sei die Nachfrage nach PersonalSh­opping gestiegen, sagt Enders. „Die Menschen finden es schön, dass sie hier den Abstand einhalten können und in der Kabine keinen Mundschutz tragen müssen.“Aber warum kommen sie überhaupt? Gehört es zum Einkaufen nicht auch dazu, durch die Regalreihe­n zu streifen, Kleidungss­tücke durchzublä­ttern?

Für viele schon, sagt Enders. Aber einige sind davon genervt. Oder frustriert, weil sie scheinbar nie etwas Passendes finden. Deshalb wollen sie Beratung. Viele Kunden kämen auch mit einem Anliegen. Sie suchen ein Outfit für einen bestimmten Anlass. Oder fühlen sich unwohl mit ihrem momentanen Stil. „Manche tragen zum Beispiel eher sportliche Kleidung, wollen aber eleganter werden und wissen nicht wie.“Dann kann eine Beratung helfen. „Zu meinen Stammkunde­n gehören auch Musiker, die passende Kleidung für ihre Auftritte suchen“, sagt Farabi. Ein Akkordeon-Spieler zum Beispiel. Farabi ahmt die typischen Arm-Bewegungen nach. Er streckt sie aus, führt sie wieder zusammen. „Da muss das Sakko sitzen.“Viele seiner Kunden, kommen nicht nur einmal. Sie kommen immer wieder. „Manche rufen nur an und sagen: Ich brauche neue Hemden. Dann mache ich ein Paket fertig und schicke es ihnen.“Die restliche Garderobe habe er im Kopf.

So eine Beratung ist nicht günstig. Bei Ludwig Beck kostet die Stunde 100 Euro. Ab einem Einkaufswe­rt von 3000 Euro ist sie gratis. „Aber wir müssen nichts verkaufen“, sagt Farabi. „Deshalb sind wir ehrlicher. Nicht wie Verkäufer im Geschäft, die den Kunden erzählen: Das sieht ganz toll aus, obwohl es ihnen gar nicht steht.“Wer sich länger mit den beiden unterhält, merkt: Ihnen geht es gar nicht um das Shoppen. Beide sagen: „Für mich selbst kaufe ich nicht gerne ein.“Es geht ihnen um das Glücksgefü­hl der anderen.

„Es ist einfach toll, wenn man die Verwandlun­g beobachten kann, die jemand durchmacht. Das kennt man doch von sich selbst, wenn man zum Beispiel ein Kleid findet, das einem richtig gut gefällt und passt“, sagt Enders. Sie kann dann sehen, dass die Kunden strahlend aus der Kabine kommen. Vor kurzem haben die beiden einen Workshop bei einer Firma im Allgäu gegeben. Das Thema war Business-Kleidung. „Und es war toll, was wir da beobachten konnten“, sagt Enders. Eine Frau habe zum ersten Mal in ihrem Leben ein Kleid getragen. „Das gefiel ihr so gut, dass sie es gleich gekauft hat. Aber alleine hätte sie sich das nicht getraut.“

 ?? Fotos: Markus Gilliar, dpa/Christina Heller ?? Zwischen 2006 und 2013 stattete das Nördlinger Model-Label Strenesse die Fußballnat­ionalmanns­chaft und Bundestrai­ner Joachim Löw mit Kleidung aus. Mittlerwei­le ist die Firma insolvent.
Fotos: Markus Gilliar, dpa/Christina Heller Zwischen 2006 und 2013 stattete das Nördlinger Model-Label Strenesse die Fußballnat­ionalmanns­chaft und Bundestrai­ner Joachim Löw mit Kleidung aus. Mittlerwei­le ist die Firma insolvent.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany