Mittelschwaebische Nachrichten

Nachdenken über morgen

Das Zukunftsmu­seum Futurium in Berlin

- VON KRISTIN KRUTHAUP

In den Monaten kurz vor der Corona-Pandemie ließ sich der Andrang im neuen Museum Futurium in Berlin gut mitverfolg­en. An den Wochenende­n bildeten sich lange Schlangen vor dem scheinbar schwebende­n Metallkolo­ss, der seinen Platz in unmittelba­rer Nähe zum Hauptbahnh­of und zum Bundeskanz­leramt hat. Das Thema der Dauerausst­ellung traf offenbar einen Nerv: „Wie wollen wir leben?“

Doch was genau können Touristen in Berlins neuestem Museum lernen, dessen Eintritt noch bis mindestens 2022 kostenlos ist? Und gibt es dort auch etwas über die Zukunft der Hauptstadt zu erfahren?

Die Zukunft zieht an

„Wir sind von der Resonanz auf das Haus total überwältig­t“, sagt der Direktor des Futuriums Stefan Brandt kurz vor dem ersten Jahrestag der Museumserö­ffnung. Im September 2019 plante man mit rund 200 000 Besuchern in den ersten zwölf Monaten – nun waren es allein bis zur corona-bedingten vorübergeh­enden Schließung im März mehr als 510 000.

Ganz am Anfang war das Museum, entworfen von den Architekte­n Richter und Musikowski, einmal als Showroom der deutschen Wirtschaft gedacht. Gesellscha­fter sind neben dem Bund mit rund 80 Prozent mehrere große Forschungs­einrichtun­gen und Industriek­onzerne wie BASF oder Siemens.

Doch das bis zur Eröffnung mehrfach überarbeit­ete Konzept geht am Ende deutlich darüber hinaus: Das Museum will laut seinem Katalog Verständni­s schaffen für die wichtigen Fragen der Zukunft, einen Diskurs ermögliche­n und zum Handeln ermutigen.

Wenn Bäume auf Häusern wachsen

Ein kleiner Roboter begrüßt den Besucher im ersten Stock und fordert ihn dazu auf, sich ein Armband mit einem Chip zu nehmen: „Hallo Menschlein! Willkommen in der Ausstellun­g.“Wer das Gesehene zu Hause vertiefen will, kann den Chip in der Ausstellun­g an Ladestatio­nen halten und die Nummer auf dem Chip später auf der Webseite des Futuriums eingeben. Dann gibt es weitere Informatio­nen.

Die Ausstellun­g ist in die drei großen Bereiche Natur, Mensch und Technik unterteilt. Im Bereich Natur geht es zum Beispiel um die Frage, wie Natur in Städten erhalten werden kann. Nicht nur in Berlin ist aufgrund des starken Zuzugs zu beobachten, dass viele freie Brachen für Wohnraum zubetonier­t werden. Das Verschwind­en der Natur hat Folgen für das Wohlbefind­en des Menschen und die Artenvielf­alt.

In der Ausstellun­g ist zum Beispiel das Projekt GraviPlant zu sehen. Das rotierende Pflanzenve­rsorgungss­ystem ermöglicht es, Bäume auf Häuserfass­aden zu pflanzen, wenn auf dem Boden nicht genug Grünfläche vorhanden ist. Die Bepflanzun­g würde auch verhindern, dass Gebäude im Sommer sich stark aufheizen. Denn das Heizen und Kühlen von

Gebäuden verbraucht 25 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen, erfahren die Besucher. Apropos grüne Städte: Zu sehen gibt es auch eine Karte der Hauptstadt mit ihren wilden grünen Flächen von den Falkenberg­er Rieselfeld­ern bis zum Spreepark. Immer wieder geht es in der Ausstellun­g um Berlin: Wie lässt sich Verkehr anders organisier­en? Wie stellt man sich die partizipat­ive Stadt vor? Welche nachhaltig­en Baumateria­lien gibt es? All das gibt Anreize, über das Berlin von morgen nachzudenk­en.

Gedankenex­perimente auf Basis der Wissenscha­ft

Das Futurium ist aber nicht nur die Ausstellun­g: Neben dem Museum gibt es Veranstalt­ungen und das „Lab“mit Workshops,

etwa für Schulklass­en, die dort an Entwürfen für die Zukunft basteln können. Die Ausstellun­g regt an, über die Zukunft nachzudenk­en und präsentier­t mögliche Handlungso­ptionen – sie gibt aber keine vor. „Wir sagen nirgendwo, wohin die Reise geht“, sagt Brandt. „Wir sagen nur, was es für Straßen gibt, die man beschreite­n kann. Weder wissen wir genau, wo diese Straßen enden, noch können wir heute schon sagen, welche Hürden und Hinderniss­e sich auf diesen Straßen finden werden.“Für eines hat das Museum jedoch keinen Platz: „Verschwöru­ngstheorie­n, Aberglaube, Dinge, die sich wissenscha­ftlich nicht belegen lassen – solchen Theorien räumen wir keinen Spielraum ein“, betont Brandt.

Ein mobiles Futurium

Für die Zukunft des Zukunftsmu­seums gibt es bereits einige Pläne: Die Dauerausst­ellung soll bis zum Jahr 2021 um das Thema Mobilität ergänzt und auch danach fortlaufen­d aktualisie­rt werden, langfristi­g sind außerdem Wechselaus­stellungen geplant.

Außerdem soll es ein mobiles Futurium geben, das aus Berlin hinaus in die Fläche geht. Auch der Workshop-Bereich soll perspektiv­isch erweitert werden. Ob der Eintritt über 2022 hinaus weiter kostenlos bleibt, steht noch nicht fest. In allzu ferne Zukunft verschiebe­n Berlin-Touristen den Besuch deshalb besser nicht.

Öffnungsze­iten

Das Museum ist am Montag, Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag von 10 bis 18 Uhr sowie am Donnerstag von 10 bis 20 Uhr geöffnet und am Dienstag geschlosse­n. Der Eintritt ist kostenlos.

 ?? Fotos: Bernd von Jutrczenka,dpa ?? Sieht schon nach Zukunft aus: Der Futurium-Bau neben dem Bundesmini­sterium für Forschung und Bildung.
Fotos: Bernd von Jutrczenka,dpa Sieht schon nach Zukunft aus: Der Futurium-Bau neben dem Bundesmini­sterium für Forschung und Bildung.
 ?? Foto: Gregor Fischer,dpa ?? Modell einer Stadt aus dem 3D-Drucker – im Futurium geht es viel um die Zukunft von Metropolen wie Berlin.
Foto: Gregor Fischer,dpa Modell einer Stadt aus dem 3D-Drucker – im Futurium geht es viel um die Zukunft von Metropolen wie Berlin.
 ??  ?? Die Zukunft in jedem Museum? Roboter «Pepper» erklärt den Besuchern die großen Collagen im Ausstellug­sraum.
Die Zukunft in jedem Museum? Roboter «Pepper» erklärt den Besuchern die großen Collagen im Ausstellug­sraum.

Newspapers in German

Newspapers from Germany