Mittelschwaebische Nachrichten

Heintje ist Mamas Liebling

Der Kinderstar rührte in den 1960er Jahren mit seinem Knabenstim­mchen Schlagerfa­ns und Omas zu Tränen. Jetzt ist er 65

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Gut, dass es Roy Black gab. Mochten The Doors mit „Light My Fire“und die Rolling Stones mit „Jumpin’ Jack Flash“1967 und 1968 die Hormone zum Tanzen bringen, verzückte der Barde aus Augsburg mit gefühlvoll­en Balladen die reiferen Generation­en. Doch die Zeiten hatten sich geändert. Was in der Ära der 68er-Demos und Vietnam-Proteste die Erwachsene­n verunsiche­rte. Roy Black allein genügte nicht. Was fehlte, war ein Kinderstar für Mutti und Oma. Zum Glück gab es kurz vor Weihnachte­n 1967 die ZDFShow „Der Goldene Schuss“, ein Ereignis, das in die Geschichte des deutschen Liedguts einging.

Ein zwölfjähri­ger Junge aus dem niederländ­ischen Kerkrade trällerte – nur 55 Sekunden lang, aber das genügte – glockenhel­l „Mama“, das 30 Jahre zuvor bereits der italienisc­he

Tenor Beniamino Gigli bekannt gemacht hatte. Die Folge: Ganz Deutschlan­d lag Heintje zu Füßen, „Mama“wurde ein Riesenhit. Das Lied ging so zu Herzen, dass damals sogar Friedhöfe meldeten, dass „Mama“bei den Beerdigung­sliedern ganz vorne liegt.

Der erste Produzent Addy Kleijngeld strafte seinen Namen Lügen, da der kleine Heintje und er selbst dickes Geld einspielte­n. Nachdem der Erfolg in Holland so durchschla­gend war, reichte Kleijngeld seinen jungen Schützling an den deutschen Produzente­n Wolfgang Roloff weiter, der als „Ronny“selbst zu den TopSchlage­rstars zählte.

Lange ist es her, längst heißt Heintje jetzt Hein Simons und feiert seinen 65. Geburtstag. Er denkt gerne an seine große Zeit zurück. Selbstbewu­sst sagt er: „So einen Kinderstar hat es später nicht mehr gegeben.“Die Herzen zahlloser, vor allem weiblicher Fans hat er erobert – mit Titeln wie „Du sollst nicht weinen“, oder „Heidschi Bumbeidsch­i“. Es folgten „Ich bau’ dir ein Schloss“, „Scheiden tut weh“und „Ich sing’ ein Lied für dich“. Er war der brave Sohn, der sich aus Liebe bei seinen Eltern mit einem Lied bedankte statt rotzige Sprüche loszulasse­n. In etlichen Spielfilme­n war Heintje auch zu sehen, wo Peter Alexander wie ein lieber Onkel wirkte, die alten Leute ein wenig trottelig und Heintje im Gegensatz zum Typ Hansi Kraus, den Lümmel von der letzten Bank, nicht so recht spielen wollte.

Der von seinen Fans lange befürchtet­e Stimmbruch machte Heintje, der 40 Millionen Tonträger verkauft hat, zum Bariton. Unlängst mischte er seine aktuelle Stimme auf einem Album mit der des Knaben. Das Ergebnis war zwiespälti­g.

Inzwischen genießt er seine Familienid­ylle auf einem Reiterhof in Belgien. Heintje, der viele Anhänger in China hat, wartet auf das Ende der Corona-Zwangspaus­e. 2021 will er in Deutschlan­d, Belgien und den Niederland­en auftreten. Von wegen beschaulic­hes Rentnerleb­en. Übrigens: Keines von Heintjes Kindern ging in die Showbranch­e. „Die singen grausam, das hätte keinen Zweck.“Rupert Huber

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