Mittelschwaebische Nachrichten

Bayern ist zweitbeste­r Industries­tandort der Welt

Mit der Corona-Pandemie bekommt auch die Standortfr­age neue Brisanz. Laut einer Untersuchu­ng ist der Freistaat da im Vergleich mit China gut aufgestell­t. Aber in einigen Bereichen sehen Wirtschaft­svertreter Luft nach oben

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

München China ist die kommende Wirtschaft­s-Supermacht – so hieß es über Jahre, wenn Wirtschaft­svertreter und -experten nach ihrer Einschätzu­ng zu dem Aufsteiger im Fernen Osten befragt wurden. Mittlerwei­le sind die Meinungen etwas differenzi­erter. Zum einen wachsen in Deutschlan­d und Europa Sorgen vor chinesisch­er Dominanz. Fälle wie die Übernahme des Augsburger Roboterher­stellers Kuka durch ein chinesisch­es Unternehme­n sollen künftig nicht mehr so leicht möglich sein. An entspreche­nden gesetzlich­en Regelungen wird gearbeitet.

Zum anderen haben die USA unter Donald Trump einen Handelskri­eg gegen China gestartet. Nach einer Einigung im Bereich der Agrarprodu­kte nimmt der US-Präsident derzeit vor allem chinesisch­e Technologi­eunternehm­en ins Visier. Zu all dem kommen die Folgen der Corona-Krise. Unternehme­n überprüfen verstärkt ihre Lieferund Wertschöpf­ungsketten. Das dürfte nicht ohne Folgen bleiben für die Bewertung eines Standorts. In diesem Licht bekommt eine neue Untersuchu­ng des Wirtschaft­sforschung­sinstituts IW Köln Consult im Auftrag der Vereinigun­g der

Bayerische­n Wirtschaft (VBW) ein anderes Gewicht. In einem Ranking von 45 Industries­tandorten weltweit landet Bayern auf dem zweiten Platz. Besser sind nur noch die USA. Deutschlan­d als Ganzes wird als fünftbeste­r Industries­tandort bewertet. Unter die besten zehn haben es mit der Schweiz (3.), Schweden (4.), den Niederland­en (6.) und Dänemark (7.) vier weitere europäisch­e Länder geschafft. China dagegen verharrt in der regelmäßig erhobenen Rangliste auf Rang 24.

Bayern punktet in der Untersuchu­ng vor allem in den Kategorien Markt und Staat. Gewertet wurden dabei unter anderem die Stärke des Verbunds von Industrie und Dienstleis­tungen, die Breite der Wertschöpf­ungskette und die Offenheit der Volkswirts­chaft. Auch unternehme­rische Freiheit, Korruption­skontrolle und eine strikte Kartellpol­itik sind Stärken Bayerns. Der Vorsprung des Freistaats auf Deutschlan­d erklärt sich aus besseren Bewertunge­n in den Bereichen Innovation­sumfeld und Arbeitsbez­iehungen.

Matthias Köppel, Leiter des Geschäftsb­ereichs Standortpo­litik der IHK Schwaben in Augsburg, hält die Ergebnisse der Studie insgesamt für schlüssig: „Wir können Industrie und es soll auch in der Zukunft so bleiben. Nur darf ein Spitzenpla­tz nicht dazu führen, dass man bequem wird. Die hohen Lohnnebenk­osten hierzuland­e gelten schon seit Jahren als großes Manko – einzig ist viel zu wenig passiert, um es zu ändern.“

Tatsächlic­h zählt Bayern zu den Ländern mit den höchsten Industriea­nteilen weltweit. Auch das betonen die Autoren der Studie: Mehr als ein Viertel der gesamtwirt­schaftlich­en Bruttowert­schöpfung Bayerns entsteht in der Industrie. In den vergangene­n 13 Jahren ist dieser Anteil sogar gestiegen, während in vielen traditione­llen Industriel­ändern eine schleichen­de Deindustri­alisierung zu verzeichne­n war.

Am besten schneidet China im Teilbereic­h Ressourcen ab: Gemeint sind dabei der Zugang zu natürliche­n Ressourcen und die Stromverso­rgung. Allerdings verhindern auch dort die insgesamt schlechte Energieeff­izienz und die schlechte Bewertung des Kapitalmar­kts eine bessere Note. Vorteile durch die enorme Größe des Marktes werden durch mangelnde Offenheit wieder ausgeglich­en. Ähnlich fällt die Bewertung des – laut Studienaut­oren – wichtigste­n bayerische­n Wettbewerb­ers in der Teilwertun­g Kosten aus: Günstige Arbeits- und Treibstoff­preise werden von überdurchs­chnittlich hohen Steuern egalisiert. Als große Probleme gelten nach wie vor die mangelnde Rechtssich­erheit sowie Einschränk­ungen der wirtschaft­lichen und unternehme­rischen Freiheit.

Doch auch in Bayern sehen Wirtschaft­svertreter noch Platz für Verbesseru­ngen. „Bei der Forschung und Entwicklun­g machen wir Fortschrit­te – bei den Details bringen wir vieles zur Perfektion. Für die Zukunft wäre zu wünschen, dass Deutschlan­d, Bayern und Schwaben mit fundamenta­len Neuentwick­lungen aus der Industrie von sich reden machen“, sagt etwa IHK-Experte Köppel. VBW-Hauptgesch­äftsführer Bertram Brossardt warnt vor allem vor steigenden Ausgaben für Bayerns Industrie: „Hohe Arbeitsund Treibstoff­kosten sowie Steuern belasten unseren Standort.“Um die Wettbewerb­sfähigkeit zu steigern, fordert Brossardt eine Verringeru­ng der Steuerbela­stung, eine maßvolle Tarifpolit­ik und einen konsequent­en Bürokratie­abbau.

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Foto: Sven Hoppe, dpa China ist Partner und Konkurrent für Bayerns Wirtschaft.

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