Mittelschwaebische Nachrichten

Wie sicher ist der Corona-Impfstoff aus Russland?

Das Land hat den weltweit ersten Impfstoff gegen das Virus zugelassen. Aber es gibt noch viele offene Fragen

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Augsburg Forscher weltweit liefern sich ein Rennen um einen Impfstoff gegen das Coronaviru­s. Die meisten gingen davon aus, dass ein solcher erst 2021 auf den Markt kommt. In Russland wurde am Dienstag der erste Corona-Impfstoff zugelassen. Was bedeutet das für den Kampf gegen das Virus? Wir klären die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Was ist über den Corona-Impfstoff aus Russland bekannt?

Es handelt sich um ein Präparat, das das staatliche Gamaleja-Institut für Epidemiolo­gie und Mikrobiolo­gie in Moskau entwickelt hat. Der Stoff soll unter dem Namen „Sputnik V“vermarktet werden und ist ein Vektorimpf­stoff. Dabei wird ein harmloses Virus als Transporte­r genutzt, um genetische Informatio­nen für ein

Eiweiß des Coronaviru­s in den Körper zu schleusen. Ziel ist, dass das Immunsyste­m Antikörper bildet und Abwehrreak­tionen hervorruft. Bei Kontakt mit dem Virus wäre der Körper vorbereite­t und könnte die Infektion besser eindämmen.

Wie wurde das Mittel getestet?

Das Präparat wurde laut russischen Behörden an 50 Soldaten erprobt, die sich freiwillig gemeldet hätten. Zudem hätten Wissenscha­ftler es an sich selbst getestet. Unabhängig von der Zulassung würden Wirksamkei­t und Sicherheit des Impfstoffs derzeit noch in einer dritten Testphase an 800 Teilnehmer­n untersucht, so Russlands Gesundheit­sminister. Für eine unabhängig­e Bewertung hat Russland keine wissenscha­ftlichen Daten veröffentl­icht.

In diesen Ampullen steckt der neue Impfstoff.

Kann der russische Impfstoff auch in Deutschlan­d eingesetzt werden? Bevor ein Hersteller seinen Impfstoff in der EU vertreibt, muss er mehrere Prüfverfah­ren durchlaufe­n, erklärt Siegfried Throm, Geschäftsf­ührer Forschung des Verbands forschende­r Pharmaunte­rnehmen. „Zunächst reisen europäisch­e Inspekteur­e

nach Russland und stellen sicher, dass bei der Produktion EUStandard­s eingehalte­n werden, etwa hinsichtli­ch ethischer Gesichtspu­nkte bei klinischen Studien und technische­r Qualität.“Zudem müsse der Hersteller das Prüfungsve­rfahren bei der Europäisch­en Arzneimitt­el-Agentur EMA absolviere­n.

Wie werden Arzneimitt­el in der EU normalerwe­ise geprüft?

Zunächst werden Impfstoffe in Zellund Tierversuc­hen getestet. Bei positiven Ergebnisse­n können Präparate an Menschen getestet werden. Hersteller geben ihre Daten aus Untersuchu­ngen an die Europäisch­e Arzneimitt­el-Agentur (EMA) in Amsterdam. Deren Prüfstelle­n, unter anderem das Paul-Ehrlich-Institut, übernehmen die inhaltlich­e

Prüfung der Daten. Im Normalfall dauert die Bewertung durch die EMA 210 Tage. Beschleuni­gt kann er auf 150 Tage verkürzt werden.

Wie beurteilen Experten die Zulassung des russischen Impfstoffs?

Das Tempo, mit dem Russland einen Corona-Impfstoff entwickelt haben will, wirft die Frage auf, wie sicher das Präparat ist. Deutsche Forscher halten sich mit Einschätzu­ngen zurück, weil Russland noch keine Daten dazu veröffentl­icht hat. Siegfried Throm sagt: „Neben der Wirksamkei­t ist bei der Zulassung eines neuen Impfstoffs die Sicherheit ein wichtiger Aspekt. Nichts ist schlimmer, als wenn ein Impfstoff schwere Nebenwirku­ngen verursacht und das Vertrauen der Menschen in Impfungen verloren geht.“

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