Mittelschwaebische Nachrichten
Prügel im Juze sind Fall für die Justiz
Warum eine Verhandlung mit vier Angeklagten und neun Zeugen wegen nun vor dem Jugendrichter ohne Urteil endet
Krumbach/Günzburg Im Jugendzentrum (Juze) Krumbach haben mehrere junge Leute auf einen Bekannten eingeprügelt. Das Opfer erhielt Schläge, Tritte und wurde in den Schwitzkasten genommen. Wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung mussten sich vier Angeklagte nun vor Jugendrichter Walter Henle in Günzburg verantworten. Das Verfahren endete allerdings überraschend ohne Urteile – aber mit Schmerzensgeldzahlungen und Entschuldigungen.
Der Auftakt zur Verhandlung begann mit einer Verzögerung: Amtsgerichtsdirektor Henle entschuldigte sich, dass er noch mit der Mutter eines Zeugen diskutiert habe. Die Frau habe gemeint, ihr Sohn könne nicht von Thannhausen nach Günzburg kommen, weil sie ihn nicht fahren könne. Dafür hatte Henle überhaupt kein Verständnis. Mit Verspätung tauchte der Zeuge dann im Gericht auf, musste aber nicht mehr aussagen.
Laut der Anklage der Staatsanwaltschaft war es im Dezember auf der Terrasse des Krumbacher Jugendzentrums zu der heftigen Auseinandersetzung gekommen. Dort sollen zwei Brüder im Alter von 18 und 22 Jahren, ein 18-Jähriger (alle aus Krumbach) sowie ein 19-Jähriger aus Ulm einen heute 21-Jährigen mit Fäusten traktiert und niedergeschlagen, dann mit Füßen getreten und in den Schwitzkasten genommen haben. Einer der beiden angeklagten Brüder, verteidigt von Walter
Deistler (Günzburg), räumte ein, dass es zur Prügelei gekommen war. Auslöser soll ein „böser Blick“des Opfers gewesen sein und außerdem sei das Wort „Hurensohn“gefallen. Alkohol hat offensichtlich die Aggressivität zusätzlich angeheizt. Er sei ziemlich betrunken gewesen, sagte der Angeklagte, nachdem er einige Wodka-Cola und Bier intus hatte. Der 22-jährige Bruder wollte zunächst gar nichts zu der Attacke aussagen, er könne sich kaum an den Vorfall erinnern.
Weil er offensichtlich die Verhandlung nicht allzu ernst nahm, drohte Richter Henle ihm schon mal eine Ordnungsstrafe an. Ein weiterer Angeklagter, ein 19-jähriger Schüler aus Ulm (Anwältin Ulrike Mangold, Neu-Ulm), will überhaupt nichts gemacht haben. Der vierte junge Mann, ein 19-jähriger Azubi, verteidigt von Horst Ohnesorge aus Krumbach, räumte einen Fußtritt ein.
Die Anzeige durch das Opfer erfolgte erst am folgenden Tag, wie der zuständige Ermittler der Krumbacher Polizei als Zeuge aussagte. Als treibende Kraft hinter der Aktion bezeichnete er die Mutter des 21-Jährigen. Allzu gravierend seien die Verletzungen aber nicht gewesen.
Der junge Mann selbst bestritt bei seiner Aussage als Zeuge jegliche Beleidigung und Aggressivität. Vielmehr seien die Angreifer völlig überraschend auf ihn losgegangen. Identifizieren konnte er lediglich die beiden Hauptbeschuldigten, von den anderen Tätern habe er nur durch die Aussage anderer Zeugen gehört. Mit einem Hämatom am Auge hat er eine Nacht im Krankenhaus verbracht, wegen seines angeschlagenen psychischen Zustands ließ er sich anschließend von einem Heilpraktiker behandeln.
Dann entwickelte sich der Prozess überraschend: Auf Vorschlag von Rechtsanwalt Ohnesorge wurde das Verfahren gegen seinen Mandanten eingestellt. Voraussetzung war ein Täter-Opfer-Ausgleich: Das passierte mit einer Entschuldigung in Corona-Version per Armberührung zwischen Angeklagtem und Opfer. Dieses entschuldigte sich gleichzeitig für beleidigende Kurznachrichten in einem sozialen Netzwerk.
Dann entschuldigten sich auch noch die beiden Brüder und damit war der Weg für eine Einstellung des Verfahrens geebnet. Die Staatsanwältin und Nebenklage-Anwalt Falk-Peter Hirschel (Ulm) stimmten dem gegen Zahlung von 700 beziehungsweise 900 Euro Schmerzensgeld an das Opfer zu. Richter Henle konnte sieben von den insgesamt neun geladenen Zeugen wieder entlassen.
Noch schneller endete die anschließend angesetzte Verhandlung gegen das Opfer des ersten Verfahrens. Der 21-Jährige hatte, wie entsprechende Chatprotokolle bewiesen, einem der Angeklagten üble Beleidigungen über eine soziale Internetplattform geschickt. Auch in diesem Fall stellte der Amtsgerichtsdirektor das Verfahren wegen des Täter-Opfer-Ausgleichs ein.