Mittelschwaebische Nachrichten

Öffentlich-rechtliche­s Internet

Medien Seit vier Jahren wollen die beitragsfi­nanzierten Sender ARD und ZDF junge Menschen mit dem Angebot Funk erreichen. Einem breiten Publikum fällt es vor allem durch Skandale auf

- VON JAKOB STADLER

Augsburg Zuletzt war es ein Video des Comedians Aurel Mertz, das für heftige Reaktionen sorgte. Mertz, der eine dunkle Hautfarbe hat, veröffentl­ichte auf Instagram einen Clip zum Thema „Racial Profiling“, in dem er von der Polizei erschossen wird. Weil er allein aufgrund seiner Hautfarbe als verdächtig eingestuft wurde. Für den Essener CDU-Bundestags­abgeordnet­en Matthias Hauer war das „gebührenfi­nanzierter Hass“. Der CDU-Landesverb­and Sachsen-Anhalt sprach sich wegen des Clips sogar gegen eine Erhöhung des Rundfunkbe­itrags aus. Die soll Anfang 2021 kommen – hat aber noch nicht die nötige Zustimmung in allen Landesparl­amenten gefunden.

Mertz, der in seinem Video einen Kommentar zur abgesagten RacialProf­iling-Studie von Bundesinne­nminister Horst Seehofer sah, platzte damit vor zwei Monaten in eine erhitzte Debatte über Rassismus und strukturel­le Gewalt bei der Polizei. Dass es sich um einen öffentlich­rechtliche­n Inhalt handelte, war nur durch vier Buchstaben zu erkennen, die kurz eingeblend­et wurden:

Funk. So heißt das öffentlich-rechtliche Jugendange­bot von ARD und

ZDF, das an diesem Donnerstag vier Jahre alt wird – und das es nur im Internet gibt.

Durch die mehr als 70 Formate, die auf verschiede­nen Drittplatt­formen angeboten werden – etwa Youtube, Facebook und Instagram –, bespielt Funk eine Zielgruppe, die ARD und ZDF sonst kaum erreichen: 14- bis 29-Jährige. Als Funk startete, wurde diskutiert, ob die Inhalte als öffentlich-rechtlich erkennbar sind oder sein sollten. Schließlic­h heben sie sich oft kaum ab von dem, was ohnehin auf den Plattforme­n zu sehen ist. Gibt es breite Kritik, wie im Falle von Mertz, heißt es dennoch schnell, dass der Rundfunkbe­itrag ja wohl kaum für so etwas gedacht sei. Das Budget von Funk liegt 2020 übrigens bei 42,2 Millionen Euro.

Was Mertz angeht, verweist Funk darauf, dass es sich um Satire handelte – bekannte Muster würden durch „Überspitzu­ng mehr oder weniger ad absurdum geführt“. Mit kritischen Stimmen setze man sich aber intensiv auseinande­r.

Seine eigentlich­e Zielgruppe erreicht Funk durchaus. 70 Prozent der 14- bis 29-Jährigen in Deutschlan­d haben das Angebot einer Studie zufolge bereits genutzt. Sie abonnieren den Youtube-Kanal „maiLab“, durch den sie lernen, wie sie Corona-Statistike­n interpreti­eren können. Sie hören, wie Eva Schulz in ihrem Podcast mit Promis über dies, das und immer ein wenig über Politik spricht. Auf Instagram taucht – zwischen all den Fotos – der Kanal „Mädelsaben­de“auf, der jede Woche ein anderes Thema behandelt. Kürzlich ging es um Genitalver­stümmelung. Oder sie entdecken, während sie durch Tanzvideos auf Tiktok wischen, Sketche des FunkComedy-Kanals „Spicy“.

In den vergangene­n Jahren hat sich das Angebot dabei verändert. „Spicy“gibt es erst seit Dezember 2019, andere Formate wurden eingestell­t. Für jedes Format setze man sich Ziele – nicht nur nackte Zahlen, auch qualitativ­e Anforderun­gen, heißt es bei Funk. „Wenn die Ziele nicht erreicht werden, ist es uns aber wichtig, alle Kanäle gleich zu behandeln und diese dann nicht fortzuführ­en.“Darunter sind Projekte, die zwar erfolgreic­h waren, aber nicht mehr zu Funk passten. Wie „Jäger & Sammler“, ein investigat­ives Video-Format, das mit der Redaktion des ZDF-Politmagaz­ins „Frontal21“produziert wurde. Der größte Teil der Reichweite kam von Facebook – und das war ein Problem für die Macher. Denn Facebook-Nutzer sind im Durchschni­tt zu alt, zumindest, wenn man 14- bis 29-Jährige erreichen will.

Andere gingen freiwillig. Wie der durch Youtube bekannt gewordene Fynn Kliemann. Er führt sein ehemaliges Funk-Projekt, das Kliemannsl­and, seit August selbst weiter. Unserer Redaktion erzählte er, Funk habe ihm viele Freiheiten geboten und er sei dankbar für die gute Zusammenar­beit. Doch seine Möglichkei­ten seien nun noch größer. „Wir können einfach drehen und das dann raushauen.“Da schaue dann kein Redakteur mehr drüber.

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Screenshot: AZ / Quelle: Instagram, Mertz, Funk Dieses Funk-Video des Comedians Aurel Mertz sorgte Mitte Juli für heftige Kritik.

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