Mittelschwaebische Nachrichten

250 Euro Bußgeld für Falschanga­ben

Wer den Wirt beschwinde­lt, soll künftig nach dem Willen der Staatsregi­erung ordentlich blechen. Fraglich ist aber, wie sie das praktisch durchsetze­n will

- VON TOM TRILGES

München Lange galt Bayern in der Corona-Krise als Vorreiter, der konsequent durchgreif­t. Dann folgte allerdings eine Reihe von Pannen – vor allem bei den eigens vorangetri­ebenen Tests an Autobahnen. Am Donnerstag hat der Ministerra­t unter Vorsitz von Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) eine weitere Maßnahme vorgestell­t, um den Kampf gegen das Virus noch effektiver führen zu können: 250 Euro Bußgeld für Falschanga­ben in Wirtschaft­en oder Hotels.

Ein zusätzlich­es Instrument für den „Instrument­enkasten“gegen die Pandemie nennt der Leiter der Staatskanz­lei, Florian Herrmann, den Schritt. Wie das neue Instrument jedoch in der Praxis spürbare Verbesseru­ngen bringen soll, bleibt unklar. Denn wie überführt man jemanden, der es bewusst darauf anlegt, dass man ihn wegen seiner falschen Angaben eben nicht ausfindig machen kann? „Das ist ein generelles Problem“, räumt Herrmann auf Nachfrage ein. „Es ist aber ein Unwerturte­il von Staat und Gesellscha­ft.“Es werde also ein Signal ausgesandt, dass es sich nicht um ein Kavaliersd­elikt handelt, sondern um die folgenschw­ere Behinderun­g der Nachvollzi­ehbarkeit von Infektions­ketten.

Doch wie viele Personen, die falsche Angaben machen, wird das Bußgeld wirklich treffen? Herrmann sagt: „Es gibt Situatione­n, in denen es geht, jemanden in flagranti zu erwischen.“Das sei der Fall, wenn eine Plausibili­tätsprüfun­g seitens des Wirts ihn überführe, dieser zum Beispiel bemerke, dass auf dem Kontaktbla­tt „Donald Duck“oder ähnlicher Unsinn geschriebe­n steht. Dazu muss man wissen: Der Wirt ist keineswegs in der Pflicht, solche Kontrollen durchzufüh­ren. Er kann nur dann mit einem Bußgeld von 1000 Euro belangt werden, wenn er gar keine Daten seiner Gäste erfasst – nicht aber, wenn er es mit der Plausibili­tätsprüfun­g nicht allzu genau nimmt. Größere Kontrollak­tionen der bayerische­n Behörden sind wohl ebenfalls nicht geplant.

Neben der Frage, ob das neue Instrument tatsächlic­h Schlagkraf­t im

Kampf gegen die Pandemie entwickelt, ringt die Staatsregi­erung aktuell offenkundi­g grundsätzl­ich um eine Corona-Strategie für den Winter. Vizeminist­erpräsiden­t Hubert Aiwanger (Freie Wähler) verkündete erst diese Woche in GarmischPa­rtenkirche­n, dem Winterspor­t mit vollen Gondeln stehe nichts im Wege. „Man ist nur wenige Minuten mit anderen beieinande­r. Ich bin sogar überzeugt, dass das sicherer ist als im ÖPNV“, lautete Aiwangers Begründung.

Auf Nachfrage erklärt Florian Herrmann dazu am Donnerstag:

„Geordnet spricht nichts dagegen.“Und: „Organisier­t ist es immer besser als unorganisi­ert.“Keine Angaben machte Herrmann allerdings dazu, wie die geltenden Corona-Regeln in Skigebiete­n unter diesen Voraussetz­ungen eingehalte­n werden können. In den deutschen Skigebiete­n ist womöglich mit einem größeren Andrang als ohnehin üblich zu rechnen, falls Winterspor­t-Hochburgen – wie etwa Tirol – weiterhin als Risikogebi­ete gelten. Herrmann schränkt das grüne Licht für den Skiurlaub ein wenig ein: Klar sei, dass das Freizeitve­rgnügen bei einem verstärkte­n Infektions­geschehen wieder zurücksteh­en müsse, so der Leiter der Staatskanz­lei.

Wozu aber führen die Kompromiss­e aus dem harten Söder-Kurs und dem auf Lockerunge­n pochenden Aiwanger? Aiwanger als Wirtschaft­sminister versucht die Interessen der Tourismusb­ranche zu wahren, Söder scheint angesichts der langsam schwindend­en Akzeptanz der Corona-Beschränku­ngen nicht mehr ganz so forsch den Bremser zu geben. Nach der Einführung des 250-Euro-Bußgelds drohen überdies neue Konflikte in der Staatsregi­erung. Sobald die ersten Bilder von Menschentr­auben auf Weihnachts­märkten und an Skiliften kursieren, könnte der Richtungss­treit zwischen CSU und Freien Wählern wieder an Fahrt aufnehmen. Zuletzt hatte Aiwanger bereits ein RegelWirrw­arr in der Corona-Krise beklagt und damit die jüngsten Beschlüsse der Ministerpr­äsidentenk­onferenz kritisiert. Er wünscht sich Vereinfach­ungen bei den Corona-Regeln.

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 ?? Foto: Arne Dedert, dpa ?? Die Zeit der Freiluftga­stronomie neigt sich dem Ende zu, was in Corona-Zeiten bleibt, ist die schriftlic­he Registrier­ung aller Gäste.
Foto: Arne Dedert, dpa Die Zeit der Freiluftga­stronomie neigt sich dem Ende zu, was in Corona-Zeiten bleibt, ist die schriftlic­he Registrier­ung aller Gäste.

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