Mittelschwaebische Nachrichten
War Opa ein Nazi?
Tatort: Ein paar Worte nach Mitternacht
ARD, 20.15 Uhr Der eine ist „Keller-West“, der andere „KellerOst“. Der eine ist Wendegewinner, der andere Wendeverlierer: Im neuen Berliner „Tatort“geht es am Sonntag um die deutsche Geschichte, um alte und neue Nazis, und um Stasi-Funktionäre in der Familie. Und um zwei alte Brüder. Eines Tages liegt der eine, der West-Berliner Bruder (Rolf Becker), erschossen auf einer Dachterrasse, um den Hals ein Schild: „Ich war zu feige, für Deutschland zu kämpfen.“
Das klingt nach Zweitem Weltkrieg. Und tatsächlich: Klaus Kellers Familienunternehmen steckte im Bau eines Holocaust-Dokumentationszentrums in Israel, Versöhnung lag ihm am Herzen. Waren es Neonazis? Spielte Judenfeindlichkeit eine Rolle? Fast wäre es ein Fall für den politischen Staatsschutz, aber eben nur fast. So machen sich Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) in ihrem zwölften Fall auf Verbrecherjagd. Rubin ist ja bekanntlich Wessi und jüdisch, Karow ein Ossi mit Hang zu Arroganz und Direktheit.
Schon bald stoßen sie auf die Verwerfungen in der Verwandtschaft der Kellers: Die Brüder hatten Jahrzehnte keinen Kontakt, die Vergangenheit ragt ins Heute hinein. Auch in dieser Familie stellt sich die Frage: War Opa ein Nazi? In diesem Fall: Was wollte Klaus Keller auf der Feier zu seinem 90. Geburtstag beichten?
Dieser „Tatort“dem Titel „Ein paar Worte nach Mitternacht“ist gut besetzt. Jörg Schüttauf, früher selbst „Tatort“-Kommissar in Frankfurt, spielt einen völkischen Politiker mit Druckerei-Betrieb, Stefan Kurt einen Unternehmersohn mit Villa. Ein „Tatort“zum Nebenbeigucken ist es nicht: Bei der verwickelten Auflösung muss man aufpassen; theatralisch ist sie auch. Ansonsten? Rubin und Karow sind immer noch keine Freunde, aber können ganz gut miteinander. Sowie: Das Erste, das sich Karow nach dem Mauerfall im Westen kaufen wollte, war eine Stretchhose. Wäre das auch geklärt.