Mittelschwaebische Nachrichten
Er sägt und schlägt und ist darin richtig gut
Wie Matthias Thoma aus Breitenthal zu seinem ungewöhnlichen Hobby kam und welche Erfolge er beim Sportholzfällen erzielte
Breitenthal Am Ende war er selbst am meisten überrascht. „Das hatte ich nicht erwartet“, kommentiert Matthias Thoma seinen fünften Platz bei der deutschen Meisterschaft der Sportholzfäller. Überrascht deshalb, weil der 46-jährige Forstwirtschaftsmeister aus Breitenthal so gut wie ohne Vorbereitung in den Wettbewerb gegangen war und sich als Neunter des Vorentscheids gerade noch für das Finale Mitte September in München qualifiziert hatte. Für Thoma sind die im Jahr 2001 vom Motorsägenhersteller Stihl eingeführten und gesponserten Titelkämpfe sowohl eine willkommene Abwechslung zum Berufsalltag als auch eine gute Gelegenheit, seinen Leistungsstand und seine körperliche Fitness mit Berufskollegen zu messen und zu vergleichen.
In diesem Jahr fand der entscheidende Wettkampf in den Bavaria Studios in München unter besonderen Voraussetzungen, das heißt ohne Zuschauer, statt. Aber auch ohne Publikum boten die Athleten der Königsklasse im Sportholzfällen einen spannenden Wettkampf mit Gänsehautgarantie. Die Fans verfolgten die sechs Disziplinen der „Stihl Timbersport-Series“diesmal von zu Hause, denn die deutsche Meisterschaft wurde per Livestream übertragen. Seine Wurzeln hat das Sportholzfällen in Kanada, Australien, Neuseeland und den USA. Um auf lokaler Ebene die Besten ihres Standes zu ermitteln, fanden in der Geschichte der Waldarbeiter von jeher Wettkämpfe im Holzfällen statt. Aus diesem Kräftemessen hat sich im Laufe der Zeit ein professioneller Wettkampf auf hohem sportlichem Niveau entwickelt.
Matthias Thoma war in den ersten Jahren seit der Einführung der Meisterschaften in Deutschland (in den USA gibt es sie seit 1985) regelmäßig dabei und erzielte mit den Plätzen drei und vier Spitzenergebnisse. Damals hat er rund 50 Stunden pro Saison für den Wettkampf trainiert. Diesen Aufwand betreibt der verheiratete Vater von zwei Kindern (vier und sieben Jahre) inzwischen nicht mehr. „Ich unternehme lieber etwas mit meinen Kindern“unterstreicht er, dass die Familie Vorrang hat. Für die Teilnahme am Wettbewerb Mitte September in München umfasste die Vorbereitung insgesamt lediglich rund acht Stunden. Zum Vergleich: Konkurrenten wie etwa Dirk Braun, der jahrelang die nationale Wettkampfszene beherrschte, brachten es pro Saison auf rund 400 Stunden. Trotz allem: Der 46-Jährige aus Breitenthal musste sich vor der Konkurrenz nicht verstecken und trug seinen Teil dazu bei, dass die Fans einen spektakulären Wettkampf der zehn besten Sportholzfäller Deutschlands zu sehen bekamen. In diesem Mehrkampf aus sechs Disziplinen müssen die Athleten ihr gesamtes Können an Axt und Säge beweisen. Kraft, Ausdauer und der perfekte Umgang mit dem technischen Gerät entscheiden dabei über Sieg und Niederlage. Die Disziplinen:
● Springboard: Der Sportler schlägt eine erste, ca. zehn Zentimeter tiefe Tasche in Hüfthöhe in den Stamm. In diese steckt er die Spitze seines ersten Springboards. Der Athlet steigt auf das erste Springboard und schlägt von dort eine zweite Tasche in den Stamm. Nach der Platzierung des zweiten Springboards in ca. zwei Metern Höhe erklimmt er dieses und kann nun beginnen, den oben befestigten Block zu durchschlagen.
● Stock Saw: Nach dem Startschuss wird die handelsübliche Motorsäge mit schnellem Griff an den Holzblock (Durchmesser 40 Zentimeter) geführt. Von dem waagerecht befestigten Holzstamm werden mit einem Abwärts- und einem Aufwärtsschnitt zwei Cookies (Holzscheiben) abgesägt. Beide Scheiben müssen innerhalb eines markierten Bereichs von zehn Zentimetern jeweils komplett an einem Stück geschnitten werden.
● Standing Block Chop: Diese Disziplin simuliert das Fällen eines
Baumes. Ein senkrecht verankerter Holzblock (Durchmesser 30 Zentimeter) muss so schnell wie möglich von der Seite durchschlagen werden. Die optimale Platzierung der Axt sowie ein kraftvoller Axtschwung sind entscheidend für den schnellen Erfolg in dieser Disziplin. ● Single Buck: Mit einer etwa zwei
Meter langen Handsäge wird eine Holzscheibe von einem horizontal befestigten Block (Durchmesser 46 Zentimeter) abgesägt.
● Underhand Chop: Simuliert wird das Zerteilen eines bereits gefällten Baumes. Auf einem horizontal verankerten Block stehend, versuchen die Athleten durch Axtschläge den im Durchmesser 32 Zentimeter dicken Stamm zu durchschlagen.
● Hot Saw: Mit getunten, extrem leistungsstarken Motorsägen müssen von einem waagerecht verankerten Holzblock (Durchmesser 46 Zentimeter) innerhalb eines Bereichs von 15 Zentimetern drei vollständige Cookies gesägt werden. Die Herausforderung liegt darin, die geballte Kraft der bis zu 80 PS starken Motorsäge zu beherrschen. Mit einer Kettengeschwindigkeit von etwa 240 Kilometern pro Stunde und einem Gewicht von rund 27 Kilogramm fordert die „heiße Säge“dem Sportler Höchstleistungen ab.
„Vor allem bei der letzten Disziplin, die großen Showcharakter hat, muss man richtig standfest sein, sonst geht die Säge mit einem spazieren“, erklärt Matthias Thoma. Nachdem er meistens zu den kleinsten und leichtesten Teilnehmern zählt, ist er in dieser Disziplin besonders gefordert. Kraft allein ist aber nicht alles. Auch Schnelligkeit ist gefragt. „Manchmal geht es um
Hundertstel Sekunden“, so der 46-Jährige.
Im Vergleich zu früher, wo nur die ersten drei eine satte Geldprämie erhielten, der Viertplatzierte aber leer ausging, kommen jetzt alle zehn Starter in den Genuss einer abgestuften Prämie. Für die hinteren Plätze reicht es zumindest, um die Reisekosten zu decken. Matthias Thoma ist das aber nicht so wichtig. Er verdient seinen Lebensunterhalt seit über 30 Jahren auf andere Art. Nach einem Berufspraktikum am Forstamt Krumbach und inspiriert durch seinen fünf Jahre älteren Bruder Christian, der bereits als Forstwirt arbeitete, stand für ihn fest, dass nur diese Tätigkeit infrage kommt. Nach der Lehre und der bestandenen Prüfung zum Forstwirt machte er sich bereits mit 18 Jahren selbstständig. „Und ich habe keine Minute bereut, auch, wenn der Job einem schon etwas abverlangt“, betont er. Arbeit in der Fabrik oder im Büro konnte er sich nicht vorstellen. Lieber arbeiten in der freien Natur, auch, wenn es manchmal witterungsbedingt alles andere als ein Vergnügen ist. Thoma: „Dafür arbeite ich dann ein andermal bei schönem Wetter in der Natur, während andere im Büro oder der Fabrik schwitzen. Und ich spare mir das Fitnesstraining im Studio.“Zehn Jahre nach der Lehre hat er eine Kletterausbildung gemacht und im Jahr 2008 die Prüfung zum Forstwirtschaftsmeister bestanden, was es ihm unter anderem erlaubt, Schulungen und Motorsägekurse abzuhalten. Zur Palette seiner Auftraggeber zählt der kleine Waldbesitzer ebenso wie die Gemeinde, die Stadt und der adelige Großgrundbesitzer. Zu tun gibt es genug. Angefangen von der Holzernte, der Beseitigung von Gefahrenbäumen am Straßenrand oder im Garten bis hin zur Aufarbeitung des Käferholzes.
Nebenbei greift Matthias Thoma auch mal zur Motorsäge, um aus Holzstücken Eulen, Greifvögel, Kerzenständer, Gartenmöbel und ähnliche Kunstwerke zu „schnitzen“. Doch eines Tages mal auf die künstlerische Schiene zu wechseln schließt der Forstwirtschaftsmeister gänzlich aus. Darüber habe er noch keinen Gedanken verschwendet, „denn ich kann zwar gut mit der Motorsäge umgehen, aber ich bin kein Künstler und werde auch nie einer werden, dafür fehlt mir einfach das bildhauerische Verständnis ...“.