Mittelschwaebische Nachrichten
Erntedank ist mehr als ein schmucker Altar
Was das Fest mit Nachhaltigkeit und dem Nachdenken über Konsumverhalten zu tun hat
Landkreis Am Sonntag, 4. Oktober, wird in diesem Jahr das Erntedankfest gefeiert. Anders als etwa Weihnachten oder Allerheiligen wird das Erntedankfest nicht an einem festen Datum begangen. Die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland feiern in diesem Jahr am gleichen Tag. Das ist nicht immer so. In der Regel wird in evangelischen Gemeinden am letzten Septembersonntag, in katholischen am ersten Oktobersonntag gefeiert.
Zum Fest werden die Altarräume mit aufwendig gestalteten Gabentischen geschmückt. Obst, Gemüse und Blumen werden gesegnet. Insbesondere in wenig ländlich geprägten Pfarrgemeinden sind es die Mesner, die den Schmuck aufbauen. Gerhard Heinisch aus Krumbach hat in den 30 Jahren, seit er der Mesner ist, nur einmal nicht selbst geschmückt und er muss auch die Früchte und Blumen kaufen. Oft sind die Lebensmittelgeschäfte und Gärtnereien aber zu Spenden bereit, die er sehr kurzfristig bekommt. Dann wird unter extremem Zeitdruck der Erntealtar von ihm errichtet. „Wir haben vorab noch Gottesdienste, es muss also alles in der Nacht passieren.“.
Doch nicht nur der Mesner steht unter Druck. Beide Erntedanktermine
sind für moderne Landwirte, also diejenigen, die die Ernte einbringen, ungünstig gelegt. „Wir sind zu dieser Zeit mitten in der Maisernte, wir haben jetzt eine besonders hohe Arbeitsbelastung“, erklärt Christine Kuhn. Die Reisensburger Bäuerin engagiert sich schon seit Jahrzehnten im Rahmen ihrer Zugehörigkeit zum katholischen Landvolk für ein Erntedankfest, das über die dekorative Gestaltung des Altarraums hinausgeht. Mit der „Aktion Minibrot“unterstützen die Landvolkmitglieder Regionen, in denen eine reiche Ernte nur ein Traum ist. „Durch Corona hat sich die Lage in der Bukowina und im Senegal, wo wir in langjähriger Arbeit Hilfsprojekte aufgebaut haben, deutlich verschlechtert. Viele Menschen haben ihre Arbeit verloren, sind mehr denn je auf Unterstützung angewiesen.“Unter dem diesjährigen Motto „Lasst uns aufeinander achten zu jeder Zeit, an jedem Tag“werden im Erntedankgottesdienst frische Brötchen gesegnet und anschließend an die Besucher gegen eine Spende abgegeben. „Wir hatten immer rund 500 Brote, doch in diesem Jahr wird alles schwierig. Durch die Zusammenlegung der Pfarreien haben sich die Gottesdiensttermine verschoben und wegen Corona dürfen nur noch wenige Personen in die Kirche. Ich habe deshalb nur 150 Brötchen bestellt“, erklärt Christine Kuhn. Die Unterstützung durch die Bäcker hat bisher gute Sammelerfolge gebracht. „Wir konnten mit der Aktion Minibrot bis zu 1000 Euro zu den Hilfsprojekten beisteuern. Ich hoffe, wir können heuer wenigstens die 150 Minibrote verkaufen.“Die werden nicht wie in früheren Jahren zunächst am Erntedankalter aufgeschichtet und gesegnet, sondern sind in Tüten verpackt, denn auch hier ist ein Hygienekonzept nötig.
Besonders schöner Erntedankschmuck, wie ihn Elisabeth Merk zusammen mit der Mesnerin Ilse Steinbach seit vielen Jahren in Niederraunau gestaltet, unterliegt keiner Hygieneverordnung. Der engagierten Landfrau ist es seit über zehn Jahren eine Herzensangelegenheit, den Dank für eine reiche Ernte in einer einzigartigen Gestaltung zum Ausdruck zu bringen. „Ich sammle eigentlich das ganze Jahr über Material, das ich zur Dekoration verwenden kann. Besondere Wurzeln, Holz, getrocknete Pflanzen, was die Natur ihr anbietet. Dazu kommen dann in der Ausgestaltung Getreide, Blumen, Obst und Gemüse. Elisabeth Merk lässt es sich auch nicht nehmen, jedes Jahr eine Erntekrone zu binden. Die Erntekrone gehört seit rund 150 Jahren zu den traditionellen Symbolen des Erntedanks. Elisabeth Merk scheut die aufwendige Arbeit nicht. Sie bindet die Ähren auf ein Holzmodel, wobei sie auch Getreide aus älteren Kronen wiederverwendet, denn Verschwendung steht dem Gedanken des Erntedankes entgegen. Wie sie ihren Schmuck gestaltet, entscheidet sie erst in den letzten Wochen vor dem Fest. Wichtig sei ihr, die Gedanken des Anbaus, der Ernte, der Landwirtschaft in ihre Komposition umzusetzen.
Damit kommt sie der Haltung von Pater Roman Löschinger aus Roggenburg sehr nahe. Der Leiter des Bildungszentrums fasst das Thema Erntedank sehr weit. „Erntedank muss heute weit mehr sein als schmucke Altäre und Körnerteppiche,
wie sie in Oberschwaben gelegt werden. Neben den ursprünglichen Formen der Sachspenden durch die Landwirte kann ein Dank für die Ernte auch in einem Einkaufswagen symbolisiert werden, denn die Menschen, die den Erntedank feiern sind nur noch zum geringsten Teil auch die Erzeuger“. Für Pater Roman sollte der Tag Anregung sein, über unser Versorgungssystem nachzudenken. Dazu zählen der faire Handel und der gerechte Preis für den Erzeuger ebenso wie der verantwortungsvolle Umgang mit Tier und Natur. Das beinhaltet auch ein Nachdenken über unser Konsumverhalten, die Teilhabe der Armen, die Umverteilung zwischen den reichen und den unterentwickelten Ländern. „Wir müssen erkennen, dass nicht alles selbstverständlich ist, sondern ein Geschenk, das wir erhalten. In dem Wort Schöpfung zeigt sich uns, dass jeder Mensch, jedes Tier, jede Pflanze wertvoll ist. Daraus ergibt sich auch die ethische Komponente des Teilens, die bereits im Alten und auch wieder im Neuen Testament dargestellt ist“, erläutert er. Moses ernährte sein Volk in der Wüste mit Manna, das vom Himmel regnete. Das könne der Einzelne nicht für sich horten, das könne man nur miteinander teilen und verschenken und so würden alle satt.