Mittelschwaebische Nachrichten
Peri: Das erste gedruckte Haus nimmt Formen an
Wirtschaft Eine vor zwei Jahren lancierte Beteiligung des Weißenhorner Unternehmens führt jetzt zu einer Premiere. Peri hat große Erwartungen an die innovative Bauweise, die auch schon Kunden in der Region hat
Weißenhorn/Beckum Über 530 Kilometer sind es von Weißenhorn in den Kreis Warendorf in NordrheinWestfalen. Und dennoch richten sich derzeit viele Blicke aus der Fuggerstadt auf das dortige Beckum: Denn die Firma Peri druckt dort das erste Wohnhaus Deutschlands. Ja, Peri druckt. Das zweigeschossige Einfamilienhaus mit etwa 80 Quadratmetern Wohnfläche pro Geschoss entsteht nicht in herkömmlicher Bauweise, sondern wird von einem 3D-Betondrucker ausgespuckt. Diese in Deutschland erstmals ausgeführte Bautechnik nahm in den vergangenen Wochen und Monaten alle behördlichen Genehmigungsprozesse.
„Der Druck des Wohnhauses in Beckum ist ein Meilenstein für die 3D-Betondrucktechnologie“, wird Thomas Imbacher, Geschäftsführer Innovation & Marketing bei Peri, in einer Pressemitteilung zitiert. „Wir sind davon überzeugt, dass das Drucken mit Beton in den nächsten Jahren in bestimmten Marktsegmenten an Bedeutung gewinnen wird und erhebliches Potenzial hat.“Weitere Wohnhaus-Druckprojekte seien bereits in der Vorbereitung. Bei Peri sei man stolz, mit dem Projekt in Beckum Vorreiter und Wegbereiter für diese neue Form des Bauens zu sein. „Wir bei Peri verstehen uns als Innovationsführer in unseren Märkten“, sagte demnach Fabian Kracht, Geschäftsführer Finanzen plus Sprecher der Geschäftsführung der Peri-Gruppe. Dazu gehört auch, dass Peri sich gezielt an Start-ups beteilige, die in Branchen mit neuen Lösungen unterwegs seien. 3 D-Druck sei ein Geschäftsfeld, das sich aus diesem Beteiligungsportfolio heraus entwickelt hat und nun im Markt angekommen ist.
Leonhard Braig, der Geschäftsführer für den Bereich Produktion, sieht ebenso große Möglichkeiten: „3D-Betondruck verändert die Art und Weise wie wir bauen und den Prozess des Hausbaus grundsätzlich. Da es das erste Gebäude seiner Art ist, drucken wir bewusst nicht so schnell wie dies eigentlich möglich wäre.“Peri, mit einem Umsatz von zuletzt 1,685 Milliarden Euro, einer der größten Hersteller und Anbieter von Schalungs- und Gerüstsystemen, wolle die Gelegenheit nutzen, weiter Erfahrung im Alltagsbetrieb zu sammeln, die der Firma beim nächsten Druckprojekt helfen werde, Kosten zu senken.
Peri setzt zum Druck 3D-Drucker vom Typ BOD2 ein. Diese Drucktechnologie stammt vom dänischen Hersteller Cobod, an dem Peri bereits seit 2018 beteiligt ist. Die Entwicklungen auf dem Gebiet des 3D-Betondrucks begannen 2015 durch Auftrag und mit Unterstützung der dänischen Regierung. 2017 erfolgte der technologische Durchbruch: In Kopenhagen wurde mit einem 3D-Drucker von Cobod das erste Haus gedruckt. Das Bürogebäude gilt als das erste dreidimensional gedruckte Gebäude in Europa überhaupt.
Vor zwei Jahren bezog in Frankreich, wie berichtet, bereits eine Familie ein komplett 3D-gedrucktes Haus. Der Bungalow ist 95 Quadratmeter groß und soll mit knapp 200000 Euro 20 Prozent günstiger im Vergleich zu traditionellen Bauweisen gewesen sein.
Heute gehört Cobod nach Angaben von Peri mit seinem Angebot an 3D-Druckern für den Wohnungsbau zu den führenden Unternehmen weltweit. Auch in der Region wird mit Beton gedruckt: Die Firma Röser hat, wie berichtet, für den Standort in Laupheim bei Peri einen 3D-Betondrucker zur Herstellung von Betonfertigteilen bestellt.
Zurück nach Beckum: Die Konstruktion des Hauses besteht aus dreischaligen Wänden, die mit Isoliermasse verfüllt werden. Der Drucker sei so zertifiziert, dass auch während des Druckvorgangs im Druckraum gearbeitet werden kann. Manuelle Arbeiten, wie etwa das Verlegen von Leerrohren und Anschlüssen, können auf diese Weise einfach in den Druckprozess integriert werden.
Bedient wird der Drucker von lediglich zwei Personen. Der Druckkopf und die Druckergebnisse werden per Kamera überwacht. Mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde gilt der BOD2 aktuell als der schnellste 3D-Betondrucker auf dem Markt. Für einen Quadratmeter doppelschalige Wand benötigt der BOD2 rund fünf Minuten. Nordrhein-Westfalen fördert das 3D-Betondruck-Projekt in Beckum im Rahmen seines Förderprogramms „Innovatives Bauen“mit 200000 Euro. Deshalb informierte sich Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, auf der Baustelle in Beckum über den Stand der Dinge.
Drucktechnologie stammt aus Dänemark