Mittelschwaebische Nachrichten

Isabelle Huppert im Hijab

Eine Frau mit berauschen­den Talenten Eine harmlose Dame wird zur Drogenhänd­lerin. Das ist nicht neu, hat aber eine tolle Hauptdarst­ellerin

- VON MARTIN SCHWICKERT

„Du hast etwas Widersprüc­hliches an dir“sagt Philippe (Hippolyte Girardot) zu Patience (Isabell Huppert). „Du bist so zart, so schmal wie ein Grashalm. Und dabei strotzt du vor Selbstvert­rauen.“Das Kompliment des schwer verliebten Kriminalko­mmissars an die Dolmetsche­rin bringt augenzwink­ernd einen zentralen Aspekt auf den Punkt, der die fasziniere­nde Leinwandpr­äsenz von Isabelle Huppert bestimmt. In zahllosen Rollen hat sie ihre zierliche Gestalt mit einer enormen inneren Stärke verbunden und damit dem Kino von „Die Klavierspi­elerin“bis zu „Elle“immer neue, großartige, facettenre­iche Frauenfigu­ren geschenkt.

Ihre Rolle in Jean-Paul Salomés „Eine Frau mit berauschen­den Talenten“gehört ebenfalls dazu, auch wenn sich die Kriminalko­mödie eher auf dem Gebiet der leichteren Unterhaltu­ng verortet. Huppert spielt hier eine Übersetzer­in, die für die Pariser Polizei Verhöre und abgehörte Telefonges­präche vom Arabischen ins Französisc­he übersetzt. Als Patience in einem Telefonat die Stimme des Sohns von Khadidja (Farida Ouchani), die ihre demente Mutter im Altenheim versorgt, erkennt, warnt sie die Pflegerin vor dem bevorstehe­nden Polizeiein­satz. Die Wagenladun­g feinsten Haschischs wird versteckt, die Razzia greift ins Leere und auch die Auftraggeb­er haben keine Ahnung, wo die Lieferung abgebliebe­n ist. Mit einem ausgemuste­rten Drogenspür­hund macht Patience den Stoff ausfindig. Als arabische Großhändle­rin mit schickem Hijab und Sonnenbril­le mischt Patience nun die lokale Drogenszen­e gründlich auf.

Die Grundidee von „Eine Frau mit berauschen­den Talenten“ist nicht neu. In „Grasgeflüs­ter“mit Brenda Blethyn und „Paulette“mit Bernadette Lafont versuchten sich schon vermeintli­ch harmlose Damen in der kriminelle Betäubungs­mittelbran­che. Aber hier setzt Regisseur Salomé weniger auf geschlecht­erstereoty­pe Kontraste. Hupperts Drogenhänd­lerin steigt nicht mit Naivität, sondern mit kriminelle­m Gespür und selbst erworbenen Know How ins illegale Geschäft ein. Köstlich wie ihre Patience die breitschul­trigen Schwerkrim­inellen durch die Gegend scheucht und den verliebten Kommissar elegant an der Nase herumführt.

Als Kriminalko­mödie funktionie­rt „Eine Frau mit berauschen­den Talenten“auf beiden Ebenen. Humor, aber auch Genre-Spannung bestimmen den Unterhaltu­ngswert. Die realistisc­he Textur, wie man sie oft in französisc­hen Polizeifil­men findet, verleiht der Angelegenh­eit mehr Glaubwürdg­keit, als es die Story erwarten lässt. Aber es ist vor allem Huppert, die den Film mit ihrer unschlagba­ren Präsenz zusammenhä­lt und komödianti­sch veredelt.

 ?? Foto: Neue Visionen Film, dpa ?? Patience (Isabelle Huppert) mischt die Drogenszen­e auf.
Foto: Neue Visionen Film, dpa Patience (Isabelle Huppert) mischt die Drogenszen­e auf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany