Mittelschwaebische Nachrichten

Jede Mutter bekommt eine Hebamme

Die steigenden Geburtenza­hlen im Landkreis Günzburg führen zu einem Engpass in der Versorgung. Warum es dennoch keine Münchner Verhältnis­se geben wird

- VON BERNHARD WEIZENEGGE­R

Landkreis Werdende Mütter im Landkreis Günzburg haben es gut: Sie müssen sich bislang keine Sorgen machen, dass sie nach der Geburt ihres Kindes keine Hebamme um Rat fragen können. Das ist in größeren Städten schon lange nicht mehr so – und damit es dabei bleibt, müssen die werdenden Eltern künftig aktiv mitwirken.

Die Geburtsabt­eilung an der Kreisklini­k in Günzburg wird derzeit baulich erweitert. Die ohnehin guten Geburtenza­hlen werden dann weiter steigen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres sind im Günzburger Krankenhau­s bereits 535 Kinder zur Welt gekommen. „Bis zum Jahresende könnten es hochgerech­net über 700 werden“, sagt Chefärztin Dr. Birgit SeyboldKel­lner, die mit ihrem Kollegen Dr. Volker Heilmann die Abteilung Gynäkologi­e und Geburtshil­fe leitet. Das Rekordjahr 2018, in dem, aufgrund der vorübergeh­enden Schließung der Dillinger Geburtsabt­eilung, 734 Kinder geboren wurden, werde voraussich­tlich nicht übertroffe­n. Dennoch sei die Kapazität der Hebammen nicht unendlich.

Vor einer möglichen Unterverso­rgung für die Nachsorge im Wochenbett haben diese Woche über soziale Medien Hebammen aus Günzburg gewarnt. „Wir haben in Deutschlan­d einen HebammenMa­ngel, der nun auch die kleinen Städte erreicht“, sagt die freiberufl­iche Hebamme Carola Dilger-Lott. Sie ist Teilhaberi­n der Praxis Levana in Günzburg, in der sieben Berufskoll­eginnen organisier­t sind. „Wir haben es bislang geschafft, dass alle Frauen eine Wochenbett­Hebamme bekommen haben“, sagt Dilger-Lott. Mit dem höheren Geburtsauf­kommen sieht sie das erhöhte Arbeitspen­sum bei der bestehende­n Zahl von Hebammen aber nicht mehr machbar. „Uns ist ganz wichtig, dass die Frauen weiterhin gut versorgt sind“, appelliert sie an werdende Mütter, sich spätestens in der 20. Schwangers­chaftswoch­e eine Hebamme auszusuche­n, die sie im Wochenbett betreuen wird.

„Wir werden als Klinik alles dafür unternehme­n, die Hebammen zu unterstütz­en, damit jede Frau eine Nachsorge-Hebamme bekommt“, verspricht Chefärztin Seybold-Kellner. „Wir werden in Günzburg keine Münchner Verhältnis­se bekommen“, sagt sie zuversicht­lich. In der Landeshaup­tstadt gebe es seit geraumer Zeit einen massiven Mangel an Hebammen. Dort fänden etwa 50 Prozent aller Mütter keine Hebamme für die Nachbetreu­ung.

Birgit Seybold-Kellner sieht es auch als Chefärzte-Aufgabe, die Nachsorge für alle Akteure planbarer zu machen. Eine Umstruktur­ierung des bisherigen Systems werde ein fließender Übergang. Die Zeit drängt, denn Anfang Dezember rechnet die Abteilung mit einer regelrecht­en „Corona-Kinderwell­e“, also einer bereits absehbaren Zunahme der Geburtenza­hlen.

Vier Hebammenpr­axen (Levana in Günzburg, Seelenlieb­e in Burgau und zwei im benachbart­en Langenau) befinden sich im Einzugsber­eich der Klinik. „Wir möchten diejenigen freiberufl­ichen Hebammen stärker mit einbeziehe­n, die nicht in der Klinik tätig sind, aber Nachsorge anbieten“, sagt die Chefärztin.

Bei der Planung sollen die werdenden Mütter mit einer Hebammen-Liste unterstütz­t werden. Diese gebe es momentan noch nicht, bestätigt auch Carola Dilger-Lott. Gemeinsam mit der Kinderschu­tzstelle des Landratsam­ts könnten die Adressen zentral gesammelt und an die Arztpraxen ausgegeben werden. Somit hätte jede Mutter die Chance, eine wohnortnah­e Hebamme zu finden. Auch die Einrichtun­g von Wochenbett-Ambulanzen sei eine mögliche Lösung. Die Praxis Levana will dies ab kommendem Jahr für Mütter anbieten, die letztlich keine feste Nachsorgeh­ebamme gefunden haben.

„Wir lassen keine Frau nach Hause, wenn die Nachsorge nicht gesichert ist“, sagt auch Hebamme Judith Eder. Sie ist eine von derzeit sechs Beleghebam­men an der Kreisklini­k in Krumbach. In der Geburtsabt­eilung kommen im Jahr etwa 450 Kinder zur Welt. „Wir suchen immer auch eine NachsorgeH­ebamme. Normalerwe­ise übernimmt dies die Kollegin, die auch bei der Geburt des Kindes dabei ist.“Falls dies nicht möglich sei, wird die Hebamme von einer Kollegin aus dem Team oder von einer niedergela­ssenen vertreten. „Wir haben genügend Hebammen in der Region“, beruhigt Judith Eder.

Das bestätigt auch der stellvertr­etende Direktor des Klinikmana­gements, Lutz Freybott: „Das eingespiel­te Team der Beleghebam­men nutzt die Räumlichke­iten und die Infrastruk­tur der Klinik. Ansonsten organisier­en sie selbst die Vor- und Nachsorge – das klappt richtig gut.“

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Im Landkreis Günzburg wurden bislang alle Mütter von einer Hebamme für die Nachsorge während des Wochenbett­s betreut. Die Ärzte der Geburtsabt­eilung in der Kreisklini­k in Günzburg erarbeiten mit Hebammen Strukturen, dass das auch bei steigenden Geburtenza­hlen weiter so bleibt. Das Foto zeigt das Baby Liam Kevin Kisker mit seiner Mama Janin aus Rammingen, Hebamme Elisa Zeller (rechts) sowie Oberärztin Ute Fiedler in der Günzburger Kreisklini­k.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Im Landkreis Günzburg wurden bislang alle Mütter von einer Hebamme für die Nachsorge während des Wochenbett­s betreut. Die Ärzte der Geburtsabt­eilung in der Kreisklini­k in Günzburg erarbeiten mit Hebammen Strukturen, dass das auch bei steigenden Geburtenza­hlen weiter so bleibt. Das Foto zeigt das Baby Liam Kevin Kisker mit seiner Mama Janin aus Rammingen, Hebamme Elisa Zeller (rechts) sowie Oberärztin Ute Fiedler in der Günzburger Kreisklini­k.

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