Mittelschwaebische Nachrichten
„Der Städtetag ist eine Art Selbsthilfegruppe“
Gerhard Jauernig ist zum dritten Mal zum Bezirksvorsitzenden des Bayerischen Städtetags gewählt worden. Wie mit dessen Hilfe die coronabedingten Gewerbesteuerausfälle kompensiert werden sollen und was dessen Aufgaben sind
Günzburg Gerhard Jauernig ist in der Politik bestens vernetzt. Das liegt zum einen daran, dass er seit 2002 Oberbürgermeister in Günzburg ist, zum anderen aber auch daran, dass er Bezirksvorsitzender des Bayerischen Städtetags ist – und zwar seit 2008. Am Mittwochnachmittag wurde er in dieser Position für die nächsten sechs Jahre bestätigt. Doch was macht dieser kommunale Spitzenverband eigentlich, der gerade in Zeiten von Corona eine hohe Bedeutung hat? Und was hat Kommunalpolitik eigentlich mit Geschirrspülen zu tun?
Die Antwort auf die zweite Frage gibt Jauernig mit einem Lachen: „Die Arbeit hört weder beim Geschirrspülen noch in der Kommunalpolitik jemals auf. Kaum freut man sich und denkt, dass man fertig ist, steht schon das nächste Geschirr beziehungsweise das nächste Thema an.“Günzburgs Oberbürgermeister gibt auf Nachfrage unserer Zeitung einen Einblick in die aktuelle Arbeit des Bayerischen Städtetags. Oberste Priorität habe derzeit der kommunale Finanzausgleich, bei dem es um viele Millionen Euro geht.
Wegen des Coronavirus klagen die Kommunen über enorme Gewerbesteuerausfälle. Deshalb gibt es vom Bund eine Art Konjunkturprogramm, um die finanziellen Verluste abzufangen. Ein Teil des Geldes geht zunächst nach München. „Es ging nun darum, nach welchem Modus das Geld verteilt wird. Und das hat der Bayerische Städtetag nun mit dem Finanzminister in München verhandelt“, sagt Jauernig. Es sei ein Ergebnis erzielt worden, „mit dem wir sehr gut leben können“.
So werden die durchschnittlichen Gewerbesteuereinnahmen der vergangenen drei Jahre mit den diesjährigen Einnahmen bis Ende November sowie den geplanten Einnahmen ins Verhältnis gesetzt. „Das ist eine faire Lösung und keine Willkürlichkeit. So kann zumindest für dieses der Großteil der Gewerbesteuerausfälle kompensiert werden“, sagt ein zufriedener Jauernig.
Als Bezirksvorsitzende des Bayerischen Städtetags vertreten Jauernig (SPD) und Kaufbeurens Oberbürgermeister Stefan Bosse (CSU) für die nächsten sechs Jahre die 44 Mitgliedskommunen Schwabens, in der zusammen mehr als eine Million Menschen leben. Kraft ihres Amtes gehören sie automatisch dem Vorstand des Bayerischen Städtetages an, in dem 293 Städte und Gemeinden Mitglied sind. Jauernig und Bosse wurden am Mittwoch in Kaufbeuren jeweils einstimmig in ihren Ämtern bestätigt – Gegenkandidaten gab es keine.
Jauernig bezeichnet dieses Amt als sehr schöne Aufgabe und eine Ehre, dort federführend zu agieren. Er habe zu keinem Zeitpunkt gezögert, sich ein drittes Mal zur Wahl zu stellen. „Man ist der Repräsentant der Städte Schwabens und hat die Möglichkeit, in vielen Bereichen aktiv mitzuarbeiten“, sagt der Günzburger Oberbürgermeister. Neben den Verhandlungen mit der Staatsregierung über den kommunalen Finanzausgleich gibt es eine Vielzahl weiterer Themen, mit denen sich der Bayerische Städtetag beschäftigt. Es geht unter anderem um Regelungen zur Verteilung von Fördermitteln und Sonderprogrammen. Auch die Bereiche der Kinderund Seniorenbetreuung sowie dessen enormer Finanzierungsbedarf spielen eine große Rolle. Weitere Themen sind die Ärzteversorgung im ländlichen Raum, aber auch die Digitalisierung in den Schulen, die nicht nur durch eine einmalige Ausstattung, sondern durch eine dauerJahr hafte Begleitung gefördert werden soll.
Der Städtetag vertritt gegenüber der Staatsregierung und der Wirtschaft die Interessen der Menschen und agiere völlig überparteilich. Jauernig bezeichnet den Bayerischen Städtetag gar als „Gewerkschaft der Bürger“.
Der Austausch mit den (Ober-)Bürgermeisterkollegen sei für ihn sehr wichtig. „Der Städtetag ist eine Art Selbsthilfegruppe“, sagt Jauernig ironisch. Es gebe einen wertvollen Erfahrungsaustausch, man stärke sich, mitunter bemitleide man sich aber auch.
Mit Stefan Bosse aus Kaufbeuren verbinde ihn eine verbandspolitische aber auch sehr persönliche Freundschaft, erzählt Jauernig. Die beiden Vorsitzenden bereiten Termine gemeinsam vor, stimmen sich untereinander ab und verteilen repräsentative Aufgaben. Die Fachausschüsse beraten den Vorstand und bereiten in ihren Arbeitsgebieten die Sachentscheidungen vor. Derzeit gibt es zwölf Fachausschüsse. Dass nicht immer alle Mitglieder des Städtetags einer Meinung sind, liegt in der Natur der Sache, aber Jauernig betont: „Bei allen wichtigen Themen wird mit sehr deutlicher Stimme gesprochen.“Deshalb habe die Stimme des Städtetags in der Staatsregierung auch Gewicht.
„Es ist mit Sicherheit kein Nachteil, wenn der Oberbürgermeister der Stadt Günzburg Mitglied des Vorstands des Bayerischen Städtetages ist“, sagt Jauernig über sein Amt. Dadurch habe er direkten Zugang zu wichtigen Entscheidungsträgern in Schwaben und ganz Bayern.