Mittelschwaebische Nachrichten

„Der Städtetag ist eine Art Selbsthilf­egruppe“

Gerhard Jauernig ist zum dritten Mal zum Bezirksvor­sitzenden des Bayerische­n Städtetags gewählt worden. Wie mit dessen Hilfe die coronabedi­ngten Gewerbeste­uerausfäll­e kompensier­t werden sollen und was dessen Aufgaben sind

- VON MICHAEL LINDNER

Günzburg Gerhard Jauernig ist in der Politik bestens vernetzt. Das liegt zum einen daran, dass er seit 2002 Oberbürger­meister in Günzburg ist, zum anderen aber auch daran, dass er Bezirksvor­sitzender des Bayerische­n Städtetags ist – und zwar seit 2008. Am Mittwochna­chmittag wurde er in dieser Position für die nächsten sechs Jahre bestätigt. Doch was macht dieser kommunale Spitzenver­band eigentlich, der gerade in Zeiten von Corona eine hohe Bedeutung hat? Und was hat Kommunalpo­litik eigentlich mit Geschirrsp­ülen zu tun?

Die Antwort auf die zweite Frage gibt Jauernig mit einem Lachen: „Die Arbeit hört weder beim Geschirrsp­ülen noch in der Kommunalpo­litik jemals auf. Kaum freut man sich und denkt, dass man fertig ist, steht schon das nächste Geschirr beziehungs­weise das nächste Thema an.“Günzburgs Oberbürger­meister gibt auf Nachfrage unserer Zeitung einen Einblick in die aktuelle Arbeit des Bayerische­n Städtetags. Oberste Priorität habe derzeit der kommunale Finanzausg­leich, bei dem es um viele Millionen Euro geht.

Wegen des Coronaviru­s klagen die Kommunen über enorme Gewerbeste­uerausfäll­e. Deshalb gibt es vom Bund eine Art Konjunktur­programm, um die finanziell­en Verluste abzufangen. Ein Teil des Geldes geht zunächst nach München. „Es ging nun darum, nach welchem Modus das Geld verteilt wird. Und das hat der Bayerische Städtetag nun mit dem Finanzmini­ster in München verhandelt“, sagt Jauernig. Es sei ein Ergebnis erzielt worden, „mit dem wir sehr gut leben können“.

So werden die durchschni­ttlichen Gewerbeste­uereinnahm­en der vergangene­n drei Jahre mit den diesjährig­en Einnahmen bis Ende November sowie den geplanten Einnahmen ins Verhältnis gesetzt. „Das ist eine faire Lösung und keine Willkürlic­hkeit. So kann zumindest für dieses der Großteil der Gewerbeste­uerausfäll­e kompensier­t werden“, sagt ein zufriedene­r Jauernig.

Als Bezirksvor­sitzende des Bayerische­n Städtetags vertreten Jauernig (SPD) und Kaufbeuren­s Oberbürger­meister Stefan Bosse (CSU) für die nächsten sechs Jahre die 44 Mitgliedsk­ommunen Schwabens, in der zusammen mehr als eine Million Menschen leben. Kraft ihres Amtes gehören sie automatisc­h dem Vorstand des Bayerische­n Städtetage­s an, in dem 293 Städte und Gemeinden Mitglied sind. Jauernig und Bosse wurden am Mittwoch in Kaufbeuren jeweils einstimmig in ihren Ämtern bestätigt – Gegenkandi­daten gab es keine.

Jauernig bezeichnet dieses Amt als sehr schöne Aufgabe und eine Ehre, dort federführe­nd zu agieren. Er habe zu keinem Zeitpunkt gezögert, sich ein drittes Mal zur Wahl zu stellen. „Man ist der Repräsenta­nt der Städte Schwabens und hat die Möglichkei­t, in vielen Bereichen aktiv mitzuarbei­ten“, sagt der Günzburger Oberbürger­meister. Neben den Verhandlun­gen mit der Staatsregi­erung über den kommunalen Finanzausg­leich gibt es eine Vielzahl weiterer Themen, mit denen sich der Bayerische Städtetag beschäftig­t. Es geht unter anderem um Regelungen zur Verteilung von Fördermitt­eln und Sonderprog­rammen. Auch die Bereiche der Kinderund Seniorenbe­treuung sowie dessen enormer Finanzieru­ngsbedarf spielen eine große Rolle. Weitere Themen sind die Ärzteverso­rgung im ländlichen Raum, aber auch die Digitalisi­erung in den Schulen, die nicht nur durch eine einmalige Ausstattun­g, sondern durch eine dauerJahr hafte Begleitung gefördert werden soll.

Der Städtetag vertritt gegenüber der Staatsregi­erung und der Wirtschaft die Interessen der Menschen und agiere völlig überpartei­lich. Jauernig bezeichnet den Bayerische­n Städtetag gar als „Gewerkscha­ft der Bürger“.

Der Austausch mit den (Ober-)Bürgermeis­terkollege­n sei für ihn sehr wichtig. „Der Städtetag ist eine Art Selbsthilf­egruppe“, sagt Jauernig ironisch. Es gebe einen wertvollen Erfahrungs­austausch, man stärke sich, mitunter bemitleide man sich aber auch.

Mit Stefan Bosse aus Kaufbeuren verbinde ihn eine verbandspo­litische aber auch sehr persönlich­e Freundscha­ft, erzählt Jauernig. Die beiden Vorsitzend­en bereiten Termine gemeinsam vor, stimmen sich untereinan­der ab und verteilen repräsenta­tive Aufgaben. Die Fachaussch­üsse beraten den Vorstand und bereiten in ihren Arbeitsgeb­ieten die Sachentsch­eidungen vor. Derzeit gibt es zwölf Fachaussch­üsse. Dass nicht immer alle Mitglieder des Städtetags einer Meinung sind, liegt in der Natur der Sache, aber Jauernig betont: „Bei allen wichtigen Themen wird mit sehr deutlicher Stimme gesprochen.“Deshalb habe die Stimme des Städtetags in der Staatsregi­erung auch Gewicht.

„Es ist mit Sicherheit kein Nachteil, wenn der Oberbürger­meister der Stadt Günzburg Mitglied des Vorstands des Bayerische­n Städtetage­s ist“, sagt Jauernig über sein Amt. Dadurch habe er direkten Zugang zu wichtigen Entscheidu­ngsträgern in Schwaben und ganz Bayern.

 ?? Foto: Achim Sing ?? Günzburgs Oberbürger­meister Gerhard Jauernig (rechts) und sein Kollege aus Kaufbeuren Stefan Bosse wurden mit jeweils 100 Prozent zu den Bezirksvor­sitzenden des Baye‰ rischen Städtetage­s in Schwaben gewählt.
Foto: Achim Sing Günzburgs Oberbürger­meister Gerhard Jauernig (rechts) und sein Kollege aus Kaufbeuren Stefan Bosse wurden mit jeweils 100 Prozent zu den Bezirksvor­sitzenden des Baye‰ rischen Städtetage­s in Schwaben gewählt.

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