Mittelschwaebische Nachrichten
Missbrauchtes Vertrauen
Rudolf Mandrella wird verraten
Rudolf Mandrella ist in seinem Leben nichts geschenkt worden. 1902 in Auschwitz geboren, das damals noch zu Österreich-Ungarn gehörte wie ganz Oberschlesien, hat er schon früh seinen Vater verloren, der als Assistent bei der Eisenbahn ein sicheres Einkommen hatte. Sein Tod änderte alles. Die Mutter stand mit ihren Kindern ziemlich mittellos da. Rudolf, der älteste, lernte leicht. Man war nach Ratibor umgezogen. Rudolf besuchte das Gymnasium. Den Dienst am Altar betrachtete er als eine Ehre. Er schloss sich dem „Quickborn“an, einer Gemeinschaft, die Ideale pflegte. Alkohol war verpönt. Man interessierte sich für religiöse Themen und für Kunst. In den Gruppenstunden wurde gesungen und diskutiert. Große Fahrten und Zeltlager bildeten die Höhepunkte im Jahresablauf. Mit 18 Jahren konnte Rudolf sein Abitur machen. In dieser Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ging es darum, ob Oberschlesien zu Polen kommt. Mandrella und seine Freunde wollten dies verhindern. „Der Oberschlesische Grenzschutz“wurde gebildet. Es kam zu kämpferischen Auseinandersetzungen. Das Rad der Geschichte ließ sich jedoch nicht mehr zurückdrehen.
Gerne hätte Rudolf Mandrella studiert, aber er konnte sich kein Studium leisten. Er ging zum Zoll. Bereits nach wenigen Jahren stieg er zum Zollsekretär auf. Als sich aber die Möglichkeit bot, Jura und Volkswirtschaft zu studieren, ergriff er die Chance. Er studierte in Breslau und Berlin. In den Semesterferien arbeitete er beim Straßenbau, um Geld zu verdienen. Mit glänzenden Noten konnte er sein Studium beenden. Einer Karriere stand nichts mehr im Weg. 1936 wurde er zum
Amtsgerichtsrat in Berlin-Köpenick befördert. Im gleichen Jahr heiratete er. Drei Söhnen durften sie das Leben schenken. Inzwischen war der Zweite Weltkrieg ausgebrochen und der Nationalsozialismus hatte alle Teile des öffentlichen Lebens erfasst. Man konnte sich ihm kaum entziehen ohne sich und seine Familie zu gefährden.
Um nicht zur Wehrmacht eingezogen zu werden, meldete sich Rudolf Mandrella zur Kriegsmarine. Zunächst hatte er einen Verwaltungsposten in Kiel und später in Stettin. Da er ein regelmäßiger Kirchgänger war, lud man ihn ins Pfarrhaus ein. Hier trafen sich Leute, die dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüberstanden. Man glaubte offen reden zu können. Der GESTAPO war es gelungen einen jungen SS-Mann in den Kreis einzuschleusen, der alle Gespräche nicht nur anhörte, sondern sie hinterher auch protokollierte und der GESTAPO meldete. Das führte zur Verhaftung des ganzen Kreises, darunter auch Rudolf Mandrella. Am 5. Februar 1943 wurde er verhaftet. Die Anklage lautete auf Wehrkraftzersetzung. Bereits im Mai erfolgte das Todesurteil.
Während der Haft konnte Rudolf Mandrella ein Tagebuch führen. Es wurde zum Vermächtnis für seine Frau und seine Kinder. Täglich betete er den Rosenkranz und betrachtete den Kreuzweg. Ein Neues Testament gehörte zu seiner ständigen Lektüre. Im Abschiedsbrief an seine Frau schrieb er: „Zu dem Schicksal, das der Herr mir auferlegt hat, sage ich ein starkes Ja“. Am 3. September 1943 wurde Rudolf Mandrella im Zuchthaus Brandenburg-Görden mit dem Fallbeil hingerichtet.