Mittelschwaebische Nachrichten
Kemmerich gegen alle
Thüringen Der Kurzzeit-Ministerpräsident, der sich mit AfD-Stimmen wählen ließ, bereut nichts. Seine Parteifreunde in der FDP sind entsetzt
Erfurt
Das FDP-Bundespräsidium ist scharf auf Distanz zum Thüringer Landes- und Fraktionsvorsitzenden Thomas Kemmerich gegangen. Die Parteiführung kündigte am Freitag an, Kemmerich bei einer erneuten Spitzenkandidatur für die Landtagswahl im kommenden Jahr jede Unterstützung zu versagen. In einem gemeinsamen Brief warfen die 15 anderen FDP-Landeschefs Kemmerich vor, der Partei „erheblichen Schaden“zuzufügen. Er war am 5. Februar überraschend zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt worden – mit Stimmen der AfD. Die Wahl löste ein politisches Beben aus. Doch Kemmerich bedauert sein Verhalten nicht. Am Donnerstag schrieb er auf Twitter: „Nicht die Annahme der Wahl war der Fehler (...), sondern der Umgang der anderen demokratischen Parteien mit der Situation.“
FDP-Generalsekretär Volker Wissing sieht das anders und antwortete am Freitag im Namen des gesamten Präsidiums: „Die Annahme der Wahl war ein schwerer politischer und persönlicher Fehler. Sie stand in krassem Widerspruch zu der liberalen Grundhaltung der Freien Demokraten.“Mit Blick auf die Landtagswahl am 25. April kommenden Jahres hieß es in der Erklärung Wissings weiter, die Entscheidung über die Spitzenkandidatur treffe der FDP-Landesverband
Thüringen. „Für das Präsidium der FDP steht jedoch fest, dass es keinerlei finanzielle, logistische oder organisatorische Unterstützung für einen Wahlkampf eines Spitzenkandidaten Thomas Kemmerich durch den Bundesverband geben wird.“
Die 15 anderen Landesvorsitzenden forderten Kemmerich eindringlich zum Verzicht auf die Spitzenkandidatur auf. „Solltest Du erneut als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Thüringen antreten, werden die Zweifel an unserer Abgrenzung der FDP zur AfD alles andere übertönen“, warnten sie in ihrem Brief. Im Mai hatte Kemmerich erneut für Ärger gesorgt. Er nahm in Gera an einer Demonstration von Gegnern der staatlichen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie teil, bei der auch Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretiker mitgelaufen sein sollen. Für Empörung sorgte dabei auch, dass er Abstandsregeln nicht einhielt und keinen Mund-Nasen-Schutz trug. Seitdem lässt er sein Amt im FDP-Bundesvorstand ruhen.