Mittelschwaebische Nachrichten
Auch der Wendler ist jetzt ein Verschwörungsprediger
Der Schlagersänger leugnet Corona und nennt Medien gleichgeschaltet. Nicht nur sein Manager ist entsetzt
Köln
Michael Wendler schaut an der Kamera vorbei, als er auf der Internetplattform Instagram seine Botschaft verkündet. Offensichtlich liest er einen vorgefertigten Text ab: „Ich werfe der Bundesregierung bezüglich der angeblichen CoronaPandemie und deren resultierenden Maßnahmen grobe und schwere Verstöße gegen die Verfassung und das Grundgesetz vor“, sagt der 48-Jährige in dem Video vom Donnerstag, das 24 Stunden lang abrufbar war. Dann fordert er seine 295000 Instagram-Fans auf, den verschlüsselten Nachrichtendienst Telegram zu nutzen und ihm dort zu folgen. „Alle anderen Portale sind zensiert.“Zugleich verkündet „der Wendler“, wie Fans ihn nennen, seinen Ausstieg als Juror der RTLShow „Deutschland sucht den Superstar“(DSDS). Er beschuldigt Fernsehsender, „gleichgeschaltet“und „politisch gesteuert“zu sein.
Damit hat der Klub der bekannten Verschwörungsprediger ein neues Mitglied. Wendler reiht sich ein neben dem einst als Kochbuchautor bekannten Attila Hildmann und Sänger Xavier Naidoo. Dessen Platz in der DSDS-Jury war Anfang des Jahres frei geworden: Naidoo sah sich nach wirren, rechtspopulistischen Zeilen in einem Video unter anderem Rassismus-Vorwürfen ausgesetzt und verlor seinen Job.
Der Sender RTL zeigte sich völlig überrascht von den Aussagen Wendlers – sowohl vom DSDSAusstieg als auch von den Verschwörungsmythen. „Davon distanzieren wir uns ausdrücklich.“Die geplante Liveübertragung von
Wendlers Hochzeit mit der fast 30 Jahre jüngeren Laura Müller ist abgeblasen. „Wendler hat eigenständig und ohne Rücksprache unseren Vertrag gekündigt und verunglimpft RTL“, so Geschäftsführer Jörg Graf. „Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel prüfen und ausschöpfen.“
Wendlers Manager Markus Krampe ist völlig aufgelöst. In einer TV-Sendung mit Oliver Pocher kämpfte er am Donnerstagabend mit den Tränen. Er mache sich Sorgen um Wendler, dessen Einstellungen hätten sich aber über einen längeren Zeitraum angedeutet. Der Sänger sei „immer krasser“in seinen Aussagen zum Coronavirus geworden. Als das Video online ging, habe Wendler ihn angerufen und erzählt, dass er die ganze Nacht mit Attila Hildmann telefoniert habe. Hildmann, der bei Anti-CoronaDemos mehrfach gegen Vorgaben verstieß und festgenommen wurde, nennt sich selbst „ultrarechts“.
Wendlers Video rief auch im Netz Fassungslosigkeit hervor. Die CDU äußerte sich auf Twitter: „Verschwörungsmythen und Fake News sind eine echte Gefahr für Demokratie
und Gesellschaft – erst recht in einer Pandemie.“Dazu verwendete das Netzteam der Partei den Hashtag #nichtegal. Er bezieht sich auf den größten Hit des Schlagersängers, er trägt den Titel: „Egal“.
Die Supermarktkette Kaufland beendete ihre Zusammenarbeit mit Wendler und löschte einen Werbeclip, in dem er eine umgedichtete Version des Songs singt. „Egal“wird darin zu „Regal“. „Bei unserem Video mit Michael Wendler ging es um Spaß und Ironie. Die Grenze ist jedoch erreicht, wenn mit der Sicherheit und Gesundheit von Menschen gespielt wird“, teilte das Unternehmen mit. Berichten zufolge sollte er für den Spot 200000 Euro erhalten. Ob das Geld trotzdem fließt, dazu gab Kaufland keine Stellungnahme ab.
Besonders gefährlich: Michael Wendler scheint Erfolg zu haben. Bis Freitagabend waren bereits mehr als 52000 Menschen seiner Aufforderung gefolgt und hatten sich ihm auf dem bei Verschwörungsgläubigen beliebten Netzwerk Telegram angeschlossen.