Mittelschwaebische Nachrichten

350 Jahre Kirche Ursberg: Das Kloster war ein „hinfällig gewordenes Gut“

Als im Jahr 1670 das Gotteshaus eingeweiht wurde, erholte sich das Land von Jahren des Krieges. Welche Not die Mönche und die Menschen im 30-jährigen Krieg und den Jahren danach im mittelschw­äbischen Raum zu ertragen hatten

- VON HANS BOSCH

Er gilt im Jahre 1670 als „dritter Erbauer“von Klosterkir­che und Konventgeb­äude: Der 45. Abt Matthäus Hochenried­er aus Steinbach bei Fürstenfel­dbruck, 1600 geboren und 17 Jahre später nach Ursberg gekommen, wo er zwischen dem Priesterst­udium das Buchbinder­handwerk erlernt. 1627 feiert er seine Primiz und wird schon ein Jahr später mit 28 Jahren vom Konvent einstimmig zum Abt gewählt. Es war eine schrecklic­he Zeit damals: Der 1618 begonnene 30-jährige Krieg brachte im ganzen Gebiet Leid und Tod, aber auch Hunger und Not. Dazu grassierte in jedem Dorf die Pest, an der teilweise schon mehr als die Hälfte der Bewohner gestorben war.

„In großer Not begann der junge Abt seine Arbeit. Dennoch entwickelt­e er eine rege wirtschaft­liche Tätigkeit“, schreibt der Chronist Alfred Lohmüller in seinem Buch „Das Reichsstif­t Ursberg“. Als „vortreffli­chen Abbt“bezeichnet ihn auch Prior Grimo Kormann in seinen 1804 geschriebe­nen „Nachrichte­n über das Reichsgott­eshaus Ursberg“, musste er doch „die Herrschaft, gleich beim Beginn seiner Regierung durch die Pest ganz entvölkert, sein zum viertenmal eingeäsche­rtes Kloster liegen sehen und mit seinen Ordenssöhn­en viele Jahre im Elend herumwande­rn“. Lohmüller ergänzt dazu: „Ein Drittel seiner Untertanen war infolge des großen Sterbens im Sommer und Herbst 1628 der Seuche erlegen.“

Bis zum Frühjahr 1632 rückte das Kriegsgesc­hehen immer näher. Die Schweden erreichten im April die Donau und bald darauf den Bereich Klosters. Am Ostersonnt­ag plünderten 40 schwedisch­e Reiter Thannhause­n, einen Tag später wurde Münsterhau­sen überfallen und in Langenhasl­ach brannten 18 Häuser ab. Die noch lebenden Dorfbewohn­er brachten ihre Habseligke­iten in Sicherheit und versteckte­n sich in den Wäldern. Die Chorherren flüchteten aus Ursberg mit den wichtigste­n Klosterakt­en, wobei Abt Hochenried­er auch den Kreuzparti­kel aus Mindelzell mitnahm und unter seiner Kleidung auf der Brust versteckte.

Am 23. April brachen plündernde Soldaten das Tor des Klosterber­eichs ein und zündeten einen Tag später die Abtswohnun­g an. Kurz darauf standen auch Kirche und Konventsge­bäude in Flammen. Wie Lohmüller berichtet, war das Kloster am Abend ein rauchender Trümmerhau­fen, denn es war kein Zimmer mehr bewohnbar. Die noch unbeschädi­gten Nachbarbau­ten wie Ökonomie, Stallungen, Mühle, Krankenhau­s und Brauerei wurden völlig ausgeraubt, wobei sich an diesen Plünderung­en auch zahlreiche Leute aus Balzhausen, Thannhause­n, Krumbach, Hürben und Raunau beteiligte­n. Immer wieder verwüstete­n durchziehe­nde Soldaten die letzten intakten Häuser und Kirchen. Das Fazit: Am 30. Juli 1632 wird das verlassene Kloster als „hinfällig gewordenes Gut“bezeichnet.

Ruhigere Zeiten gab es erst drei Jahre später wieder. Abt Matthäus blieb während seiner Abwesenhei­t ständig mit dem Kloster in Verbindung, kam im November 1635 zurück und fand im Pfarrhof Mindelzell eine erste Bleibe. Was er in Ursberg vorfand, schildert Lohmüller: „Heimgekomm­en sah der Abt nun mit eigenen Augen die furchtbare Verwüstung seines Klosters: Konventgeb­äude und Kirche ausgebrann­t, Ställe und Scheunen leer, Gasthaus, Mühle, Bäckerei und Amtshaus ausgestohl­en und fast unbewohnba­r. Die Felder im schlechtes­ten Zustand, die Dörfer entvölkert, die Häuser eingefalle­n und niedergebr­annt, die Leute verarmt und voll Hunger“.

Mit Entschloss­enheit und Tatkraft machte sich Matthäus daran, zumindest die furchtbare Not zu beheben. Er machte Bettelreis­en in benachbart­e Klöster und immer wiedes

der wurden Ochsen, Kühe und Schweine vom Stift Schlägl im österreich­ischen Mühlvierte­l (dort hatte er den Großteil seines Exils verbracht) nach Ursberg getrieben. An den Aufbau der abgebrannt­en Kirche war aber noch nicht zu denken. So baute er 1638 zuerst die frühere Kapelle auf dem Michelsber­g wieder auf, dem er das Gebäude für ein „Notklöster­lein“folgen ließ, in das der Abt mit einigen Kanonikern 1644 einzog.

Zwei Jahre später kam der Feind wieder ins Land und stahl fast die gesamte Einrichtun­g. Der Abt flüchtete nach Memmingen und kehrte erst nach Beendigung des 30-jährigen Krieges im November 1648 nach Ursberg zurück.

Seine größte Sorge in den nächsten Jahren war der Neubau des Klosters und der Kirche. Er verkaufte immer wieder Besitzunge­n, erhielt Spenden vor allem aus Schlägl und erreichte, dass im April 1657 der Grundstein für das neue Abtshaus gelegt werden konnte. Genau zehn Jahre später begann Abt Matthäus mit dem Wiederaufb­au der Kirche auf den noch stehenden romanische­n Grundmauer­n. Noch im Herbst wurde das Dach aufgesetzt und zwei Jahre später der neue Bau mit einer Noteinrich­tung ausgestatt­et. Mitte April 1670 schickte der Abt die Einladung zur Kirchenwei­he an den Augsburger Fürstbisch­of Christoph von Freyberg, wobei er darauf verwies, dass diesem „infolge der Armut des Klosters kein gebührende­r Empfang“gemacht werden könne.

Umgehend gab der Bischof seine Zustimmung, legte als Tag der Konsekrati­on den Sonntag, 11. Mai fest und deutete an, dass er „mit kleinem Gefolge“in Form von 32 Personen nach Ursberg kommen werde. Zusätzlich kündigte sich der Weihbischo­f mit Begleitern an. Zum Augsburger Tross gehörten Hofmarscha­ll, Oberstallm­eister, Beichtvate­r, Hofkaplan, Kammersekr­etär, Leibbarbie­r, Tafeldecke­r, Mundkoch und zwei Trompeter und so ist es durchaus verständli­ch, dass Abt Matthäus den Grafen von Lichtenste­in in Krumbach und den Baron von Freyberg aus Raunau um Unterstütz­ung bat, da 38 Pferde vom Kloster gestellt werden mussten. Die Weihe selbst begann um 5 Uhr früh und endete mit dem Te Deum um 11 Uhr.

Begrüßt wurden die Gäste übrigens im Klosterhof in „ehrerbieti­gst und feierlichs­ter Form“und kehrten nach „gebührende­r Verabschie­dung“nach Augsburg zurück. Wie der Chronist schreibt, wurde ohne sie „noch die ganze Woche gefeiert“. Abt Matthäus erlitt im Januar 1672 während der Messfeier einen Schlaganfa­ll und starb drei Tage später mit 72 Jahren in seinem 44. Amtsjahr. Sein Grab befindet sich in der Mitte des heutigen Kirchenrau­ms.

 ?? Foto: Staats‰ und Stadtbibli­othek Augsburg ?? Das Kloster Ursberg im Jahre 1664 nach einem Kupferstic­h des Augsburger Bartholomä­us Kilian. Es zeigt Kirche und Konventgeb­äude, wie sie gebaut werden sollten.
Foto: Staats‰ und Stadtbibli­othek Augsburg Das Kloster Ursberg im Jahre 1664 nach einem Kupferstic­h des Augsburger Bartholomä­us Kilian. Es zeigt Kirche und Konventgeb­äude, wie sie gebaut werden sollten.
 ?? Foto: Zerle, München ?? Kirche und Konventbau (links) stammen noch aus der Bauzeit ab 1665. Über 200 Jahre später kamen süd‰ östlich mehrere Neubauten hinzu (rechts).
Foto: Zerle, München Kirche und Konventbau (links) stammen noch aus der Bauzeit ab 1665. Über 200 Jahre später kamen süd‰ östlich mehrere Neubauten hinzu (rechts).
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Foto: Hans Bosch Mittelpunk­t des heutigen Dominikus‰ Ringeisen‰Werks, der St. Josefskong­re‰ gation und der Pfarrei Ursberg sind noch immer die barocke Klosterkir­che aus dem Jahre 1665 und ihr markanter Turm.

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