Mittelschwaebische Nachrichten

Eine längst verschwund­ene Gemeinde

Auch in Neuburg siedelten vor Jahrhunder­ten Juden. Heute erinnert (fast) nichts mehr an deren Anwesenhei­t

- VON RALPH MANHALTER

Ein durch und durch schwäbisch­er Ort mit schönem Marktplatz, einer erhöhten Kirche und über allem thronend das Schloss. So erscheint Neuburg dem heute Reisenden, imposant sowohl aus der Nahperspek­tive als auch aus der Ferne. Sicherlich, Gotteshaus und Herrschaft­ssitz sind schon alt, standen in ähnlicher Form schon zu Zeiten, als die Vöhlin oder die Ellerbache­r den Marktfleck­en an der Kammel regierten. Dennoch legten gerade Letztere den Grundstock zu einer Entwicklun­g, welche nahezu 250 Jahre andauerte, heute jedoch weitestgeh­end in Vergessenh­eit geraten ist. Allenthalb­en bekannt unter der Bevölkerun­g sind bestenfall­s noch die ehemaligen jüdischen Gemeinden

in Krumbach (Hürben) und Ichenhause­n, stellten sie doch auch aufgrund ihrer Größe einen bedeutende­n Faktor im Gesellscha­ftsund Wirtschaft­sleben dar.

Wer verbinde aber nun gerade Neuburg mit einer jüdischen Siedlungst­ätigkeit, da doch solche symbolträc­htigen Bauwerke wie Synagoge, rituelles Bad oder Begräbniss­tätte hier fehlen? Entscheide­nd war das ferne Jahr 1348. Die vormaligen Besitzer Neuburgs, die Grafen von Neuffen, waren in männlicher Linie ausgestorb­en. Kaiser Karl IV., jener berühmte Baumeister des mittelalte­rlichen Prag vergab daraufhin das Lehen an der Kammel seinem Reichsmars­chall Burkhard von Ellerbach. Dessen Nachfolger aus jener habsburgis­ch-luxemburgi­sch und somit anti-wittelsbac­herisch gesinnten Familie war es dann auch, der 1431 erste Juden in dem kleinen Ort ansiedelte. Hierbei handelte es sich in erster Linie um Vertrieben­e aus der Reichstadt Donauwörth. Im Gebiet der Markgrafsc­haft Burgau, zu welcher Neuburg österreich­ischlandes­herrlich gehörte, fanden sie Aufnahme. Die Neusiedler bekamen einen Straßenzug zugewiesen, der sich am westlichen Ende des Ortes befand: Noch im vorvergang­enen Jahrhunder­t hieß die jetzige Bergstraße „Judengasse“und diese führte hinauf zum heute noch so genannten „Judenberg“. Und da sind wir auch an jener Stelle, an welcher der einstige Friedhof der Gemeinde vermutet wird.

Wie auch in den oben genannten Orten mit jüdischer Bevölkerun­g, befand sich also auch in Neuburg die

Begräbniss­tätte weit außerhalb der Bebauung. Heute erinnert nichts an die einstigen Grablegen der israelitis­chen Ansiedlung, ebenso wenig wie Synagoge, Schule und Metzgerei. Erstere soll, glauben wir der Überliefer­ung am unteren Ende der Bergstaße (Judengasse) gestanden haben, dort wo diese in den Marktplatz mündet. Daneben stand bis 1957 wohl das Haus des damaligen Synagogend­ieners und Schullehre­rs. Die Lage der anderen kultisch-kulturelle­n Gebäude kann nach all den Jahren nicht mehr nachvollzo­gen werden, lässt sich aber mit Sicherheit auf den Straßenzug der ehemaligen Judengasse begrenzen. Um 1675 – Neuburg war zwischenze­itlich über die Herren von Rechberg an die Vöhlin gefallen – muss die Gemeinde aufgehört haben zu existieren. Zwar verfügte bereits der Burgauer Markgraf Karl zu Beginn des 17. Jahrhunder­ts die Ausweisung der Juden aus seinem Territoriu­m, musste sich kurz darauf jedoch seiner habsburgis­chen Verwandtsc­haft in Wien beugen: Kaiser Matthias erließ ein Mandat, welches der jüdischen Bevölkerun­g keine zusätzlich­en Beschwerni­sse auferlegte. Kurzum: Es wurden noch ein paar Jahre Aufschub gewährt. Dennoch schien es offensicht­lich, dass den Juden in Neuburg keine allzu große Zukunft mehr beschienen war. Mit einiger Wahrschein­lichkeit kann davon ausgegange­n werden, dass sich diese in die nahen größeren Gemeinden wie Hürben oder Ichenhause­n integriert­en, welche bis zu deren Vernichtun­g in der Zeit des Nationalso­zialismus Bestand hatten.

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Foto: Ralph Manhalter Auf diesem Berg bei Neuburg wird der einstmals jüdische Friedhof vermutet.

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