Mittelschwaebische Nachrichten

Der feine und der hölzerne Nick Hornby

-

Ben Lerner: Die Topeka‰Schule A. d. Englischen von Nikolaus Stingl, Suhrkamp, 395 Seiten, 24 Euro

DAls hätte es einer Klärung bedurft, kommt nun das neue Werk des britischen Star-Autors Nick Hornby. Um noch mal zu zeigen, was ihn zum internatio­nalen Bestseller gemacht hat, heiß geliebt, oft kopiert und prominent verfilmt etwa mit „High Fidelity“und „About A Boy“. Aber auch um aufzudecke­n, wo seine Grenzen liegen, zuvor etwa in „How To Be Good“oder „A Long Way Down“zu besichtige­n.

„Just Like You“heißt diese Klärung, in der der 63-jährige Ex-Englisch-Lehrer von einer EnglischLe­hrerin erzählt, die nach Trennung vom saufenden Vater ihrer zwei Söhne in eine Affäre mit einem Mann gerät, der ziemlich anders ist als sie – und doch titelgemäß genau wie sie? Zarte 22 also und damit 20 Jahre jünger, schwarz, mit Vorlieben für Playstatio­n-Fußball statt Shakespear­e-Theater, mit Gelegenhei­tsjobs und DJ-Traum statt Bildungsun­d Sozial-Engagement. Und auch das noch und freilich im Gegensatz zu ihr: aus dem Prekariat, das klar für den Brexit ist, der da zur Abstimmung steht. Ist trotzdem Liebe möglich? So viel will dieser Roman bedeuten. Und erstickt daran. Schlimmer Hornby. Dass man trotzdem seine Freude hat, liegt an dem, was das ungleiche Paar verbindet und der Autor beherrscht. Nein, nicht Sex und dessen Beschreibu­ng, da blendet er immer aus. Sondern echter und guter Humor, die mit ein bisschen Leichtigke­it geschulter­te Absurdität des alltäglich­en Lebens. Guter Hornby. Alles da. Und viel zu viel. Leider. Wolfgang Schütz as erste TV-Duell zwischen Donald Trump und Joe Biden gilt als das vermutlich chaotischs­te in der Geschichte der US-amerikanis­chen Wahlkämpfe. Zwei Männer jenseits der siebzig, die sich ins Wort fallen, brüllen, sich beleidigen... Ein trauriges Spektakel. Was man aber als hoffnungsv­olles Zeichen werten kann: Dass zwei Drittel der Zuschauer anschließe­nd erklärten, sie seien über den Stil der Debatte verärgert. Noch also erwartet der amerikanis­che Wähler doch so etwas wie eine sachliche Diskussion von seinem Führungspe­rsonal.

Wie aber konnte die politische Debatte in den USA derart verrohen? Und wann hat diese Entwicklun­g ihren Anfang genommen? Man muss nur nach Kansas gehen, zurück in die 90er Jahre, genauer gesagt nach Topeka, wo sich Adam Gordon, kurz vor dem Highschool­Abschluss, gerade anschickt, Landesmeis­ter im Debattiere­n zu werden … – kurzum, man muss nur den

Nick Hornby: Just Like You

A. d. Englischen v. Stephan Kleiner. Kiepenheue­r & Witsch,

384 Seiten, 22 Euro

David Szalay: Turbulenze­n

A, d. Englischen von Hennig Ahrens. Hanser,

136 Seiten,

19 Euro neuen Roman des US-Amerikaner­s Ben Lerner, der als einer der talentiert­esten Autoren seiner Generation gilt, lesen, der genau davon handelt: vom sprachlich­en Kollaps nämlich. Wie sich Sprache auflöst, wie sie sich vom Inhalt abkoppelt …

Die zentrale Figur kennt man aus Lerners autofiktio­nalem Roman „Abschied von Atocha“, da verbringt der junge Lyriker Adam Gordon ein Jahr als Stipendiat in Madrid. Nun begegnet er dem Leser sowohl als Jugendlich­er in schwerer Identitäts­krise, was seine Rolle als junger weißer Mann betrifft, wie auch als mit Preisen bedachter Schriftste­ller. Vater zweier Töchter, der in der Auseinande­rsetzung mit einem anderen Vater dem aber dann doch das Handy aus der Hand schlägt – all das ebenfalls biografisc­h grundiert. Erzählt Ben Lerner also, wie sich ein Menschenle­ben in einem Vierteljah­rhundert rundet, jemand zu seiner Stimme findet, ein Land derweil vor die Hunde geht.

Adam Gordon ist der Sohn zweier Psychologe­n, das Reden über die eigenen Gefühle hat er zu Hause gelernt, er schreibt Gedichte. In Debattierw­ettbewerbe­n aber wird er zum Champion, indem er beispielsw­eise die Technik des „Schnellsen“verwendet, bei der man im rasenden Tempo Argumente herausschl­eudert, auf die der Gegner nicht mehr reagieren kann, die Zuhörer ohnehin nichts mehr verstehen. Es also ums Gewinnen, aber nicht mehr darum, noch irgendetwa­s Gescheites zur Sache beizutrage­n, geht.

Lerner lässt neben der von Gordon mehrere Stimmen erklingen: die des Vaters, der an der Klinik in Topeka sogenannte „lost boys“wieder zum Sprechen bringt. Die der Mutter, wortgewalt­ige feministis­che Autorin, sprachlos aber, wenn es um ein verschütte­tes Traumata, den Missbrauch durch den Vater, geht. Und die von Darren, unterprivi­legierter Mitschüler von Adam, unfähig, seine Wut anders als durch den

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany