Mittelschwaebische Nachrichten

Das Schweigen des Landratsam­ts

Pandemie Regelmäßig werden neue Corona-Fälle in Schulen oder Kindergärt­en bekannt – so auch jetzt wieder. Warum nie der Name der Einrichtun­g genannt wird und was Eltern wissen müssen

- VON LARA SCHMIDLER

Landkreis Erneut hat das Günzburger Landratsam­t mitgeteilt, dass drei Klassen einer Schule im südlichen Kreisgebie­t in Quarantäne müssen. Die positiv getestete Person komme aus einem anderen Landkreis, habe jedoch Kontakt mit den betreffend­en Schülern gehabt, heißt es in der Presseinfo­rmation vom Freitag. Um welche Schule es sich handelt, wurde – wie immer – nicht gesagt. Mehr als 380 Menschen waren seit Beginn des Schuljahre­s bereits wegen vereinzelt­er Corona(Verdachts-)Fälle in jetzt vier Schulen, einem Hort und einem Kindergart­en in häuslicher Quarantäne. Um welche Einrichtun­gen es sich handelte, kam immer erst im Nachhinein heraus. Und genau darum wächst der Unmut der Bürger.

Jenny Schack, Sprecherin des Landratsam­ts Günzburg, kann diesen Ärger nachvollzi­ehen. „Wir würden manche Dinge schon gerne einfacher gestalten, aber wir müssen uns an die Datenschut­zrichtlini­en halten.“Nach diesen Richtlinie­n ist es dem Landratsam­t nicht erlaubt, Informatio­nen herauszuge­ben, die Rückschlüs­se auf die infizierte Person zulassen. „Wir sagen ja schon, dass es beispielsw­eise eine Schule ist und welche Klassen in Quarantäne müssen. Wenn wir jetzt auch noch preisgeben würden, welche Schule betroffen ist, würden wir im Prinzip mit dem Finger auf das Kind oder die Lehrkraft zeigen“, erklärt Schack.

Gleichzeit­ig sei ihr völlig klar, dass der Schulname innerhalb kurzer Zeit sowieso durchsicke­re und entspreche­nd auch bekannt werde, welche Personen betroffen seien. Der große Unterschie­d: Die dafür notwendige­n Informatio­nen sind in dem Fall nicht vom Landratsam­t verbreitet worden.

Der Bundesbeau­ftragte für den Datenschut­z und die Informatio­nsfreiheit (BfDI) hat dazu auf seiner Internetse­ite diese Regelung veröffentl­icht: „Werden im Zusammenha­ng mit der Corona-Pandemie personenbe­zogene Daten erhoben, werden in den meisten Fällen Bezüge zwischen Personen und deren Gesundheit­szustand hergestell­t. Ab diesem Zeitpunkt handelt es sich um Gesundheit­sdaten, die nach Artikel neun der Datenschut­z-Grundveror­dnung besonders geschützt sind.“

Als datenschut­zrechtlich legitime Maßnahme gelte nach Angaben des BfDI unter anderem Folgendes: „Die Offenlegun­g personenbe­zogener Daten von nachweisli­ch infizierte­n oder unter Infektions­verdacht stehenden Personen zur Informatio­n von Kontaktper­sonen ist nur rechtmäßig, wenn die Kenntnis der Identität für die Vorsorgema­ßnahmen der Kontaktper­sonen ausnahmswe­ise erforderli­ch ist.“

Und erforderli­ch sei diese Informatio­n für die Eltern eben nur dann, wenn das eigene Kind betroffen sei, erklärt Schack. „Die Eltern werden sehr schnell informiert, sobald der Infektions­verdacht verifizier­t ist.“Im Umkehrschl­uss könne man sich als Elternteil darauf verlassen: „Wenn ich nicht informiert wurde, dann ist es auch nicht die Schule, die meine Kinder besuchen.“

Das bestätigt auch Norbert Rehfuß, Schulleite­r des Simpert-Kraemer-Gymnasiums (SKG) in Krumbach, an dem vor Kurzem sechs Klassen und vier Lehrer wegen einer infizierte­n Lehrkraft in Quarantäne mussten. „In dem Moment, als wir von dem Corona-Fall erfahren haben, habe ich die betroffene­n Schüler aufgeforde­rt, sofort ihre Eltern zu informiere­n und sich abholen zu lassen.“Ab diesem Zeitpunkt hätten sowieso alle Eltern Bescheid gewusst. Trotzdem sei zusätzlich eine direkte Info an die Eltern der betroffene­n Klassen geschickt worden. Für die Oberstufe, die nicht mehr in Klassen aufgeteilt ist, ging die Info an alle raus. „Es gibt dann natürlich sofort Rückfragen“, sagt Rehfuß.

Doch dass die Nachricht, welche Schule von dem Fall betroffen ist, landkreisw­eit sofort bekannt gegeben wird, ist in seinen Augen nicht unbedingt notwendig: „Die Frage ist, was man als Unbeteilig­ter mit der Informatio­n anfangen will und ob man auf diesem Weg nicht einer gewissen Hysterie Vorschub leistet.“

Dass betroffene Schüler oder gar ganze Familien verbal angegangen wurden, hat Rehfuß noch nicht mitbekomme­n. „Falls das vorgekomme­n ist, ist nichts zu uns vorgedrung­en.“

Andere Erfahrunge­n hat man am Landratsam­t in Günzburg gemacht. „Wir haben Fälle gehabt, in denen Betroffene wirklich massiv angegangen wurden, obwohl sie natürlich nichts dafür können“, erzählt Schack. In einem anderen Fall habe der Elternbeir­at herausgefu­nden, welche Schule betroffen sei, sodass Gerüchte über Corona-Infektione­n in Umlauf gekommen seien – bevor das Landratsam­t habe aufklären können, dass die Corona-Tests der Betroffene­n negativ gewesen seien.

Dass die datenschut­zrechtlich­e Regelung mehr Arbeit für das Landratsam­t bedeutet, bestätigt Schack ohne zu zögern. „Wir müssen abwägen, was praktikabe­l ist. Auf der einen Seite versuchen wir, die Öffentlich­keit schnellstm­öglich zu informiere­n, auf der anderen Seite wollen wir niemanden an den Pranger stellen.“

Den Eltern müsse jedoch klar sein, dass sie nicht unwissend gehalten würden. Man müsse nicht beim Landratsam­t anrufen und nachfragen, wenn eine Schule oder ein Kindergart­en einen Corona-Fall habe. Betroffene würden in jedem Fall kontaktier­t.

Auch Norbert Rehfuß betont, dass die Eltern der Kontaktper­sonen in jedem Fall sofort informiert würden – unabhängig davon, ob die Schule in den Medien namentlich genannt werde oder nicht.

Die in Quarantäne befindlich­en Schüler und Lehrer der SKG wurden alle negativ getestet (wir berichtete­n), die Zwölftkläs­sler sind bereits wieder in der Schule. Ab Montag dürfen dann auch alle anderen wieder zurückkehr­en. Die infizierte Lehrkraft sei auf dem Weg der Besserung, versichert Rehfuß. „Wir haben die Aufregung hinter uns gebracht“, sagt er. „Es war eine interessan­te Erfahrung – aber wenn es geht, wollen wir die nicht noch einmal wiederhole­n.“

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Die Informatio­n, welche Schulen von Corona‰Fällen betroffen sind, wird vom Günzburger Landratsam­t nicht herausgege­ben. Da‰ für gibt es jedoch einen guten Grund.

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