Mittelschwaebische Nachrichten
Der Mensch kann gut sein, die Welt eine bessere werden
Frankfurter Buchmesse Auch tauglich für Corona-Zeiten: Das sind die Lehren von Amartya Sen, außergewöhnlicher Träger des Nobelpreises für Wirtschaft und jetzt auch des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels
Er kann so schön konkrete und so einfach einleuchtende Geschichten erzählen. „Nehmen Sie zum Beispiel England während des Zweiten Weltkriegs: Obwohl damals weniger Essen zur Verfügung stand, ging doch das Maß der Unterernährung deutlich zurück, und die wirklich schwere Mangelernährung verschwand vollkommen während des Krieges. Warum? Weil die Menschen lernten, miteinander zu teilen. Sie teilten miteinander das Essen, medizinische Hilfe, sie sorgten sich umeinander.“
So ist man unversehens mit Amartya Sen bei einer der großen Fragen des Menschseins gelandet: Wenn wir doch uneigennützig sein können, fähig zur Kooperation zum Wohle aller – warum ist die Welt dann so ungerecht, baden die einen im Überfluss, während andere verhungern? Immerhin – darauf hofft er auch angesichts der Corona-Pandemie: Wir entdecken in Notlagen den Wert der Solidarität. Ob die
Menschheit darüber doch irgendwann vernünftig werden könnte?
Amartya Sen glaubt daran. Und ist nicht nur dadurch ein Besonderer seines Fachs. Der Inder, der an den Eliteuniversitäten in Harvard und Cambridge unterrichtet hat und am Sonntag bei der Frankfurter Buchmesse mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wird, war 1998 der erste Wirtschaftswissenschaftler überhaupt aus einem Land der Dritten Welt, der den Ökonomie-Nobelpreis erhalten hat. Und einer, der vielleicht gerade mit dieser Herkunft einen anderen Blickwinkel auf die Fragen der Freiheit und des Wohlstands, des Miteinanders und des Hungers gebracht hat, schon mal „Ökonom im Dienste der Armen“genannt oder „Mutter Teresa der Wirtschaftswissenschaft“. Klingt gut, greift aber viel zu kurz.
Denn die Lehren des 86-Jährigen reichen weit über diese Anwaltschaft hinaus, die ihn mit der Strahlkraft eines frisch gekürten Nobelpreisträger
damals kategorisch ein globales politisches Versagen verurteilen ließ: „Hunger ist menschengemacht.“Es geht auch ganz analytisch und mit philosophischer Tiefe um unser Wesen und die Suche nach einer besseren Welt. Auf die beiden methodischen Begriffe gebracht: Wie sind die Prinzipien der Moral und die der Wirtschaft vereinbar?
Für Sen ist die Lösung eher eine Umwendung des Problems. Denn