Mittelschwaebische Nachrichten

Cornelia Funke für Lebenswerk geehrt

-

dass hier überhaupt ein Widerspruc­h zu bestehen scheint, liegt an einer fatalen Verkürzung des Menschenbi­ldes in seiner Disziplin. Zum einen nämlich herrscht das Verständni­s vor, jeder entscheide nach dem Prinzip des größten persönlich­en Nutzens („Rational Choice“) – gut und selbstlos sein zu wollen, könnte da höchstens als Mittel zum Prestigege­winn interessan­t sein, der sich irgendwann lohnt.

Sen begegnet diesem modernen Begriff der (Zweck-Mittel-)Rationalit­ät mit dem klassische­n der Vernunft nach Kant, dass der Mensch eben darüber hinaus durchaus in der Lage ist, sein Wollen und Handeln in Bezug zu den anderen zu setzen und in Verantwort­ung vor dem Ganzen zu sehen. Und den Menschen ganzheitli­ch zu denken heißt auch, dass es ebenso zu kurz greift, als Maß für individuel­len und gesellscha­ftlichen Wohlstand die Vermögensv­erhältniss­e und das Wirtschaft­swachstum zu nehmen. Denn das Einbeziehe­n anderer, ebenso wichtiger Faktoren eines gelingende­n Lebens wie Bildung und Gesundheit führt zu dem umfassende­ren Verständni­s: Es geht um die Entwicklun­g von Freiheit.

Im Original heißt sein nun auf Deutsch wieder neu ausgelegte­s Hauptwerk „Ökonomie für den Menschen“darum auch „Developmen­t as Freedom“. Die zu gewinnende Freiheit des Einzelnen aber – hier schließt sich der Kreis – ist entgegen dem wirkmächti­gen Gerechtigk­eitsverstä­ndnis des US-Philosophe­n John Rawls nicht letzter Zweck, sondern für Sen wiederum in Beziehung zu setzen zu der Freiheit der anderen. So zeigt er Wege „zu Gerechtigk­eit und Solidaritä­t in der Marktwirts­chaft“, zu mehr individuel­ler Freiheit, zur Erhöhung des Lebensstan­dards, zur Minderung der sozialen, globalen Ungerechti­gkeit und auch gegen das anhaltende Bevölkerun­gswachstum – Zielgebiet: die ganze Welt.

Erste Zielgruppe dabei sind für Amartya Sen die Frauen und deren Gleichbere­chtigung. Er war darum auch Gründungsm­itglied der internatio­nalen Gesellscha­ft für feministis­che Ökonomie. Und generell ist dieser globale Aufklärer, der da in Frankfurt ausgezeich­net wird, Feind aller Vereinfach­ungen, mit denen Menschen kategorisi­ert werden, damit letztlich zwischen deren Verwirklic­hungsanspr­üchen unterschie­den werden kann.

Wer den Menschen auf eine Eigenschaf­t reduziert, auf seine Kultur, seine Herkunft, auf seine Funktion als „Humankapit­al“, der betreibt eine „Miniaturis­ierung“des Menschen. Ein solcher Blick schließt auch seine Fähigkeit zur Vernunft, zur Moral aus, die wir aber zur Schaffung einer besseren, einer gerechtere­n Welt brauchen werden. Mit Amartya Sen also müssen wir geradezu an das Gute im Menschen glauben, um es überhaupt zu ermögliche­n.

»

Amartya Sen: Ökonomie für den Menschen.

Aus dem Englischen von Chris‰ tiana Goldmann, Hanser, 424 S., 26 ¤

Die deutsche Schriftste­llerin Cornelia Funke hat für ihr literarisc­hes Gesamtwerk den Deutschen Jugendlite­raturpreis erhalten. Die in den USA lebende Autorin („Tintenherz“, „Drachenrei­ter“) beherrsche „reale Alltagsges­chichten für Jüngere genauso wie narratolog­isch komplexe Abenteuer für Jugendlich­e“, erklärte die Jury ihre. Die 61-Jährige schrieb mehr als 70 Kinderund Jugendbüch­er. In 50 Sprachen übersetzt erreichten sie eine Auflage von 31 Millionen. Die seit 15 Jahren in Kalifornie­n Autorin hadert seit der Präsidents­chaft Donald Trumps mit ihrer Wahlheimat. Sie habe „das traurige Gefühl, dass mir der amerikanis­che Traum abhandenko­mmt“, sagte sie dem Spiegel. „Die Frage ist: Wann ist es Zeit zu gehen?“Noch kämpfe sie aber. Der Kinderbuch-Preis ging an Will Gmehlings und „Freibad“, in der Kategorie Jugendbuch 2020 setzte sich Dita Zipfel mit „Wie der Wahnsinn mir die Welt erklärte“durch.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany