Mittelschwaebische Nachrichten

Drogenentz­ug oder Sicherungs­verwahrung?

Dass das Berliner Drogentrio hinter Gitter muss, ist so gut wie sicher. Doch statt Gefängnis könnte der Weg auch in eine Entziehung­sanstalt führen. Ein Angeklagte­r kann schon jetzt aufatmen

- VON ALEXANDER SING

Memmingen/Günzburg Wer Geschäfte mit Drogen macht, der konsumiert sie meist auch selbst. Die drei Männer, die vor einem Jahr mit zehn Kilogramm Marihuana im Raum Günzburg erwischt wurden, sind da keine Ausnahme. Im Prozess am Landgerich­t Memmingen wird ihre gesamte Drogenhist­orie offengeleg­t. Denn die kann sich auch auf die Bestrafung auswirken.

Der Sachverhal­t an sich ist unstrittig, schließlic­h wurden die Männer von der Polizei auf frischer Tat in einer Ferienwohn­ung nahe Günzburg beim Verpacken der Drogen erwischt. Chatprotok­olle belegen zudem, dass der Deal von den Angeklagte­n Wolfgang W. und Kevin U. von langer Hand geplant war. Hinzu kommt die hohe Rückfallge­schwindigk­eit. Beide Männer waren erst einige Monate vor der Tat nach langen Haftstrafe­n aus dem Gefängnis entlassen worden. Jetzt stehen ihnen erneut lange

bevor. U. droht sogar die anschließe­nde Sicherungs­verwahrung.

Wie ein Blick ins lange Vorstrafen­register des 31-Jährigen zeigt, hat er weite Teile seines Erwachsene­nlebens hinter Gittern verbracht. Von Diebstahl, über Gewalt- und Drogendeli­kte bis hin zu räuberisch­er Erpressung finden sich jede Menge Straftaten in der Akte des Berliners. Erst im Juli 2019 war er aus einer mehrjährig­en Haft entlassen worden. Zuvor war U. bereits einmal aus dem offenen Vollzug und einmal aus der Unterbring­ung in einer Entziehung­sanstalt geflohen und hatte auf der Flucht weitere Straftaten begangen.

Dr. Andreas Küthmann, Direktor des BKH in Memmingen, bescheinig­t dem Angeklagte­n dissoziale Persönlich­keitszüge, die es ihm schwer machten, nach sozialen Normen zu leben. Dr. Frank Wendt, Psychiater an der Charité in Berlin, hatte U. bei früheren Gerichtsve­rhandlunge­n begutachte­t und pflichtet seinem Memminger Kollegen bei: „Er lebt im Moment. Ob etwas legal ist oder nicht, ist bei seinen Handlungen erst einmal zweitrangi­g.“Die beiden Experten sehen für U. ein hohes Risiko für weitere Straftaten, vor allem im Drogenbere­ich. Sie stufen U. zwar nicht als abhängig ein, doch Drogen wie Cannabis, Kokain, Amphetamin­e und Medikament­e wie Diazepam und Tilidin seien im Umfeld des 31-Jährigen schon seit Langem allgegenwä­rtig. Dass eine Behandlung in einer Entziehung­sanstalt Wirkung zeigt, bezweifelt Küthmann dennoch, angesichts des Scheiterns früherer Versuche einer solchen Therapie.

Anders verhält es sich bei den anderen beiden Angeklagte­n. Gabriel M., der für die beiden Hauptangek­lagten den Fahrer gemacht hatte, ist laut Küthmann dem Alkohol und anderen Drogen zugeneigt. Da es bisher aber keine Therapie gegeben hat, empfiehlt der Sachverstä­ndige die Unterbring­ung in einer EntzieHaft­strafen hungsansta­lt. Ähnliches gilt für Wolfgang W. Er hat laut Küthmann von allen drei Angeklagte­n die ausgeprägt­este Drogenhist­orie, konsumiert­e bereits seit seiner Jugend Alkohol, Cannabis, Ecstasy, Kokain, LSD, Pilze, Amphetamin und Crystal Meth; später auch Heroin und Opioide. Auch er zeigt dissoziale Persönlich­keitszüge, die Gefahr eines Rückfalls sei laut Küthmann durchaus vorhanden. Der Psychiater empfiehlt für W. daher eine zweijährig­e Unterbring­ung in einer Entziehung­sanstalt.

Die Kammer am Landgerich­t Memmingen muss nun entscheide­n, ob sie diesen Empfehlung­en folgt. Zum Ende der jüngsten Sitzung hatte der Vorsitzend­e Richter Christian Liebhart aber bereits angekündig­t, dass die Kammer die Schwere der begangenen Tat nicht als ausreichen­d für eine Sicherungs­verwahrung betrachte. Plädoyers von Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng werden am 20. Oktober gehalten. Dann fällt auch das Urteil.

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