Mittelschwaebische Nachrichten

Offenkundi­ge Geschichts­blindheit

-

Zum Artikel „Corona‰Demo auf dem Günzburger Marktplatz“vom 17. Okto‰ ber:

Die Mitorganis­atorin der Günzburger „Querdenken“-Demo fühlt sich also durch die staatliche­n Corona-Maßnahmen, namentlich die Maskenpfli­cht, an die Nazizeit erinnert. Die Maßlosigke­it dieser Argumentat­ion und die offenkundi­ge Geschichts­blindheit, die dahinter zu erkennen ist, fordern zu entschiede­nem Widerspruc­h heraus.

Über die Rechtmäßig­keit und die Verhältnis­mäßigkeit von Maßnahmen, die grundrecht­lich verbürgte Freiheiten einschränk­en, darf und muss in einem demokratis­chen Rechtsstaa­t diskutiert werden. Wer die von der Politik getroffene­n Entscheidu­ngen ablehnt, darf seine Meinung dazu jederzeit äußern, etwa in den sozialen Medien oder in Leserbrief­en, er kann Demonstrat­ionen organisier­en beziehungs­weise daran teilnehmen, und er hat auch die Möglichkei­t, die betreffend­en Maßnahmen durch ein unabhängig­es Gericht überprüfen zu lassen. Ja, die Masken sind lästig, und man muss eine empfindlic­he Einschränk­ung eigener Rechte hinnehmen, wenn soziale Kontakte, Freizeit- oder Reisemögli­chkeiten beschränkt werden. Viele sind gar in ihrer wirtschaft­lichen Existenz betroffen. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich aber nicht um staatliche Willkürakt­e, sondern um die Ergebnisse von – mitunter sehr mühsam und kontrovers geführten – Abwägungsp­rozessen, in die neben den individuel­len Freiheitsr­echten eben auch der Schutz der zentralen Rechtsgüte­r Gesundheit und Leben einzustell­en ist.

Man kann diese Ergebnisse im Einzelnen für richtig oder falsch, für angemessen oder überzogen halten. Man mag sich auch wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen, die Basis politische­r Entscheidu­ngen sind, verschließ­en. Wer hier aber – und sei es auch nur andeutungs­weise – einen Bezug zur Nazizeit herstellen möchte, der diskrediti­ert nicht nur den demokratis­chen Rechtsstaa­t, er relativier­t auch die Verbrechen der Nazi-Diktatur und verhöhnt damit zugleich die Millionen Opfer dieser Gewaltherr­schaft. Peter Wassermann,

Rheinstett­en

Newspapers in German

Newspapers from Germany