Mittelschwaebische Nachrichten
Wie eine Dinkelscherberin sich durch die CoronaKrise gekämpft hat
Wenn die Schule oder die Kita als Betreuungsoption ausfallen, müssen sich berufstätige Eltern selbst um ihre Kinder kümmern. Stephanie Höck hat beides geschafft
Dinkelscherben Im Kindergarten des Sohnes von Stephanie Höck hatte sich ein Kind infiziert. Folglich musste die ganze Kindergartengruppe in Quarantäne, darunter auch Höcks dreijähriger Sohn. Am gleichen Abend bestätigte das Gesundheitsamt die Nachricht. So weit, so gut, aber es gab ein Problem: Höck und ihr Mann sind beide berufstätig. Zudem sind sie weder krank noch eine „Kontaktperson 1“, die in Quarantäne muss. Wer sollte sich also um den Kleinen kümmern? So wie Höck geht es vielen Eltern.
Im Zuge der Corona-Pandemie mussten viele Eltern bemerken, dass sie sich nicht mehr auf Schulen und Kindergärten verlassen können. Immer wieder müssen diese Betreuungseinrichtungen wegen CoronaFällen schließen oder Klassen und Gruppen in Quarantäne schicken. Wer kleine Kinder und einen Beruf hat, bekommt da schnell ein Problem. Wer soll sich um den Nachwuchs kümmern, wenn Schule oder Kita dicht machen? Meistens die Eltern. Im besten Fall kann man mit dem Vorgesetzten unkompliziert eine Lösung finden, um sich von der Arbeit befreien zu lassen. Wenn dieser nicht mitspielt, wird es aber kompliziert. „Eine klare einheitliche Lösung gibt es derzeit nicht“, sagt Eva Schönmetzler von der Beratungsstelle für Rechtsfragen von der IHK Schwaben.
Beim Gesundheitsamt riet man den Höcks, sich vom Kinderarzt krankschreiben zu lassen. Schließlich seien die gesetzlichen Krankentage für Eltern extra auf 20 aufgestockt worden.
Allerdings gibt es da ein Problem: „Selbst im Quarantänefall des Kindes können Eltern ihre Kinderkrankheitstage nur dann nehmen, wenn das eigene Kind auch tatsächlich erkrankt ist“, berichtet Schönmetzler. Der Dreijährige war allerdings negativ getestet worden. Der Kinderarzt weigerte sich folglich, sie oder den Sohn krankzuschreiben. Auch ein Anruf beim Hausarzt brachte das gleiche Ergebnis. Die Mediziner wollten niemanden krankschreiben, der vollkommen gesund ist. Auch ihren Sohn nicht. Ob die Höcks ein Schreiben vom Gesundheitsamt hätten, um die Quarantäne zu belegen, wurden sie gefragt. „Nein, hatten wir natürlich nicht“, berichtet Stephanie Höck.
Höck rief also beim Gesundheitsamt an, um an das nötige Schreiben zu kommen. Der Herr am Telefon war wohl nicht so zimperlich wie die beiden Mediziner: Er habe ihr gesagt, der Arzt solle „sich mal nicht so anstellen“und sie einfach krankschreiben. Wenn die Kinderkrankheitstage aufgebraucht sind oder nicht zum Einsatz kommen dürfen, rät Expertin Schönmetzler, Freizeitreserven wie Urlaub oder Überstunden zu nutzen. Unter Umständen sei auch unbezahlter Urlaub denkbar. Diese Empfehlung bekam auch Höck vom Gesundheitsamt. „Das habe ich gar nicht eingesehen“, sagt sie. Schließlich habe sie schon einen Großteil ihres Urlaubs im Frühjahr aufgebraucht. Die Antwort vom Gesundheitsamt: „Wir müssen alle Opfer bringen.“
„Laut Infektionsschutzgesetz kann man sogar eine Verdienstausfallsentschädigung beantragen“, sagt Schönmetzler. Die genaue
Handhabung variiert nach Bundesland und in Bayern nach Bezirk. Die Regierung von Schwaben hat auf dieser Website eine Übersicht zusammengestellt. Ein Anrecht auf die Entschädigung gibt es aber nur, wenn die Schule oder Kita ganz geschlossen hat.
Stephanie Höck ist enttäuscht. „Wie wäre das erst gelaufen, wenn ich alleinerziehend gewesen und drei Kinder gehabt hätte“, sagt sie. Sie rief noch einmal ihren Hausarzt an und klagte über eine Erkältung und Übelkeit: „Zumindest die Übelkeit hatte sich erst im Laufe des Tages entwickelt“, sagt Höck. Der Arzt schrieb sie über das Telefon krank.
Höck rief anschließend beim Kindergarten an, um herauszufinden, wie sie weiter vorgehen müsse. Dort erzählte man ihr von den beiden Stellen, die ihr die korrekte Bescheinigung für ihren Arbeitgeber ausstellen konnten: corona@lra-a.bayern.de und vollzug-gb4@lra-a-bayern.de. Beide Adressen stammen vom Augsburger Landratsamt. Aber Achtung: Mit einer schnellen Antwort ist nicht unbedingt zu rechnen. Die Mitarbeiter beim zuständigen Gesundheitsamt klagen schon seit Längerem über Überlasbeiden tung und kommen nicht immer zeitnah mit den Anfragen hinterher. Mehr als zwei Wochen ist es her, dass Höck dorthin geschrieben hat. Auf eine Antwort wartet sie bis heute. Auf einer gut versteckten Seite der Staatsregierung wurde Höck fündig: Eine Bescheinigung zur „Vorlage beim Arbeitgeber“, wenn man als Elternpaar keine „anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit“hat. Erleichtert machte sich Höck auf den Weg zu ihrem Arbeitgeber, um den Zettel einzureichen, bis sie jäh enttäuscht wurde: „Wie ich erfahren musste, gilt der Vordruck nur, wenn der ganze Kindergarten geschlossen wurde“, sagt Höck. Das traf auf ihren Kindergarten nicht zu.
„Ich stand also wieder ganz am Anfang“, sagt sie. Immerhin: Ihr Chef war kulant und befreite sie trotz der fehlenden Bescheinigung vorerst von ihrer Arbeit. Auch für Schönmetzler ist das die optimale Option: „Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten das Gespräch suchen und gemeinsame Lösungen ausloten.“Höck ist froh, dass die stressige Zeit für sie vorbei ist. Ihr Sohn hatte immerhin Spaß: „Er durfte sehr viel fernsehen und Kekse essen“, sagt Höck.