Mittelschwaebische Nachrichten
Sie half 45 Jahre lang Menschen ins Leben
Wie sich die Tätigkeit einer Hebamme im Lauf der Jahrzehnte verändert hat. Maureen Dalton blickt zurück
Krumbach
Rund 45 Jahre hat Maureen Dalton Menschen ins Leben geholfen. 1975 begann sie ihre Ausbildung zur Hebamme, vor Kurzem hat sie ihre Arbeit an der Kreisklinik beendet, betreut aber ambulant noch immer Schwangere und Mütter.
Obwohl Schwangerschaft und Geburt seit Entstehung der Menschheit, ja der Säugetiere, ein immer gleicher biologischer Vorgang ist, hat sich allein in den Berufsjahren von Maureen Dalton Wesentliches in der Arbeit der Hebammen verändert. Das beginnt mit der Ausbildung, die einst zwei Jahre dauerte, Maureen Dalton absolvierte sie an der Uniklinik Erlangen, der bis heute eine von sieben Hebammenschulen in Bayern angegliedert ist. Inzwischen kann diesen Beruf nur noch ausüben, wer Abitur hat und mindestens eine vierjährige Ausbildung erfolgreich abschließt.
Die Geburtsvorbereitung, wie sie heute ganz selbstverständlich von Hebammen angeboten und begleitet werden, war in Daltons Lehrzeit noch nicht auf dem Plan. „Das kam erst mit dem massiven Trend zur Kleinfamilie. Während meiner Berufstätigkeit hat sich noch sehr viel mehr verändert. In den 1970er-Jahren war Stillen ebenso verpönt wie die Hausgeburt. Säuglingsmilch und Klinikgeburt waren Zeichen eines wachsenden Wohlstands und Verbesserung des Gesundheitswesens.“Die Verweildauer im Krankenhaus betrug zehn Tage, bei Kaiserschnitt drei Wochen. „Das waren auch kleine Auszeiten für die Mutter, die daheim einen deutlich aufwendigeren Haushalt zu organisieren hatte, als heute.“Mitsprechrecht hatten die Schwangeren in den frühen Berufsjahren von Maureen Dalton. So wurde, erinnert sich die Hebamme, eine Zeit lang routinemäßig ein Dammschnitt vorgenommen, angeordnet vom Chefarzt. Ein solcher Eingriff wird heute nur noch im Notfall durchgeführt. Dagegen werden heute Geburten häufiger eingeleitet. „Früher hat man den Geburtstermin nicht so exakt berechnen können, deshalb hat man bis zu drei Woche gewartet, bis eine Geburt eingeleitet wurde. Heute geschieht das aus medizinischen Gründen nach einer Woche.“
Viel geändert hat sich auch in der Versorgung der Neugeborenen. Bis in die frühen 80er Jahre wurden den Müttern nach der Geburt das Neugeborene weggenommen und in ei
separaten Säuglingsraum versorgt. Väter und Verwandte durften innerhalb kurzer Besuchszeiten klingeln und das Kind durch eine Glasscheibe betrachten. Die Mütter erhielten ihr Kind nach einem strengen Stundenplan wenige Stunden.
Eine der wesentlichen Veränderungen in ihrem Arbeitsfeld brachte die Pränataldiagnostik. „Als ich am Anfang meines Berufswegs stand, konnte es durchaus noch vorkommen, dass Eltern und medizinisches Personal von einer Mehrlingsgeburt überrascht wurden.
Denn wenn die Herzen der beiden Leben im absolut gleichen Rhythmus schlagen, kann man mit dem Abhorchen der Herztöne nicht feststellen, wie viele Herzen schlagen. Erst mit der Einführung und allmählichen Perfektionierung des Ultraschalls wurde es möglich, das wachsende Leben im Mutterleib sichtbar und diagnostizierbar zu machen.“Mit der Fruchtwasseruntersuchung kam ein weiterer großer Eingriff in die Hebammenarbeit. „Wir Hebammen sind ja für jede Form der Niederkunft ausgebildet, auch wenn am Ende des Geburtsvorgangs kein neues Leben zur Welt kommt.“
Dank der Fruchtwasseruntersuchung gebe es heute kaum mehr unvorbereitete Fehlbildungen bei Neugeborenen.
Ob Eltern sich für einen Abbruch oder für eine natürliche Geburt auch bei einem nicht lebensfähigen Kind entscheiden, dürfen sie heute selbst bestimmen. „Früher wurden die Eltern gerne gedrängt, die Schwangerschaft zu beenden. Egal, wie eine Entscheidung ausfällt, die Hebamme ist immer dabei und gerade in so schweren Stunden eine wichtige Vertraute und Helferin der Schwannem geren, versichert Maureen Dalton. In solchen Situationen sind jahrzehnte lange Berufserfahrungen eine große Hilfe.
„Leider ist es inzwischen so, dass die Hebammen in der Regel schon nach wenigen Jahren aufgeben. Die durchschnittliche Verweildauer im Beruf beträgt heute lediglich fünf bis sieben Jahre. Das ist der enormen Belastung geschuldet, denen die Hebammen bei der Geburtshilfe ausgesetzt sind.“Daran haben auch die neuen Geburtsmethoden nichts ändern können. War früher die Geburt in Rückenlage im Bett das Normale, bieten heute auch kleine Krankenhäuser alle möglichen Formen an, von der Stehendgeburt bis zu der im Wasser.
„Wir stehen unter einem großen Druck. Besonders wenn es zu Komplikationen kommt, sollen wir zwar jede Entscheidung, jede Handlung dokumentieren, aber gleichzeitig sehr schnell handeln, um Mutter und Kind die optimale Sicherheit geben zu können.“Das leidige Problem mit der Haftpflichtversicherung beschäftigt die Branche und die Medien seit Jahren, die Beiträge für selbstständige Hebammen, die Geburtshilfe leisten, sind exorbitant angestiegen. „Als ich mich 1990 selbstständig gemacht habe, betrug der Jahresbeitrag 300 Mark, heute sind es 9271 Euro für den gleichen Schutz. Das liegt vor allem daran, dass die Folgekosten im Falle eines Fehlers, der zu Schädigungen führt, enorm gestiegen sind. Das liegt auch an der höheren Lebenserwartung des Bezugsberechtigten.
Die Forderungen kommen aber in der Regel nicht von den Eltern, sondern von den Sozialkassen, die versuchen, die Kosten abzuwälzen. Durch die Beweisumkehr, die uns verpflichtet nachzuweisen, dass wir nicht schuld sind, ist der Verwaltungsaufwand enorm angestiegen. Alles muss niedergelegt werden, das ist sehr zeitaufwendig und fehlt letztendlich für die Betreuung von Mutter und Kind.“
Maureen Dalton schätzt sich glücklich, dass sie in alle den Jahren der Geburtshilfe nie in eine Haftpflichtsituation gekommen ist. Überhaupt, resümiert Maureen Dalton, habe sie in einer guten Zeit arbeiten können. Es ging ständig bergauf, neue Methoden haben die Vorsorge verbessert und die Geburt sicherer gemacht. Und dabei ist dennoch das Grundsätzliche erhalten geblieben. Die Geburt, mit der neues Leben auf die Welt gebracht wird.