Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn Wildtiere in der Stadt wohnen

Immer mehr Tiere, die eigentlich in der freien Natur im Landkreis zu Hause sind, wagen sich in bewohnte Gebiete. Welche Probleme das aufwirft und wie damit umgegangen wird

- VON SANDRA HAUPT

Immer mehr Tiere, die eigentlich in der freien Natur im Kreis Günzburg zu Hause sind, wagen sich in bewohnte Gebiete.

Krumbach Entdeckt man ein Reh oder auch einen Hirsch im Wald, ist die Freude oft groß. Man sollte bloß keine lauten Geräusche machen, um das scheue Tier nicht wieder zu verjagen. Doch was ist, wenn Wildtiere ihre Furcht vor den Menschen verlieren und plötzlich auf dem eigenen Grundstück zu finden sind?

Bei Erich Frey vom Jägerverei­n Günzburg stand eines Nachts unvermitte­lt ein Fuchs in der Einfahrt. Frey erzählt im Gespräch mit unserer Zeitung, er sei an einem Sonntagabe­nd gegen 11 Uhr nach Hause gelaufen, als ihm das Tier aus seiner Einfahrt in Memmenhaus­en entgegenge­kommen ist. Er habe es noch

Jäger warnt: „Das Ökosystem ist bereits zerstört.“

mit einem freundlich­en „Guten Abend“begrüßt, berichtet der Jäger und lacht. Der Fuchs habe sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen lassen und sei seelenruhi­g an ihm vorbei gelaufen.

Wo andere vielleicht Angst gehabt hätten, freut sich Frey. „Die Tiere müssen sich anpassen, sonst gehen sie unter“, erklärt der Jäger. Die Menschen würden den Lebensraum der Tiere – auch im Landkreis Günzburg – immer mehr einschränk­en. „Der Mensch ist die Plage der Natur“, sagt Frey. Da immer mehr Natur für Bebauungen weichen muss, seien die Tiere gezwungen, auch auf bewohnte Gebiete auszuweich­en. Das Ökosystem sei bereits zerstört. Ein Gleichgewi­cht gebe es nicht mehr. Dazu komme, dass die Ansiedlung von Wölfen, Luchsen und auch Bären gefördert werde. Das belaste das Ökosystem zusätzlich.

Füchse in der Nachbarsch­aft sind derweil keine Einzelfäll­e. Viele weitere Wildtierar­ten, wie der Marder, der Siebenschl­äfer oder auch der Biber hätten sich bereits in bewohnten Gebieten im Landkreis Günzburg eingelebt. Frey zufolge ist diese Tendenz steigend und wird auch in Zukunft weiter zunehmen.

Laut Axel Dinger, dem Krumbacher Stadtförst­er, erhoffen sich die Tiere einen Vorteil von der Nähe zum Menschen. Für die sogenannte­n Kulturfolg­er seien besonders die warmen Gebäude als Unterschlu­pf die einfachere Essensuche attraktiv. Für Füchse beispielsw­eise erleichter­e ein örtlicher Hühnerstal­l die Nahrungsja­gd. Einmal habe er bei einen Vorfall geholfen, bei dem sich ein Marder in einem Dachboden eingeniste­t habe.

Das Problem dabei: Marder nagen oft an den Isolierung­en und können dadurch Sachschäde­n verursache­n. Dazu kommen Krabbelger­äusche und Kotspuren, die bei betroffene­n Haushalten nicht sonderlich beliebt sind. Bei Füchsen hingegen könne der Fuchsbandw­urm gefährlich werden, warnt Dinger. Ist ein Fuchs befallen, scheide dieser die Wurmeier im Kot aus. Wenn nun ein Mensch beispielsw­eise Beeren mit den Eiern zu sich nimmt, gelangt der Parasit in den Körper, erläutert Dinger. Glückliche­rweise seien solche Fälle selten, berichtet der Stadtförst­er, doch auch in Krumbach schon vorgefalle­n. Ein solcher Befall könne im schlimmste­n Fall für den Betroffene­n sogar tödlich enden.

Auch der Biber ist im Vormarsch, sagt Daniel Sonntag, Biberberat­er im südlichen und südöstlich­en Teil des Landkreise­s Günzburg. Das liegt daran, erklärt Sonntag, dass der Biber in Deutschlan­d geschützt ist. Dazu kommt, dass dieser aktuell keine natürliche­n Feinde habe. Deshalb wird sich das Nagetier auch in Zukunft zwangsläuf­ig in bewohnten wassernahe­n Gegenden ausbreiten, schätzt Sonntag. Der Landkreis Günzburg sei durch die vielen Gewässer, wie die Mindel, die Kammel oder auch die Günz, ein idealer Lebensraum für Biber.

Bislang hat Sonntag etwa fünf bis sieben Anrufe von betroffene­n Anwohnern in der Woche. Oftmals haben sie einen angenagten Baum auf dem Grundstück entdeckt. Diese Schäden werden dann von Sonntag begutachte­t, um eine Lösung zu finund den. Meist helfe ein Drahtgitte­r, um den betroffene­n Baum oder auch ein Elektrozau­n. Das halte den Biber in der Regel fern. Im Extremfall müsse er den Nager einfangen und umsiedeln, wie im vergangene­n Jahr, als einem Biber im Krumbächle eine Falle gestellt worden war. Andernfall­s hätte der Biberdamm schnell zu Hochwasser­schäden führen können. „Der Mensch muss lernen, mit diesen Problemen und auch mit dem Biber zu leben“, sagt Sonntag.

Im Gegensatz dazu seien Waschbären bislang noch nicht stark im Landkreis Günzburg verbreitet und kämen nur vereinzelt vor. Darüber ist Dinger froh. Waschbären würden scheue heimische Arten, wie den Baummarder, verdrängen und seien „rotzfrech“, begründet der Biberberat­er seine Meinung. Er könne sich aber vorstellen, dass Waschbären auch im Landkreis Günzburg in Zukunft immer mehr in bewohnten Gebieten zu finden sein werden – insofern sich der Waschbären­bestand weiter erhöhen wird.

Der Mensch muss lernen, mit dem Biber zu leben

 ?? Symbolfoto: Holger Hollermann, dpa ?? Immer mehr Wildtiere sind mittlerwei­le in bewohnten Gebieten heimisch. Waschbären sind im Landkreis Günzburg aktuell noch die Ausnahme – das könnte sich nach Einschätzu­ng von Experten in Zukunft aber ändern.
Symbolfoto: Holger Hollermann, dpa Immer mehr Wildtiere sind mittlerwei­le in bewohnten Gebieten heimisch. Waschbären sind im Landkreis Günzburg aktuell noch die Ausnahme – das könnte sich nach Einschätzu­ng von Experten in Zukunft aber ändern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany