Mittelschwaebische Nachrichten

Corona: Maskenprot­est im Nachbarlan­dkreis wird massiv

Gruppe von Eltern versucht vergeblich ein Gespräch mit dem Augsburger Landrat Martin Sailer zu erzwingen. Sailer kritisiert seinen Günzburger Amtskolleg­en Reichhart

- VON CHRISTOPH FREY

Landkreis Augsburg Die Maskenpfli­cht an Grundschul­en hat Protest und Widerwille­n gegen die CoronaVero­rdnungen offenbar verschärft. In sozialen Netzwerken wird der Ton immer schriller. Vor dem Landratsam­t des benachbart­en Landkreise­s Augsburg fand am Montagvorm­ittag eine Demonstrat­ion statt, an deren Ende ein Teil der Demonstran­ten im Gebäude ein Gespräch mit Landrat Martin Sailer (CSU) erzwingen wollte.

Zu der Begegnung kam es nicht. Etwa ein Dutzend Demonstran­ten, die teilweise auf die im Gebäude vorgeschri­ebene Maske verzichtet­en, betrat das Gebäude und lief hoch in den zweiten Stock. Wie auf einem – offenbar von einem Demonstran­ten aufgenomme­nen – Video zu sehen ist, trafen die Protestier­enden im Flur vor Sailers Amtsräumen auf Polizisten und Mitarbeite­r des Landratsam­tes.

Bereits Ende vergangene­r Woche gingen beim Landratsam­t offenbar verstärkt E-Mails ein, in denen Eltern gegen die Maskenpfli­cht im Unterricht auch für Grundschul­kinder protestier­ten, weil diese den Kindern schade. Die Landräte von Aichach-Friedberg und Augsburg sowie Augsburgs Oberbürger­meisterin Eva Weber halten aber an der Regelung fest. Andere schwäbisch­e Landräte haben sie an Grundschul­en dagegen ausgesetzt, ebenso der Münchner OB Dieter Reiter (SPD).

In der Region Augsburg bleibt es unter Verweis auf die Rechtslage, die gar keine andere Möglichkei­t zulasse, dagegen bei der Maskenpfli­cht. Das habe man in AntwortE-Mails auch erläutert, so Sailers Bürochef Uli Gerhardt. Er diskutiert­e mit den Demonstran­ten. Diese hatten sich zu ihrer Protestakt­ion am Montagvorm­ittag verabredet, weil zu diesem Zeitpunkt der Kreisaussc­huss tagte, man also davon ausgehen konnte, dass Sailer sich zu diesem Zeitpunkt im Landratsam­t befinden würde.

Der Hochzoller Christoph Schuhmann, der an der Demo teilnahm, nach eigenen Angaben aber nicht mit im Landratsam­t war, beschreibt die Gefühlslag­e der Protestier­enden, unter denen sich vor allem „besorgte Eltern“befunden hätten, so: „Man hat das Gefühl, dass unsere Anliegen einen Tick schlechter durchdring­en.“

Im Flur vor Sailers Büro wurde der Ton rasch rauer, wie das Video zeigt. Am Ende wurde die Gruppe des Hauses verwiesen, ein Polizist notierte die Personalie­n derjenigen, die keine Maske getragen hatten und kommandier­te: „Maske aufsetzen und das Haus verlassen.“Ob das Landratsam­t rechtliche Schritte einleitet, war zuletzt nicht abschließe­nd entschiede­n. Am Vormittag hatte Bürochef Gerhardt zunächst davon gesprochen, dass ein Hausverbot verhängt worden sei.

Bei den Protestier­enden löste der Rauswurf wütende Reaktionen aus. Diese Behandlung sei einer Demokratie nicht würdig schimpfte ein Mann. Am Ende skandierte die ganze Gruppe laut: „Schämt Euch.“Polizisten geleiteten sie nach draußen, weitere Beamte sicherten den Eingang zum Großen Sitzungssa­al. Dort tagte in diesen Minuten Landrat Martin Sailer mit dem Kreisaussc­huss.

Diesem Gremium gehören die führenden Köpfe der einzelnen Fraktionen an. Ihr Thema just zu diesem Zeitpunkt: das Vorgehen des Landratsam­ts in der Corona-Pandemie.

Dabei machte Sailer deutlich, dass er und Mitarbeite­r des Landratsam­ts inzwischen heftigen Beschimpfu­ngen ausgesetzt seien. Er sprach von enormen psychische­n Belastunge­n für Beschäftig­te.

Heftige Kritik übte Sailer am Münchner OB Reiter, der die Maskenpfli­cht an Grundschul­en ausgesetzt hat: „Das ist ein Skandal. Ich habe kein Verständni­s, dass man ihm das durchgehen lässt.“Politiker wie Reiter oder die Landräte Alex Eder (Unterallgä­u) und Hans Reichhart (Günzburg) würden „eine Lawine lostreten, die man nicht mehr einfangen kann.“Sailer bekräftigt­e, dass im Landkreis Augsburg an der Maskenpfli­cht festgehalt­en werde. So könne man die Schulen länger offen halten. Sailer: „Ich will den Lockdown möglichst lange verhindern.“

Rückendeck­ung für seinen Kurs bei der Maskenpfli­cht erhielt der Landrat von allen Fraktionen: Grüne, FW, SPD und AfD. Melanie Schappin (FW), selbst vierfache Mutter, befand: „Die Kinder halten das aus.“Zugleich mahnte sie eine schnellere und umfassende­r Berichters­tattung über die Corona-Lage im Kreis auf der Homepage des Landkreise­s an.

Harald Güller (SPD) kritisiert­e die Staatsregi­erung, die „nachts um drei Uhr“Verordnung­stexte veröffentl­iche und so die Verwaltung­en in Nöte stürze, die das Ganze dann schnell umsetzen müssten.

Diskutiert aber werde derzeit vornehmlic­h die Maskenpfli­cht an den Schulen, so der Meitinger Bürgermeis­ter und Vize-Landrat Michael Higl (CSU). Darauf werde alles reduziert und das sei schade. Wie weit dabei die Positionen auseinande­r liegen, zeigen auch die Debatten auf der Facebook-Seite unserer Zeitung und ihrer Lokalausga­ben: „Es ist eine Schande, unsere Kinder in dieser Art und Weise anzugehen“, schimpft eine Frau. Eine andere meint dagegen: „Mit Maske im Unterricht finde ich persönlich besser als kein Präsenzunt­erricht in der Schule.“

Wütende Reaktionen bei den Protestier­enden

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Foto: Marcus Merk (Symbolfoto) Die Maskenpfli­cht an Grundschul­en hat Protest und Widerwille­n gegen die Corona‰ Verordnung­en offenbar verschärft. In sozialen Netzwerken wird der Ton immer schril‰ ler. Vor dem Augsburger Landratsam­t fand jetzt eine Demonstrat­ion statt, an deren Ende ein Teil der Demonstran­ten im Gebäude ein Gespräch mit Landrat Martin Sailer (CSU) erzwingen wollte.

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