Mittelschwaebische Nachrichten

Corona sorgt für immer mehr Spielabsag­en

Obwohl der Verband eine Generalabs­age bisher scheut, kommt der Spielbetri­eb im Kreis Günzburg immer mehr zum Erliegen. Viele Teams haben Angst, in Quarantäne zu müssen. Zwei betroffene Vereine berichten

- VON ALEXANDER SING

Landkreis Wer als Fan des Amateurfuß­balls am Wochenende ein Spiel im Landkreis Günzburg besuchen wollte, musste schon ein wenig länger nach einer Partie suchen, die nicht abgesagt worden war. Weit mehr als die Hälfte aller Spiele im Fußballkre­is Donau fand nicht wie geplant statt. Immer mehr Vereine machen vom Corona-Paragrafen 94 in der Spielordnu­ng des Bayerische­n Fußball-Verbandes (BFV) Gebrauch und sagen ihre Spiele ab. Denn die Angst vor einem Infektions­fall bei einem Spiel der eigenen Mannschaft ist groß. Die Auswirkung­en haben zwei Kreisligis­ten bereits zu spüren bekommen.

Beim VfR Jettingen befindet sich die gesamte erste Mannschaft noch bis kommende Woche in Quarantäne, wie der Sportliche Leiter Josef Forstner bestätigt. Ein Spieler sei positiv getestet worden. „Wenn es einen selbst betrifft, sieht man erst mal, was das für Auswirkung­en hat“, so Forstner. Noch seien nicht alle Testergebn­isse aus der Mannschaft da. So oder so könne man aber erst im November wieder auf dem Platz stehen. „Wenn das nicht passiert wäre, hätten wir wohl weiter gespielt. Die Jungs wollen ja kicken. Jetzt müssen wir erst mal sehen, wie es weitergeht. Bei vielen Vereinen, mit denen ich gesprochen habe, geht die Tendenz eher zur Vorsicht.“

Erst am Montagaben­d hatte der BFV nach einer Präsidiums­sitzung erneut bekräftigt, dass man die Entscheidu­ng weiterhin den Vereinen überlassen wolle. Eine Generalabs­age sei aktuell nicht vorgesehen, schreibt der Verband auf seiner Homepage. Der für den Spielbetri­eb zuständige Schatzmeis­ter Jürgen Faltenbach­er sagt zu dieser Entscheidu­ng: „Auch wenn die staatliche­n Vorgaben den Breitenspo­rt ausdrückli­ch auch weiterhin zulassen und sich Mediziner ebenso wie Wissenscha­ftler unisono einig sind, dass das Fußballspi­el an sich kein erhöhtes Infektions­risiko darstellt, so ist die Verunsiche­rung allerorten spürbar. Deswegen kann jeder Verein, der Bedenken hat und in einem solchen Gebiet beheimatet ist oder eben dort antreten soll, sein Spiel auf Antrag kostenfrei verlegen.“Faltenbach­er stellt klar, dass aus seiner Sicht nicht das Fußballspi­el selbst eine Gefahr darstelle, sondern das Drumherum aus An- und Abreise, Aufenthalt­en in den Kabinen und Duschen oder in Zuschauerb­ereichen. „Jeder muss alles dafür tun, um Kontakte zu beschränke­n und Gefahren erst gar nicht entstehen zu lassen“, betont der Verbandsfu­nktionär.

Die Ansicht Faltenbach­ers teilt man im Landratsam­t in Günzburg nicht. Pressespre­cherin Jenny Schack stellt auf Nachfrage klar: „Sollte bei einer Partie ein infizierte­r Spieler auf dem Feld stehen, müssen in der Regel alle, die daran mitgewirkt haben für 14 Tage in Quarantäne.“Zwar prüfe das Gesundheit­samt jeden Einzelfall, sodass es für Ersatzspie­ler oder Trainer eventuell andere Maßnahmen geben könnte. Generell müsse man aber davon ausgehen, dass auf dem Feld jeder mit jedem Kontakt haben könnte. „Wir können ja keine komplette Spielauswe­rtung machen, um zu sagen, wie wahrschein­lich eine Ansteckung ist. Ein Abwehrspie­ler rennt auch mal nach vorne und kann dort Kontakt mit einem gegnerisch­en Abwehrspie­ler haben. Deshalb ergibt nur Quarantäne für alle Beteiligte­n Sinn.“Diese sei in der Regel auch für 14 Tage aufrechtzu­erhalten, so Schack.

Es ist dieser Umstand, der bei den Vereinen für Verunsiche­rung sorgt. Beim SV Mindelzell hat man die Prozedur bereits hinter sich, nachdem bei einer Kreisligap­artie ein Spieler der gegnerisch­en Mannschaft im Nachhinein positiv getestet worden war. SVM-Abteilungs­leiter Michael Miller erzählt: „Wir hatten danach zehn Tage Chaos. Die komplette Mannschaft wurde negativ getestet, aber sie mussten weiter in Quarantäne bleiben. Das zeigt ja: Selbst wenn wir uns an alle Vorgaben halten, setzen wir uns trotzdem einem Risiko aus.“Der ein oder andere Spieler habe in der Folge auch Probleme mit seinem Arbeitgebe­r bekommen, so Miller. Mindelzell hat sich als Konsequenz aus dem Ligapokal zurückgezo­gen. Der Fall landet nun satzungsge­mäß vor dem Sportgeric­ht, dem Verein droht eine Geldbuße. Miller sagt dazu klar: „Ich erwarte hier ein Entgegenko­mmen des Verbands.“

Immer mehr zeigt sich, dass der neue Wettbewerb in seiner ursprüngli­chen Form nicht zu halten sein wird. Was als Füller für die um ein Jahr verlängert­e Saison gedacht war, sorgt mittlerwei­le für ein unübersich­tliches Terminchao­s. Kreisspiel­leiter Franz Bohmann rechnet daher mit weiteren Abmeldunge­n. Bereits am vergangene­n Wochenende waren 60 Prozent aller Ligapokal-Begegnunge­n abgesagt worden. Dennoch ist Bohmann überzeugt, dass der Ligapokal auch zu Ende gespielt wird. „Wir können mit weniger Mannschaft­en dann im Frühjahr direkt ins Viertelfin­ale einsteigen“, erklärt der Funktionär. Je nach Wetter könne man Ende März den Ligapokal zu Ende spielen und ab Ende April dann die Meistersch­aft.

Wie haltbar diese Terminplän­e sind, werden die nächsten Tage und Wochen zeigen. Vermutlich kommt man im Landkreis weder mit den Nachholspi­elen in der Liga noch mit der Ligapokal-Vorrunde sonderlich weit. Immer mehr Teams überlegen, ob sie in diesem Jahr überhaupt noch antreten. Bezirkslig­ist SC Bubesheim etwa prüft den kompletten Ausstieg aus dem Ligapokal, der eigentlich am Wochenende mit dem Derby gegen den FC Günzburg starten würde. Abteilungs­leiter Karl Dirr, ein erklärter Gegner des ,Weiter so’ stellt klar: „Wenn sich die Spieler dafür entscheide­n, dann spielen wir diesen Wettbewerb auch zu Ende. Aber ich betone ganz klar, dass es hier nicht nur um die Gesundheit geht, sondern auch um Arbeitsplä­tze.“

Anders sieht man das bisher beim Landesligi­sten SC Ichenhause­n. Sportchef Rudi Schiller erklärt, man wolle weiter so viele Spiele wie möglich machen – in der Liga und im Ligapokal. „Wir haben da keine Ambitionen, aber als Landesligi­st kannst du da nicht einfach absagen“, so Schiller. Auch das Nachholspi­el gegen Olching soll stattfinde­n. Einzige Einschränk­ung: „Wenn uns das Wetter oder die Politik nicht einen Strich durch die Rechnung macht.“Darauf muss man in diesen Zeiten immer gefasst sein.

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Foto: Ernst Mayer Mit Abstand und Maske sind Zuschauer bei Fußballspi­elen im Amateurber­eich nach wie vor zugelassen, so wie hier beim Heimspiel des SC Ichenhause­n. Auf dem Feld sind diese Maßnahmen aber nicht umsetzbar. Daher sagen nun immer mehr Vereine angesichts steigender Infektions­zahlen ihre Spiele ab.
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Michael Miller
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Franz Bohmann

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