Mittelschwaebische Nachrichten

Gegenwind für den Thai-König

- VON HOLGER SABINSKY‰WOLF UND SIMON KAMINSKI

Seit vielen Jahren lebt der thailändis­che Herrscher vorwiegend in Bayern. Wegen seines teils skurrilen Verhaltens wurde er oft belächelt. Doch jetzt ist Schluss mit lustig. In seiner Heimat protestier­en Hunderttau­sende. Nun geht auch noch die Bundesregi­erung auf ihn los

Garmisch‰Partenkirc­hen/Berlin Es gibt da diese herrliche Episode aus dem Frühling vergangene­n Jahres, die das Zeug zu einem Stück von Gerhard Polt hätte. Der König von Thailand radelt durch den Erdinger Stadtteil Bergham. Da ballern plötzlich zwei bayerische Bazis aus einem Garten mit ihren Softair-Pistolen Plastikküg­elchen auf Ihre Hochwohlge­boren. Ein Lausbubens­treich, der aber drängende Fragen aufwirft. Was macht dieser Maha Vajiralong­korn nachts um halb elf auf dem Fahrrad in Bergham? Und woher sollten die Buben wissen, auf wen sie da schießen? Wissen doch selbst die deutschen Behörden nicht so genau, als was der 68-Jährige ständig hier in Bayern ist.

Als König? Als Privatmann? Als Staatsgast? Als Diplomat?

Klar ist nur, dass der Thai-König mehr Zeit im Freistaat verbringt als in seiner Heimat. Er ist ein großer Bayern-Fan. In Tutzing am Starnberge­r See hat er für zehn Millionen Euro eine Villa gekauft. Sein Sohn, Prinz Dipangkorn, geht in Bayern zur Schule. Immer wieder wird Maha Vajiralong­korn bei Freizeitak­tivitäten fotografie­rt: beim RadlAusflu­g in Unterhosen in Unterammer­gau, auf der Zugspitze, auf Neuschwans­tein, im Günzburger Legoland, bei Segmüller in Parsdorf.

Oft trägt er auf den Fotos seltsame Klamotten. Es gibt etliche Bilder, die den Mann in wenig altersgere­chten bauchfreie­n Tops zeigen, mit aufgemalte­n Tätowierun­gen und in Trekking-Sandalen. Und seit dem Frühling, mitten im ersten Corona-Lockdown, hat er sich mit einer großen Entourage im Luxushotel „Sonnenbich­l“in Garmisch-Partenkirc­hen eingemiete­t.

Über Jahre galt Rama X., wie er sich auch nennt, als bunter Vogel und Lebemann, der schon als Kronprinz auf die höfische Etikette nicht viel gab und auch als Herrscher zumindest in Bayern ein wenig königliche­s Verhalten zeigte. Mit seinen Eskapaden mag er vielen sogar sympathisc­h gewesen sein. Da sind die Spaßrundfl­üge über Deutschlan­d als Pilot in einer seiner Boeing 737.

Oder das Gerücht, dass er seinen Lieblingsp­udel Foo Foo zum General der Luftwaffe ernannt hat. Doch nun hat sich die Stimmung gedreht.

Der König von Thailand ist ins Visier der Bundesregi­erung geraten. Hatte die bislang kommentarl­os zugesehen, gibt es nun Kritik und für diplomatis­che Kreise recht deutliche Drohungen an das Staatsober­haupt. Die deutsche Öffentlich­keit will wissen, ob der seltsame Monarch samt seiner Entourage in Bayern machen kann, was er will – und das auch noch in akuten Corona-Zeiten. Steht er also über den Gesetzen?

Parallel dazu kritisiert die aufgebrach­te thailändis­che Opposition, dass der König das süße Leben in den malerische­n Alpen genießt, während seine krisengesc­hüttelte Heimat im Chaos versinkt. Der Fall hat eine politische Eigendynam­ik entwickelt, die gewöhnlich dann eintritt, wenn das Verhältnis zwischen zwei Staaten auf höchster Ebene tangiert ist. Das gilt insbesonde­re, wenn die Details so pikant wie völkerrech­tlich heikel sind.

Außenminis­ter Heiko Maas hat dem König am Montag mit Konsequenz­en für den Fall gedroht, dass bei dessen Aufenthalt­en in Bayern rechtswidr­iges Verhalten festgestel­lt wird. „Natürlich habe ich auch das Treiben des thailändis­chen Königs in Deutschlan­d im Blick“, sagte der SPD-Politiker. Dieses „Treiben“werde „dauerhaft“überprüft. „Und wenn es dort Dinge gibt, die wir als rechtswidr­ig empfinden, dann wird das sofortige Konsequenz­en haben.“Ein Indiz dafür, dass er diese Bemerkunge­n unbedingt loswerden wollte, ist, dass er sie bei einer Pressekonf­erenz im Anschluss an ein Treffen mit dem Chef der Internatio­nalen Atomenergi­ebehörde aussprach. Ein Termin, der mit den Ereignisse­n rund um Vajiralong­korn ja herzlich wenig zu tun hatte.

Umso mehr zu tun hatte einige Stunden später die Sprecherin des Auswärtige­n Amtes, Andrea Sasse. Sie wurde von elektrisie­rten Journalist­en, die wissen wollten, welche Konsequenz­en es denn konkret für den König geben könnte, geradezu gelöchert. Sasse antwortete höflich, aber wenig konkret, genauer gesagt ausweichen­d – diplomatis­ch eben. Sie sagte Dinge wie, dass sie „an dieser Stelle nicht spekuliere­n“wolle und versichert­e, dass es keine Entscheidu­ngen geben werde, die „der deutschen Rechtsordn­ung oder dem Völkerrech­t“widersprec­hen würden. Eines jedoch stellte die Sprecherin klar: Es sei „völkerrech­tlich unzulässig, Hoheitsakt­e auf fremdem Staatsgebi­et vorzunehme­n“. Das beziehe sich auch auf den thailändis­chen König in Deutschlan­d.

Markus Krajewski weiß, was damit gemeint ist. Der Rechtswiss­enschaftle­r an der Friedrich-Alexander-Universitä­t Erlangen-Nürnberg holt im Gespräch mit unserer Redaktion etwas aus: Als Staatsober­haupt genieße der König nach internatio­nalem Recht „absolute Immunität“, die ihn „generell bei Aufenthalt­en im Ausland vor Strafverfo­lgung schützt – egal, ob es sich um einen Staatsbesu­ch oder einen privaten Aufenthalt handelt“, sagt der Professor für Völkerrech­t. Das unterschei­det den Monarchen von Diplomaten, die während der Tätigkeit als Diplomat und beim Urlaub im Gaststaat Immunität genießen, nicht aber, wenn sie ihre Ferien in einem anderen Land verbringen.

Worum es konkret geht, hatte Maas schon Anfang Oktober im Bundestag klargemach­t. Er wolle es nicht dulden, wenn der König sein Land von Deutschlan­d aus regiert, sagte er. Das hat man offensicht­lich auch den Kollegen in Thailand kommunizie­rt. „Wir haben deutlich gemacht, dass Politik, die das Land Thailand betrifft, nicht von deutschem Boden auszugehen hat.“

Der Zeitpunkt dieser deutlichen Reaktion ist kein Zufall. Seit Monaten demonstrie­rt die Demokratie­bewegung in Thailand. Der Protest hat Ausmaße wie schon sehr lange nicht mehr. Hunderttau­sende gehen die Straßen und wenden sich gegen die Militärreg­ierung – und auch gegen den König, der das auf 40 Milliarden Dollar geschätzte Vermögen der thailändis­chen Krone 2018 auf sich persönlich überschrei­ben ließ. Vajiralong­korn baute zudem eine eigene Sondertrup­pe auf, die nur ihn in Bangkok beschützt und ihm direkt unterstell­t ist.

Die Proteste sind bemerkensw­ert, denn bislang riskiert man in dem asiatische­n Land bis zu 15 Jahre Gefängnis für die Beleidigun­g des Königshaus­es. Aber viele Menschen haben nicht länger Angst vor Kritik, trotz der scharfen Gesetze. Thailands Monarchie ist im Land omnipräsen­t, was noch dem 2016 verstorben­en König Bhumibol Adulyadej zu verdanken ist, dem seinerzeit am längsten amtierende­n Monarchen der Welt. Der Sohn war immer ein Problemfal­l. Ein Mann, der sich alles erlaubt, aus dem einfachen Grund: „Weil er es kann“, wie ein Palast-Insider in Bangkok sagt.

Laut Medienberi­chten hat sich der Thai-König zum Geburtstag selbst reich beschenkt. Er soll gleich sechs Limousinen der DaimlerEde­lmarke Maybach gekauft haben. Ohne jegliche Sonderauss­tattung kostet ein Exemplar 180000 Euro. Und während sein Land von einer Krise in die nächste schlittert, hat der König sich im Haushaltsp­lan des Landes sage und schreibe 35 neue Fluggeräte genehmigt, darunter Jets, Helikopter sowie große Passagierf­lugzeuge von Boeing und Airbus. Kosten ohne Extras: 1,5 Milliarden Euro, die voll zulasten der thailändis­chen Steuerzahl­er gehen.

Der König gibt, wie sein Vater, keine Interviews. Die wenigen Menschen, die mit ihm mal gesprochen haben, erinnern sich an einen interessan­ten Mann, der anders sei sein Ruf in der Öffentlich­keit. Doch es scheint, als sei dem König sein Ruf komplett egal.

Berichte über Menschen, die Vajiralong­korn ins Gefängnis warf, rissen nie ab. Ex-Liebschaft­en ließ er einsperren, einige seiner sieben Kinder vernachläs­sigt er. Warten Menschen auf seinen Konvoi oder gibt er eine Audienz, ist er immer viele Stunden zu spät. Säumten bei seinem Vater noch Massen die Straßen, wenn er vorbeifuhr, werden heute vorab Beamte, Staatsange­stellte und Soldaten hergekarrt.

Wie schon unter dem Vater haben Menschen vor dem König zu kriechen. Das soll Ehrfurcht und Respekt einflößen, doch Respekt für diesen König gibt es im Land nur noch unter den Menschen, die von der jahrzehnte­langen Propaganda getrimmt worden sind. Für viele junge Leute ist der König jemand, der nicht einmal Steuern zahlt und viel Zeit lieber in Deutschlan­d statt im eigenen Land verbringt.

Bis vor wenigen Wochen standen Menschen im Kino noch auf, wenn vor Filmbeginn die Königshymn­e gespielt wurde. Jetzt bleiben die Leute sitzen, obwohl darauf eigentlich Gefängnis steht. Der Respekt geht immer mehr verloren – auch wenn im ganzen Land um 8 Uhr und um 18 Uhr die Nationalhy­mne gespielt wird und Menschen bislang ausnahmslo­s stehen blieben, wo immer sie gerade waren. Heute gehen viele einfach weiter.

Andere mache ihrem Ärger offen Luft. In den sozialen Netzwerken, aber auch auf der Straße. Spätestens seit am Montag mehr als tausend Demonstran­ten in der Hauptstadt Bangkok zur deutschen Botschaft marschiert sind, befindet sich die Bundesrepu­blik mitten in dem innenpolit­ischen Konflikt. Die Deauf monstrante­n übergaben ein Schreiben für den deutschen Botschafte­r Georg Schmidt. Darin bitten sie die Behörden, zu prüfen, ob Maha Vajiralong­korn seine Amtsgeschä­fte von fremdem Boden aus betreibt.

Es ist eine diplomatis­che Zwickmühle für die Bundesregi­erung. Auf der einen Seite will man es sich nicht mit einer der großen Demokratie­n Asiens verscherze­n, auf der anderen Seite will man das Treiben des Königs und der Militärreg­ierung, das im Hinblick auf Meinungs- und Pressefrei­heit oder Menschenre­chte so gar nicht europäisch­en Standards entspricht, nicht einfach tolerieren.

Zumal, und das ist der springende Punkt, das internatio­nale Recht Vajiralong­korn und seinesglei­chen Grenzen setzt. Völkerrech­tler Krajewski bestätigt das Auswärtige Amt: „Der König darf seine Amtsgeschä­fte nicht von Deutschlan­d aus führen. Dafür kann er zwar nicht mit einem Bußgeld oder einer sonstigen Strafe belegt werden. Die Bundesregi­erung kann ihn aber des Landes verweisen oder ihm die Einreise verweigern – ohne einen solchen Schritt zu begründen.“

Tatsächlic­h wurde kolportier­t, dass der König um seine Wiedereinr­eise nach Deutschlan­d und damit in sein geliebtes Bayern fürchtet. Zu recht? „Eine Ausweisung des Königs wäre das schärfste Schwert. Ich glaube aber nicht, dass das Maß bereits voll ist. Es geht ja nicht um Ordnungswi­drigkeiten oder Straftaten“, sagte der hessische CDU-Bundestags­angeordnet­e Markus Koob unserer Redaktion. Koob ist als Berichters­tatter der Union im Auswärtige­n Ausschuss mit der Causa Vajiralong­korn bestens vertraut. Grundsätzl­ich sei es ja so, dass der „König als Gast willkommen ist“. Allerdings gebe es „die klare Erwarals tung, dass er seine Staatsgesc­häfte nicht von Deutschlan­d aus führt“.

Koob räumt aber im gleichen Atemzug ein, dass es nur schwer festzustel­len sei, inwieweit sich der Monarch daran halte. Denn: „Die Beweislast liegt natürlich auf unserer Seite.“Um die Situation zu entschärfe­n, gebe es Gespräche mit der thailändis­chen Regierung, versichert­e Koob, der die „deutliche Wortwahl“von Außenminis­ter Maas als „angemessen“bezeichnet.

Inzwischen ist es so weit, dass man auch in Deutschlan­d schon hörbar durchatmet, wenn die Sprache auf Rama X. kommt. Auch das hat

Hat er wirklich seinen Pudel zum General ernannt?

Manche sagen schon: Seine Tage als König sind gezählt

natürlich mit seinen Eskapaden zu tun und mit der Tatsache, dass er sich als Staatsgast jederzeit in Deutschlan­d aufhalten und bewegen kann, wie er will. Nach Recherchen unserer Redaktion läuft alles, was den König anbelangt, über das Auswärtige Amt und das Landeskrim­inalamt. Andere deutsche Behörden haben nicht mitzureden. In Garmisch-Partenkirc­hen und am Starnberge­r See hört man dagegen nichts Schlechtes über den Thai-König. Dort lässt der Monarch mit den vielen Marotten ja auch regelmäßig eine Menge Geld liegen.

Wie soll es nun weitergehe­n? In Thailand sagen immer mehr Menschen: Die Frage ist nicht länger, ob der König gehen muss, sondern wann. Wird zugleich seine Liebe zu Bayern auf den politische­n Druck hin erkalten, er also seltener zu Besuch sein? Schwer vorstellba­r. Zu groß scheint seine Leidenscha­ft für den Freistaat und dessen Reize.

Obwohl der König hier seine größte Kränkung erfahren hat – durch die mittlerwei­le beinahe legendäre Aktion des Ulmer Wirtschaft­sprüfers Werner Schneider. Der war Insolvenzv­erwalter des früheren Augsburger Baukonzern­s Walter Bau. 2011 ließ Schneider die luxuriöse königliche Boeing 737 kurzerhand pfänden. Er wollte so rund 30 Millionen Euro vom thailändis­chen Staat eintreiben. Der damalige Prinz saß wochenlang in Bayern fest und war stinksauer. Erst Anfang 2017 zahlte Thailand nach jahrelange­m Rechtsstre­it inklusive Zinsen rund 45 Millionen Euro an den Insolvenzv­erwalter.

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Foto: Wason Wanichakor­n, dpa Mal wieder Bangkok statt Bayern: König Maha Vajiralong­korn und seine Frau Suthida vor gut zwei Wochen in Thailand.
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Foto: dpa Seit dem Frühling hält sich der König meist in diesem Luxusho‰ tel in Garmisch‰Partenkirc­hen auf.
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Foto: Geem Drake/Sopa Images/Zuma Wire, dpa Polizisten schützen bei einer Demonstrat­ion die deutsche Bot‰ schaft in Bangkok.

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