Mittelschwaebische Nachrichten
Die Angst vor dem Riss
Brüssel setzt auf Biden
Sympathien genießt Donald Trump in Brüssel nun wahrlich nicht. Selbst eingefleischte Transatlantiker unter den Diplomaten und Spitzenbeamten verhehlen nicht ihre Abneigung gegenüber dem Mann, der mit Drohungen und Handelsstreitigkeiten Außenpolitik machte. Dass man sich in Brüssel offiziell dennoch in Schweigen hüllt, hat nur einen Grund: Niemand will riskieren, nach einer überraschenden Wiederwahl an einer drastischen Verschlechterung der Beziehungen schuld zu sein. Keine Frage: Brüssel setzt auf Joe Biden, dem man mehr Offenheit für ein multilaterales Handelssystem, für eine moderne Klimaschutzpolitik und Verständnis für die Partner in Europa unterstellt. Die Gemeinschaft beschäftigt aber noch ein anderes Szenario. Sollte Trump wiedergewählt werden oder bei einem knappen Ausgang den Wahlsieg für sich beanspruchen, könnten einzelne Regierungschefs mit allzu überschwänglichen Glückwünschen einen Riss innerhalb der EU dokumentieren. Die Vorstellung, dass die Premierminister Ungarns, Polens, der Slowakei und Tschechiens es nicht wie alle übrigen bei geschäftsmäßigen Grüßen zu einem Wahlgewinn belassen würden, sondern auch noch bewundernd Trump huldigen, wird in Brüssel regelrecht gefürchtet. Noch weiß niemand, was ein solcher außenpolitischer Zwiespalt an Schäden hinterlassen könnte.