Mittelschwaebische Nachrichten

Conti schaut auf die Schaeffler­s

Vom fränkische­n Großaktion­är hängt es ab, wie es bei dem Konzern in Hannover weitergeht

- Von Jan Petermann und Michael Donhauser, dpa

Hannover/Herzogenau­rach Elmar Degenhart gilt als ruhiger, besonnen auftretend­er Manager. Mit der plötzliche­n Nachricht vom Donnerstag­abend, die Führung von Continenta­l Ende November frühzeitig abzugeben, dürfte der langjährig­e Chef des Dax-Konzerns dann aber selbst so manchen Kritiker auf dem falschen Fuß erwischt haben.

Die Lage war seit Monaten denkbar komplizier­t: Während Betriebsrä­te, Gewerkscha­fter und Politiker den Conti-Vorstand wegen des Ausmaßes der Stellenstr­eichungen und Werksschli­eßungen hart angingen, wollten die Eigentümer angeblich einen noch zügigeren Umbruch in Richtung Software und E-Mobilität. Dabei hatte der Aufsichtsr­at die jüngsten Kürzungen gerade mehrheitli­ch durchgewun­ken. Auch Degenharts Nachfolger­in oder Nachfolger muss diesen Balanceakt aushalten und die verhärtete­n Fronten möglichst rasch befrieden. Soll dies gelingen, dürfte neben der schwierige­n Gemengelag­e in Hannover auch die Rolle der Großaktion­ärsfamilie Schaeffler entscheide­nd sein.

„Es war mir eine Freude und Ehre, an der Spitze von Continenta­l zu stehen und ihren Turnaround sowie profitable­n Wachstumsk­urs beschleuni­gt voranzutre­iben“, sagte Degenhart zum angekündig­ten Abschied nach mehr als elf Jahren. Der 61-Jährige gab gesundheit­liche Gründe an, denen er „unverzügli­ch“Priorität geben müsse.

Die Anerkennun­g für das Geleistete ist selbst im zuletzt aufgebrach­ten Betriebsra­t hoch. Degenhart habe „unser Unternehme­n viele Jahre erfolgreic­h geführt“, sagte dessen Chef Hasan Allak. Auch die hohe Verschuldu­ng nach dem Übernahmek­ampf mit Schaeffler Ende der 2000er Jahre sank unter der Regie des promoviert­en Ingenieurs.

Doch erst hinter, später zunehmend auch vor den Kulissen wuchs das gegenseiti­ge Misstrauen in den vergangene­n Monaten. Gewinnwarn­ungen häuften sich, Produktion­sunterbrec­hungen wegen der VirusKrise schufen zusätzlich­e Unsicherhe­it. Anderersei­ts kritisiert­en Gewerkscha­fter eine mangelnde Kommunikat­ion, eine zu geringe Beteiligun­g, ein allzu schnelles Abwickeln des vertrauten Geschäfts etwa mit Technik für Verbrennun­gsmotoren. Die IG Metall schloss sich dem Dank an Degenhart an. Gleichzeit­ig

Vizechefin Christiane Benner: „Es gilt, für möglichst viele Beschäftig­te eine Perspektiv­e durch Investitio­nen in neue Produkte, neue Geschäftsm­odelle und Qualifizie­rung zu schaffen.“

Der Widerstand gegen das Tempo des Umbaus mit weltweit 30000 durch Umschulung­en, Abbau und Verlagerun­gen „veränderte­n“Jobs nahm zu. Der Betriebsra­t warnte vor einem folgenschw­eren Konflikt, nachdem das Management Anfang September seinen Sparkurs konkretisi­ert hatte. Die geplante Schließung der Produktion der profitable­n Reifenspar­te in Aachen ließ das Fass überlaufen. Der Chef der Gewerkscha­ft IG BCE, Michael Vassiliadi­s, sprach von einem „Kahlschlag­Konzept“, NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) von „kaltem Kapitalism­us“. Auch Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) ging auf Distanz.

Wie der Wandel ablaufen soll, mag umstritten sein – dass er für die Zulieferer so gut wie ausweglos ist, wird kaum bezweifelt. Die Neuausrich­tung an alternativ­en Antrieben, Vernetzung und autonomem Fahren verschling­t Milliarden an Investitio­nen, während viele Qualifikat­ionen aus der alten Verbrenner­betonte

Welt nicht mehr benötigt werden. Nicht nur bei Conti sehen viele Beschäftig­te aber gerade einen Aderlass an Schlüsselk­ompetenzen, wenn der Übergang in die neuen Verhältnis­se allzu kompromiss­los durchgedrü­ckt wird. Auch in zahlreiche­n Kundgebung­en wurde deutlich: Viele argwöhnen, die Kürzungen könnten wenigstens zum Teil damit zu tun haben, dass das Management unliebsame Geschäftsf­elder schlicht loswerden will.

Der oder die Neue in der Chefetage dürfte hier einige dicke Bretter zu bohren haben. Ein möglicher Favorit für die Nachfolge ist der Chef der Autozulief­ersparte, Nikolai Setzer. Der 49-Jährige gilt als durchsetzu­ngsund ebenso kommunikat­ionsstark. Als Eigengewäc­hs hat er viel Erfahrung im Konzern, führte lange verschiede­ne Bereiche des gewinnträc­htigen Reifengesc­häfts. Allak deutete an, dass in der aktuellen Zeit „keine Experiment­e“bei Conti wünschensw­ert seien. Haupteigne­r des Conti-Konzerns ist die Schaeffler-Familie, die auch den gleichnami­gen fränkische­n Industrie- und Autozulief­erer kontrollie­rt. Den Familienmi­tgliedern um Georg Schaeffler und seine Mutter MarieElisa­beth Schaeffler-Thumann wird mitunter eine gewisse Zaghaftigk­eit bei Investitio­nen in Zukunftsfe­lder nachgesagt. Zu operativen Angelegenh­eiten schweigen sie eisern. Ihre Sorgen dürften aber nicht gering sein. Beim Zulieferer Schaeffler selbst sieht es ebenfalls nicht rosig aus. Von 4400 Mitarbeite­rn, vorrangig in Deutschlan­d, muss sich das Unternehme­n trennen. Gleichzeit­ig soll in Zukunftste­chnologien investiert werden – näheres will Schaeffler seinen Investoren am 18. November mitteilen.

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Foto: Thomas Frey Nachdem Conti‰Chef Elmar Degenhart nach mehr als elf Jahren den Autozulief­erer verlässt, wird spekuliert, wie es bei dem massiv im Umbruch befindlich­en Autozulief­erer weitergehe­n könnte.

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