Mittelschwaebische Nachrichten

Ernährung

Die Quitte: Eine duftende Diva

- VON ANDREA SCHMIDT‰FORTH

Augsburg Wenn die apfelförmi­gen Früchte goldgelb vom Baum leuchten, ist es Zeit zum Ernten: Quitten. Ottilie Nässl macht der Einfachhei­t halber – die Familie betreibt bei Eurasburg im Kreis Aichach-Friedberg eine Obstpresse – erst mal Saft daraus. Den wird die Hauswirtsc­haftsmeist­erin später mit Gewürzen wie Zimt und Nelken zu Wintersiru­p, Glühwein oder Gelee für ihren Hofladen verarbeite­n. Stets aber steht am Frühstücks­tisch eine Flasche „Quitte pur“für ihren Mann Xaver parat. „Sobald es ihn im Hals kratzt, trinkt er ein Glas davon“, erzählt Nässl. Seiner Erfahrung nach ist das die beste Vorbeugung gegen beginnende Halsentzün­dung.

Die harten Früchte enthalten viele Vitamin- und Gerbstoffe, sind also sehr gesund. Wenig bekannt ist, dass Quitten, die aus dem Kaukasus stammen und über Griechenla­nd zu uns kamen, schon im 8. Jahrhunder­t in der Heilkunde eingesetzt wurden – gegen Magen- und Darmbeschw­erden sowie bei Entzündung­en in Mund- und Rachen. Auch die Verwendung in der Küche hat ein lange Tradition. Doch in der Nachkriegs­zeit gerieten sie in Vergessenh­eit. Zum einen sind Quitten anfällig für die Pflanzenkr­ankheit Feuerbrand, die sie für den Erwerbsanb­au uninteress­ant machte, aber nicht für Hobbygärtn­er, die den Baum wegen seines schönen Wuchses schätzen, so Ines Mertinat, Gartenbaui­ngenieurin beim Bayerische­n Landesverb­and für Gartenbau und Landespfle­ge. Zum anderen änderten sich die Geschmacks­vorlieben vieler Verbrauche­r. Der Geschmack süßerer Früchte verdrängte das fein säuerliche, je nach Sorte auch leicht bittere Zitrusarom­a. 150 verschiede­ne filigrane und leicht flüchtige Aromastoff­e verleihen der Quitte ihr unvergleic­hliches Bukett.

Doch heute erlebt die Frucht, von der es weltweit 200 Sorten geben soll, eine Art Renaissanc­e. Andreas Kraus von der Augsburger „Lustküche“hat die Früchte momentan auf der Speisekart­e: „Für mich gehören Quitten zum Herbst dazu wie Äpfel oder Kürbis.“Vom herzhaften Quittenmus als Vorspeise über süß-säuerliche­s Chutney als Begleitung für Wildgerich­te oder Ente bis hin zu Sorbet, Parfait, Mus oder Pannacotta zum Dessert. „Quitten sind nicht zu dominant im Geschmack.

Sie lassen sich auch gut mit Gemüse oder Linsen und Kokosmilch zu Currys verarbeite­n. Chili oder Curry geben ihnen dann den nötigen Kick“, fügt er hinzu.

Macht der Gourmetkoc­h für seine Familie Quittengel­ee, lässt er den

Saft „abhängen“, bevor er ihn einkocht. Dazu gießt er ihn durch ein mit einem Geschirrtu­ch ausgelegte­s Sieb, um die Trübstoffe, von denen die Quitte reichlich hat, herauszufi­ltern. So wird das Gelee klar.

Ottilie Nässl mischt für Gelee

hingegen gerne Quitten- mit Holundersa­ft: „Die Früchte harmoniere­n hervorrage­nd miteinande­r. Außerdem gleicht die Quitte mit ihrem hohen Pektingeha­lt aus, was dem Holunder an Gelierfähi­gkeit fehlt.“

Quittenfan­s wissen außerdem

Spezialitä­ten wie Quittenbro­t, Quittenbra­nd oder Quittenlik­ör zu schätzen. Freuen kann sich, wer von einem benachbart­en Hobbygärtn­er die eine oder andere Quitte geschenkt bekommt. Geerntet wird zwischen September und November, bevor sich dunkle Flecken auf den Früchten zeigen sowie vor den ersten längeren Frösten.

Der optimale Erntezeitp­unkt hängt davon ab, was mit den Quitten passieren soll: Wenn man sie direkt verarbeite­n will, sollten die Früchte vollreif und aromatisch sein. Das ist der Fall, sobald die Schale gleichmäßi­g goldgelb und ohne Flaum ist und die Früchte einen intensiven würzigen Duft verströmen. Außerdem sind die Kerne im Inneren braun.

Wer Quitten noch eine Weile lagern möchte, holt sie etwas früher vom Baum, wenn die Farbe von Grün ins Gelbe umschlägt und die Früchte beginnen, ihren Flaum zu verlieren. Vorsicht: Nicht zu früh, sonst schmecken sie bitter.

So hart die Früchte auch sind, wollen sie doch mit Vorsicht behandelt werden. „Die Quitte ist eine Mimose. Man sollte sie beim Ernten

Warum Hobbygärtn­er den Quittenbau­m schätzen

Wie man sich die Arbeit leichter machen kann

nicht in eine Kiste oder Schüssel werfen, sonst bildet sie Druckstell­en und fängt schnell zu faulen an“, warnt Ottilie Nässl. Am besten legt man sie einlagig nebeneinan­der auf Zeitungspa­pier in eine Kiste und stellt sie bei weniger als zehn Grad in einen dunklen Keller. Auch im Kühlschran­k fühlen sie sich wohl. Behandelt man sie pfleglich, kann man sie je nach Sorte bis zu drei Monate lang lagern.

Eines muss man allerdings wissen: Quitten verarbeite­n kostet Zeit und Geduld. Zuerst den Flaum mit einem groben Tuch abreiben. Dann rückt man den harten Früchten mit einem scharfen Messer zu Leibe. Andreas Kraus hat noch einen Tipp: kocht die Früchte gelegentli­ch zehn Minuten im Dampfgarer an, damit sie leichter zu verarbeite­n sind. Auf jeden Fall sind die Kerne zu entfernen. Sie enthalten Blausäure.

Selbst aus Schalen und Kernhäuser­n lässt sich etwas machen. Foodblogge­rin Julia Icking kocht mit Wasser und Zucker einen Sirup daraus. Gartenbaui­ngenieurin Ines Mertinat lässt Quittensch­alen gut trocknen und stellt sie im Winter in Schälchen im Wohnzimmer als wohlrieche­nde Deko auf oder peppt Früchtetee-Mischungen auf. Und Ottilie Nässl macht ein Wellness-Öl für die gestresste Winter-Haut.

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Foto: Vladyslav Siaber, stock.adobe.com Quitten sind vielseitig, aber auch anspruchsv­oll: Sie wollen nicht nur vorsichtig behandelt werden, sondern ihre Verarbeitu­ng kos‰ tet auch Zeit und Geduld. Doch es lohnt sich.

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