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Ernährung
Die Quitte: Eine duftende Diva
Augsburg Wenn die apfelförmigen Früchte goldgelb vom Baum leuchten, ist es Zeit zum Ernten: Quitten. Ottilie Nässl macht der Einfachheit halber – die Familie betreibt bei Eurasburg im Kreis Aichach-Friedberg eine Obstpresse – erst mal Saft daraus. Den wird die Hauswirtschaftsmeisterin später mit Gewürzen wie Zimt und Nelken zu Wintersirup, Glühwein oder Gelee für ihren Hofladen verarbeiten. Stets aber steht am Frühstückstisch eine Flasche „Quitte pur“für ihren Mann Xaver parat. „Sobald es ihn im Hals kratzt, trinkt er ein Glas davon“, erzählt Nässl. Seiner Erfahrung nach ist das die beste Vorbeugung gegen beginnende Halsentzündung.
Die harten Früchte enthalten viele Vitamin- und Gerbstoffe, sind also sehr gesund. Wenig bekannt ist, dass Quitten, die aus dem Kaukasus stammen und über Griechenland zu uns kamen, schon im 8. Jahrhundert in der Heilkunde eingesetzt wurden – gegen Magen- und Darmbeschwerden sowie bei Entzündungen in Mund- und Rachen. Auch die Verwendung in der Küche hat ein lange Tradition. Doch in der Nachkriegszeit gerieten sie in Vergessenheit. Zum einen sind Quitten anfällig für die Pflanzenkrankheit Feuerbrand, die sie für den Erwerbsanbau uninteressant machte, aber nicht für Hobbygärtner, die den Baum wegen seines schönen Wuchses schätzen, so Ines Mertinat, Gartenbauingenieurin beim Bayerischen Landesverband für Gartenbau und Landespflege. Zum anderen änderten sich die Geschmacksvorlieben vieler Verbraucher. Der Geschmack süßerer Früchte verdrängte das fein säuerliche, je nach Sorte auch leicht bittere Zitrusaroma. 150 verschiedene filigrane und leicht flüchtige Aromastoffe verleihen der Quitte ihr unvergleichliches Bukett.
Doch heute erlebt die Frucht, von der es weltweit 200 Sorten geben soll, eine Art Renaissance. Andreas Kraus von der Augsburger „Lustküche“hat die Früchte momentan auf der Speisekarte: „Für mich gehören Quitten zum Herbst dazu wie Äpfel oder Kürbis.“Vom herzhaften Quittenmus als Vorspeise über süß-säuerliches Chutney als Begleitung für Wildgerichte oder Ente bis hin zu Sorbet, Parfait, Mus oder Pannacotta zum Dessert. „Quitten sind nicht zu dominant im Geschmack.
Sie lassen sich auch gut mit Gemüse oder Linsen und Kokosmilch zu Currys verarbeiten. Chili oder Curry geben ihnen dann den nötigen Kick“, fügt er hinzu.
Macht der Gourmetkoch für seine Familie Quittengelee, lässt er den
Saft „abhängen“, bevor er ihn einkocht. Dazu gießt er ihn durch ein mit einem Geschirrtuch ausgelegtes Sieb, um die Trübstoffe, von denen die Quitte reichlich hat, herauszufiltern. So wird das Gelee klar.
Ottilie Nässl mischt für Gelee
hingegen gerne Quitten- mit Holundersaft: „Die Früchte harmonieren hervorragend miteinander. Außerdem gleicht die Quitte mit ihrem hohen Pektingehalt aus, was dem Holunder an Gelierfähigkeit fehlt.“
Quittenfans wissen außerdem
Spezialitäten wie Quittenbrot, Quittenbrand oder Quittenlikör zu schätzen. Freuen kann sich, wer von einem benachbarten Hobbygärtner die eine oder andere Quitte geschenkt bekommt. Geerntet wird zwischen September und November, bevor sich dunkle Flecken auf den Früchten zeigen sowie vor den ersten längeren Frösten.
Der optimale Erntezeitpunkt hängt davon ab, was mit den Quitten passieren soll: Wenn man sie direkt verarbeiten will, sollten die Früchte vollreif und aromatisch sein. Das ist der Fall, sobald die Schale gleichmäßig goldgelb und ohne Flaum ist und die Früchte einen intensiven würzigen Duft verströmen. Außerdem sind die Kerne im Inneren braun.
Wer Quitten noch eine Weile lagern möchte, holt sie etwas früher vom Baum, wenn die Farbe von Grün ins Gelbe umschlägt und die Früchte beginnen, ihren Flaum zu verlieren. Vorsicht: Nicht zu früh, sonst schmecken sie bitter.
So hart die Früchte auch sind, wollen sie doch mit Vorsicht behandelt werden. „Die Quitte ist eine Mimose. Man sollte sie beim Ernten
Warum Hobbygärtner den Quittenbaum schätzen
Wie man sich die Arbeit leichter machen kann
nicht in eine Kiste oder Schüssel werfen, sonst bildet sie Druckstellen und fängt schnell zu faulen an“, warnt Ottilie Nässl. Am besten legt man sie einlagig nebeneinander auf Zeitungspapier in eine Kiste und stellt sie bei weniger als zehn Grad in einen dunklen Keller. Auch im Kühlschrank fühlen sie sich wohl. Behandelt man sie pfleglich, kann man sie je nach Sorte bis zu drei Monate lang lagern.
Eines muss man allerdings wissen: Quitten verarbeiten kostet Zeit und Geduld. Zuerst den Flaum mit einem groben Tuch abreiben. Dann rückt man den harten Früchten mit einem scharfen Messer zu Leibe. Andreas Kraus hat noch einen Tipp: kocht die Früchte gelegentlich zehn Minuten im Dampfgarer an, damit sie leichter zu verarbeiten sind. Auf jeden Fall sind die Kerne zu entfernen. Sie enthalten Blausäure.
Selbst aus Schalen und Kernhäusern lässt sich etwas machen. Foodbloggerin Julia Icking kocht mit Wasser und Zucker einen Sirup daraus. Gartenbauingenieurin Ines Mertinat lässt Quittenschalen gut trocknen und stellt sie im Winter in Schälchen im Wohnzimmer als wohlriechende Deko auf oder peppt Früchtetee-Mischungen auf. Und Ottilie Nässl macht ein Wellness-Öl für die gestresste Winter-Haut.