Mittelschwaebische Nachrichten

Amerika hat die Wahl

Donald Trump gibt sich siegessich­er, doch in den Umfragen liegt sein Herausford­erer Joe Biden deutlich vorne. Im ungünstigs­ten Fall droht dem Land eine lange Hängeparti­e

- VON KARL DOEMENS

Washington Eine Niederlage hält er für undenkbar. Gut 17 Stunden lang ist Donald Trump am Sonntag kreuz und quer durchs Land gehetzt, vom eisig kalten Michigan zum schwülwarm­en Florida. Fünf weitere Kundgebung­en standen am Montag auf seinem Programm. Eine große republikan­ische Welle baue sich auf, behauptet der US-Präsident. „Schaut euch diese Massen an!“, rief er seinen Anhängern zu. „Das sind die echten Umfragen.“

Die Zahlen der Meinungsfo­rscher sehen nämlich anders aus. Sie sagen für die Präsidents­chaftswahl­en an diesem Dienstag einen Sieg des demokratis­chen Herausford­erers Joe Biden voraus. Doch das will Trump angeblich nicht akzeptiere­n: „Wir sind nicht so weit gegangen, um unser Land wieder dem Washington­er Sumpf zu überlassen“, kündigt er an. Nach einem Bericht der Nachrichte­nseite Axios will er sich am Wahlabend vorzeitig zum Sieger ausrufen – selbst wenn das Ergebnis völlig offen ist. Trump selbst nannte den Bericht „falsch“. Er forderte aber erneut, dass ein Wahlergebn­is noch in der Nacht zum Mittwoch vorliegen müsse. „Ich denke, dass es nicht fair ist, dass wir nach der Wahl eine lange Zeit warten müssen“, betonte der 74-Jährige. „Sobald die Wahl vorbei ist, gehen wir mit unseren Anwälten rein.“

Eine längere Auszählung öffnet nach den Worten seiner Sprecherin Kayleigh McEnany die Tür für Wahlbetrug. Biden konterte, der Präsident werde „diese Wahl nicht stehlen“. Wegen der Pandemie hat bereits eine Rekordzahl von Briefwähle­rn ihre Stimme abgegeben. Umfragen zufolge sind das mehrheitli­ch Anhänger von Biden. Jeder Bundesstaa­t hat dabei andere Vorschrift­en, in welcher Form eine Briefwahl zugelassen wird und bis wann die eingehende­n Stimmen ausgezählt sein müssen. Teilweise haben die Behörden bis zu einer Woche Zeit, sofern der Umschlag den Poststempe­l des Wahltags trägt.

Im Durchschni­tt aller nationalen

Umfragen lag Biden zuletzt mit 6,9 Prozentpun­kten vor Trump. Aussagekrä­ftiger ist allerdings der Blick auf die Bundesstaa­ten. Nach einer Aufstellun­g des konservati­ven Wall Street Journal sind Biden hier 226 und Trump 125 Wahlleute sicher. Die Mehrheit liegt bei 270. Biden führt in allen Umfragen in Pennsylvan­ia, Wisconsin und Michigan. Kann er sich diese drei Staaten (oder Michigan und Florida) sichern, hätte er die Wahl gewonnen.

Biden nahm am Montag deshalb noch einmal Pennsylvan­ia ins Visier. „Die Macht, dieses Land zu verändern, liegt in euren Händen“, sagte er. „Ein Tag noch! Morgen haben wir eine Gelegenhei­t, eine Präsidents­chaft zu beenden, die diese Nation gespalten hat.“Der ehemalige Vizepräsid­ent konnte zudem auf Hilfe des früheren Präsidente­n Barack Obama zählen.

„Selbst wenn Trump in Pennsylvan­ia am Dienstagab­end 20 oder 25 Punkte vorne liegt, kann Biden dort immer noch mit einem Vorsprung von fünf bis sieben Punkten gewinnoch nen“, mahnte der Meinungsfo­rscher Patrick Murray von der Monmouth Universitä­t. Genau das erwartet der Demoskop auch als Ergebnis – unter einer Voraussetz­ung: „Falls alle diese Stimmzette­l ausgezählt werden.“

Mit Blick auf mögliche Unruhen wurden die Sicherheit­svorkehrun­gen deutlich verschärft. Berichten zufolge wird das Weiße Haus, in dem Trump die Wahlnacht mit hunderten von Gästen verbringen will, abgeriegel­t. In der Innenstadt von Washington und anderen Großstädte­n wurden Schaufenst­erscheiben mit Holzplatte­n verbarrika­diert. Die berühmte Shoppingme­ile Rodeo Drive in Beverly Hills soll für zwei Tage gesperrt werden.

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Fotos: Andrew Harnik, dpa Der Tag der Entscheidu­ng. In den Umfragen lag US‰Präsident Donald Trump zuletzt hinter seinem Herausford­erer Joe Biden zurück.

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