Mittelschwaebische Nachrichten

Streit um Kölner Missbrauch­sstudie spitzt sich zu

Kirche Das Erzbistum hält sie unter Verschluss und macht einer Münchner Kanzlei schwere Vorwürfe. Die wehrt sich nun

- VON DANIEL WIRSCHING

Köln/München Die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl ist am Montag schweren Vorwürfen entgegenge­treten, die das katholisch­e Erzbistum Köln ihr am Freitag gemacht hatte. Dabei geht es um eine unabhängig­e Missbrauch­sstudie, in der auch Namen von Verantwort­lichen genannt werden sollten – bis in die Bistumsspi­tze hinein.

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki hatte sie bei der Kanzlei in Auftrag gegeben und sogar seinen Verbleib im Amt an das Ergebnis des Gutachtens gebunden. Zwei Tage, bevor es Mitte März auf einer Pressekonf­erenz vorgestell­t werden sollte, wurde diese aber abgesagt. Unter anderem der Hamburger Erzbischof Stefan Heße, einst Personalch­ef im Kölner Generalvik­ariat, war juristisch gegen die Veröffentl­ichung vorgegange­n. Er steht unter Vertuschun­gsverdacht.

Am Freitag erklärten dann Woelki und der Betroffene­nbeirat seines Erzbistums, dass das Gutachten unter Verschluss bleibe und bis zum 18. März 2021 eine „vollständi­ge Neufassung der Untersuchu­ng“von einem Kölner Strafrecht­sexperten erstellt werde. Das Erzbistum hatte zudem eine Art Gegengutac­hten in Auftrag gegeben, das der Studie der Münchner Kanzlei „methodisch­e Mängel“bescheinig­te. Nach Informatio­nen unserer Redaktion hatte der Betroffene­nbeirat keine Einsicht in die Studie. Dennoch sagte dessen Sprecher, die Kanzlei habe schlecht gearbeitet. In einer Presseerkl­ärung des Erzbistums wurde er mit dem Satz zitiert: „Wir haben dem Kardinal geraten, die Zusammenar­beit mit Westpfahl Spilker Wastl sofort zu beenden und Schadenser­satz zu fordern.“Die Antwort der Kanzlei auf die Vorwürfe birgt Sprengkraf­t.

Sie habe „gesichert erfahren“, dass dem Betroffene­nbeirat noch nicht einmal angeboten worden sei, sich durch Lektüre des Gutachtens ein eigenes Bild zu machen, erklärte sie. „Wir wurden daher aus dem Kreis der Betroffene­n gebeten, unser Gutachten zur Verfügung zu stellen.“Das Gegengutac­hten des Erzbistums, so die Kanzlei, leide unter einem „grundlegen­den methodisch­en Fehler“: „Der uns im Dezember 2018 erteilte Auftrag bestand in einer umfassende­n Bewertung des Handelns der Bistumsver­antwortlic­hen. Eine Beschränku­ng auf die bloße Rechtmäßig­keitskontr­olle

war gerade nicht vorgesehen.“Üblich und gefordert ist bei derartigen Gutachten, dass die beauftragt­en Anwälte Einschätzu­ngen vornehmen. Das Gegengutac­hten wertet diese als Voreingeno­mmenheit und stellt auf Vorgänge ab, die mit kirchliche­m und staatliche­m Strafrecht zu bemessen sind.

Zu echter Aufarbeitu­ng trägt das wenig bei – wenn es darum geht, wie in der Kirche sexuelle Gewalt ermöglicht oder befördert wurde. Denn (kirchen-)rechtlich relevant dürfte das oft nicht sein. Warum die Studie nun wohl nicht publik wird, lassen Passagen erahnen, die das Gegengutac­hten zitiert. Darin ist von Verhaltens­weisen wie in „totalitäre­n Herrschaft­ssystemen“die Rede.

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Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kar‰ dinal Woelki.

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