Mittelschwaebische Nachrichten

Der FBI‰Chef als Spielball der Politik

Eine neue Mini-Serie erzählt die Geschichte von James Comey. Barack Obama hat ihn als obersten US-Polizisten eingesetzt, später fiel er erst bei den Demokraten und dann auch bei Donald Trump in Ungnade

- VON MARTIN SCHWICKERT

Nachdem am 8. November 2016 Donald Trump die Präsidents­chaftswahl gewonnen hatte, wurde James Comey für das liberale Amerika zur Persona non grata. Viele warfen dem FBI-Chef vor, die Wahl mit den Ermittlung­en gegen Hillary Clinton beeinfluss­t zu haben. Ein Jahr lang hatte die Bundespoli­zei die sogenannte E-Mail-Affäre untersucht. Als Außenminis­terin hatte Clinton ihren dienstlich­en E-MailVerkeh­r über einen privaten Server abgewickel­t – darunter auch als „top secret“eingestuft­e Informatio­nen. Im Juli 2016 gab Comey in einer Pressekonf­erenz bekannt, dass in den Ermittlung­en zwar fahrlässig­es Handeln, aber keine Rechtsverl­etzungen festgestel­lt werden konnten.

Nur zwei Wochen vor der Wahl nahm Comey den Fall jedoch wieder auf, nachdem ein weiterer privater Computer mit Clinton-E-Mails gefunden wurde. Er informiert­e den Kongress. Innerhalb kürzester Zeit, war die Angelegenh­eit in den Nachrichte­n, was den Wahlkampf in der Zielgerade­n nachhaltig beeinfluss­te, auch wenn das Ermittlung­sergebnis zwei Tage vor dem Urnengang Clinton erneut entlastete. Für viele Demokraten war die Sache klar: James Comey, Mitglied der Republikan­ischen Partei, hatte die Neutralitä­t seines Amtes verletzt und Trump zum Wahlsieg verholfen.

Aber nur ein halbes Jahr später, zeigte sich ein ganz anderes Bild: Am 9. Mai 2017 feuerte Donald Trump höchstpers­önlich den FBIChef, nachdem dessen Ermittlung­en um die Wahlmanipu­lationen Russlands sich auch gegen den amtierende­n Präsidente­n gerichtet hatten. Nun stellt die HBO-Mini-Serie „The Comey Rule“(läuft auf Sky) den obersten Bundespoli­zisten, der sich auf beiden Seiten des polarisier­ten Amerikas gründlich unbeliebt gemacht hat, ins Zentrum seiner vierteilig­en Erzählung.

Die Handlung setzt im Jahr 2013 ein, als Präsident Obama den Republikan­er James Comey (Jeff Daniels) zum Leiter des FBI ernennt. Dies sei ihr erstes und letztes Treffen stellt Obama gleich zu Beginn fest, weil die Unabhängig­keit der Bundespoli­zei für ihn höchste Priorität habe.

Vier Jahre später, als Donald

Trump (Brendan Gleeson) Comey wiederholt ins Weiße Haus zum Dinner einbestell­t, zeigt sich ein ganz anderes Bild. Der neue Machthaber will den obersten Polizisten gezielt vereinnahm­en und fordert unbedingte Loyalität. Er könne ihm „ehrliche Loyalität“bieten, antwortet Comey diplomatis­ch, aber es ist klar, dass ein Mann wie Trump sich nicht damit zufriedeng­ibt.

„So reden Mobster“sagt ein Kollege, als Comey ihm von der Unterredun­g erzählt. Die Vier-AugenGespr­äche zwischen Trump und Comey sind der dramatisch­e Höhepunkt der Serie. Gleeson, der als erster Schauspiel­er Trump im Spielfilmf­ormat verkörpert, hat sein Sujet genau studiert. Diktion, Mundbewegu­ngen und Gestik werden präzise imitiert, ohne die Figur als Karikatur darzustell­en. Die Gefährlich­keit des Machthaber­s liegt im unberechen­baren Narzissmus, der sich an keinerlei Regeln der politische­n Kultur gebunden fühlt.

Trump könne ihn nicht feuern, sagt Comey, das würde ein schlechtes Licht auf ihn werfen. Vollkommen naiv wirkt diese Aussage aus heutiger Sicht, nachdem die Welt vier Jahre lang Zeuge einer Willkürher­rschaft im Weißen Haus geworden ist, zu der eine Rekordzahl an Entlassung­en gehört. Die Fehleinsch­ätzung zeigt aber auch, dass Comey ein Staatsdien­er alter Schule ist, der fest an die Wehrhaftig­keit der amerikanis­che Demokratie und ihrer Institutio­nen glaubt.

Serienschö­pfer Billy Ray, der als Drehbuchau­tor von „Captain Phillips“, „Die Tribute von Panem“und „Der Fall Richard Jewell“in Hollywood eine viel beschäftig­ter Mann ist, zeigt Comey als integre Persönlich­keit, die in die Mühlen der Geschichte gerät und schneller, als er es sich versieht, aus der Zeit gefallen ist.

Zunächst wirkt die Serie, die auf der Bestseller-Autobiogra­fie Comeys beruht, wie eine unkritisch­e Rechtferti­gung, gewinnt aber bald an analytisch­er Tiefe. Der FBI-Chef wird als treuer Familienva­ter und aufmerksam­er Chef dargestell­t, der voll und ganz hinter seinem Amt und den Mitarbeite­rn steht. Auch sein Umgang mit der ClintonE-Mail-Affäre ist dem Glauben an die Unabhängig­keit polizeilic­her Ermittlung­sarbeit von politische­r

Einflussna­hme geschuldet. Gerade vor einer Wahl habe das Volk das Recht auf eine rückhaltlo­se Aufklärung über das mögliche Fehlverhal­ten der Kandidatin, argumentie­rt Comey.

Dabei verkennt er die Mechanisme­n der modernen Mediengese­llschaft, in der Schuldvorw­ürfe sehr viel mehr Klicks bekommen als deren Entlastung­en. Hinter Comeys Haltung zeigt sich ein alter Ehrenkodex genauso wie die Selbstüber­schätzung eines Mannes, der als einziger Aufrechter glaubt, über der politische­n Eigendynam­ik der Ereignisse zu stehen.

Insofern ist James Comey ein tragischer Held, der an der Nahtstelle zwischen Obama- und Trump-Ära seinem moralische­n Kompass folgte, aber auch Opfer eigener Fehleinsch­ätzungen wurde. Comey gerät in den Strudel einer Zeitenwend­e und genau dieses Moment macht die Serie im Wahljahr 2020 so interessan­t. Denn hier wird noch einmal klar vor Augen geführt, wie stark Trump während seiner vierjährig­en Präsidents­chaft den Verfall der politische­n Kultur des Landes vorangetri­eben hat.

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Foto: 2020 Showtime Networks Inc.,Sky Jeff Daniels (links) spielt den FBI‰Chef James Comey, der in dieser Szene Donald Trump (Brendan Gleeson) gegenüber sitzt.

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