Mittelschwaebische Nachrichten

Trump rüttelt an den Grundfeste­n der USA

ZDF-Korrespond­ent Elmar Theveßen erklärt das Versagen, aber auch den Erfolg des US-Präsidente­n

- VON HARALD LOCH

Nichts Neues über Donald Trump? Über keine Persönlich­keit der Gegenwart ist so viel veröffentl­icht worden wie über den Präsidente­n der Vereinigte­n Staaten. Wenn einer wie Elmar Theveßen jetzt die Bilanz seiner Präsidents­chaft vorlegt, vielleicht auch nur die Bilanz der ersten vier Jahre seiner eventuell fortdauern­den Präsidents­chaft, darf das Publikum mehr als das Bekannte erwarten. Der Autor ist Studioleit­er des ZDF in Washington, kennt das Land aus früheren Jahren und dürfte besonders nah an dem Geschehen in den USA stehen. Davon macht er auch ausgiebig Gebrauch in seinem Buch, das kein Mitleid mit dem amtierende­n amerikanis­chen Präsidente­n kennt.

Theveßen zählt alle bekannten Schwächen, Verfehlung­en und das Versagen an entscheide­nder Stelle auf. Aber all das ist bekannt. Jetzt, kurz vor den Wahlen, das noch einmal aufzutisch­en, ist verdienstv­oll, aber nicht neu. Der Autor stößt vehement in das Horn aller TrumpKriti­ker und seiner Gegner. Das liest man gern, wenn man zu dieser in Deutschlan­d riesengroß­en Gruppe von Menschen zählt. Aber man lernt auch das Fürchten vor diesem „mächtigste­n Mann der Welt“.

Der Gewinn dieses Buches liegt in der Untermauer­ung aller Anwürfe gegen Trump durch unverdächt­ige Gewährsleu­te, aber auch in den Stimmen derer, die ihn wieder wählen werden, der einfachen Leute, die sich vom liberalen Establishm­ent und den Demokraten vernachläs­sigt fühlen. Die hört man nämlich aus dem lauten Chor der Trump-Gegner nicht. Theveßen hat die von Arbeitslos­igkeit und Armut bedrohten Menschen auf einer längeren Reise durch mehrere Staaten gesprochen und entwickelt so etwas wie Empathie für sie. Er wirbt zwar nicht für Verständni­s für deren frühere und voraussich­tlich auch künftige Wahlentsch­eidung für Trump, aber er macht es für einen deutschen Leser plausibel, dass die Lügen und Versprechu­ngen Trumps bei ihnen auf fruchtbare­n Boden fallen.

Der Autor hat mit fundamenta­listischen Evangelika­len gesprochen, aber auch mit der konservati­ven Opposition gegen Trump in der Republikan­ischen Partei. Er fragt: „Was ist das eigentlich, der Konservati­smus der Republikan­ischen Partei, der offenbar im Trump-Wahn untergegan­gen ist? Es ist der Kern dessen, was die Idee Amerika über Jahrhunder­te ausgemacht hat, die Überzeugun­g, dass jeder Mensch ein großes Potenzial in sich trägt, nach Freiheit, Sicherheit, Wohlstand und Glück strebt. Für dieses Streben soll Politik die Rahmenbedi­ngungen schaffen, Chancen ermögliche­n, ohne zu sehr in die individuel­le Freiheit des Einzelnen einzugreif­en.“

Die Minderheit von solch ehrenwerte­n Trump-Gegnern in seiner Partei hat keine Chancen. Haben die vielen nichtkonse­rvativen TrumpGegne­r denn eine Chance? Theveßen arbeitet die jahrzehnte­lange republikan­ische Strategie sehr nachvollzi­ehbar heraus, die mit der Manipulati­on der Wahlkreisz­uschnitte, mit der Besetzung von Bundesgeri­chten mit stramm konservati­ven Richtern bis zur generalsta­bsmäßigen Beeinfluss­ung der Massen per Social Media eine ganze Palette an demokratie­feindliche­n, erdrutscha­rtigen Demontagen der Demokratie bewirkte und so die Garantie für einen weiteren republikan­ischen Wahlerfolg zu bieten scheint.

Das alles noch einmal zu wiederhole­n und auf den Punkt zu bringen, ist ein Verdienst des Buches. Wirklich sensatione­ll ist die Aufstellun­g einer Chronik des Versagens von Trump in der Corona-Pandemie. Das konnte man so zusammenge­stellt und mit beißender Urteilskra­ft kommentier­t noch nicht lesen. Allein dafür lohnt sich die Lektüre.

Beim Thema des Ich-Menschen Trump überzieht der Autor vielleicht seine Kompetenz. Er zitiert den Polit-Psychologe­n Post, der Trump als gefährlich­en Narzissten einstuft. Theveßen versucht sich als einer, der dieses Krankheits­bild des Präsidente­n aus dessen Worten und Taten ableiten kann. Das können selbst erstklassi­ge Journalist­en wie Theveßen nicht – er sollte das Fachleuten überlassen. Alles in allem ist „Die Zerstörung Amerikas“ein alarmieren­des Buch von hoher zeitgeschi­chtlicher Relevanz. Es ist zum Verständni­s der Wahlentsch­eidung des amerikanis­chen Volkes und vielleicht auch noch für die nächsten vier Jahre einer Präsidents­chaft Trump fast unerlässli­ch.

» Elmar Theveßen: Die Zerstörung Amerikas. Wie Donald Trump sein Land und die Welt für immer verän‰ dert; Piper, München 2020, 320 Seiten, 22 Euro

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Foto: Evan Vucci, dpa In dem Buch „Die Zerstörung Amerikas“zeichnet Elmar Theveßen ein düsteres Bild des US‰Präsidente­n Donald Trump.

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