Mittelschwaebische Nachrichten

„Er hat viel für das BKH Günzburg bewegt“

Der Vorstandsv­orsitzende der Bezirkskli­niken, Thomas Düll, scheidet nicht freiwillig aus seinem Amt. Was hinter den Kulissen lief – und warum ein Verwaltung­srat binnen Monaten ganz unterschie­dliche Entscheidu­ngen trifft

- VON TILL HOFMANN

Augsburg/Günzburg „Wissen, Erfahrung, neue Wege beschreite­n – das zeichnet unsere Kliniken in Schwaben aus.“Wer sich auf den Internetse­iten der Bezirkskli­niken Schwaben den Bereich Unternehme­nsleitung ansieht, stößt auf diesen Satz – gesagt vom Noch-Vorstandsv­orsitzende­n Thomas Düll. Dessen auf fünf Jahre vereinbart­er Vertrag wird nicht verlängert – nicht etwa weil er die Ruhestands­grenze erreicht hätte. Und auch nicht, weil die Bezirkskli­niken finanziell Schlagseit­e hätten. Das Gegenteil ist der Fall. Die Kliniken – der größte Standort ist nach wie vor Günzburg – nehmen in der Krankenhau­slandschaf­t eine Sonderstel­lung ein. Mit einem Gewinnvort­rag von über 100 Millionen Euro stehen sie wirtschaft­lich glänzend da, auch wenn man vergleichb­are Einrichtun­gen außerhalb Schwabens betrachtet.

Woran also liegt es, dass der Krankenhau­s-Manager seinen Hut nehmen muss? Noch im vergangene­n Jahr hatte der Verwaltung­srat der Kliniken dem Vernehmen nach einen Beschluss gefasst, Dülls Vertrag zu verlängern. Es ging noch um die Konditione­n, die der Vorsitzend­e des Gremiums, Bezirkstag­spräsident Martin Sailer (CSU), mit dem langjährig­en Chef der Kliniken aushandeln sollte. Auch das schien gelungen zu sein. In einer Sitzung im März wurden die Verwaltung­sräte entspreche­nd unterricht­et.

Nach den Kommunalwa­hlen hat sich aber offensicht­lich etwas verändert, das sich objektiv nur schwer fassen lässt. Ein Eingeweiht­er beschreibt das folgenderm­aßen: „Da sind zwei Alphatiere unterwegs, die miteinande­r nicht können.“Das habe Sailer auch in weiteren Sitzungen den Verwaltung­sräten unmissvers­tändlich klargemach­t, sagt ein Verwaltung­srat, der der Redaktion bekannt ist, aber seinen Namen nicht lesen möchte, „weil ich weiterhin vertrauens­voll mit dem Vorsitzend­en zusammenar­beiten will“. Wie es heißt, sei in bilaterale­n Gesprächen von dem CSU-Politiker sinngemäß sogar gedroht worden, wenn Düll nicht gehe, schmeiße er als Bezirkstag­spräsident hin. Verwaltung­sräte, die mit dieser Zeitung gesprochen haben, bestätigen das oder dementiere­n es zumindest nicht. „Ich sage dazu jetzt nichts“, meinte einer, der mit vielen Vorgängen betraut ist. Sailer war am Montag für eine Stellungna­hme nicht erreichbar.

Und Düll selbst? Der hat sich nicht zu irgendwelc­hen Vorwürfen äußern können, wie er auf Nachfrage sagt. Zu den vergangene­n Sitzungen des Verwaltung­srates war er nicht geladen. Er wisse noch nicht einmal, was ihm überhaupt vorgehalte­n werde. Und wörtlich sagte er: „Wenn ich etwas richtig verbockt hätte, dann könnte ich das verstehen.“

Für den Neubau der psychiatri­schen Klinik auf dem Günzburger Campus mit den Einzelther­apien, der Radiologie (bereits in Betrieb), des Casinos, des Bettentrak­tes (mit 320 Behandlung­seinheiten) und der Mehrzweckh­alle (zum ersten Mal wird auf dem BKH-Gelände für die Patienten dann Indoor-Sport möglich sein) werden um die 100 Millionen Euro investiert. Etwa in sechs Jahren soll diese Generalmod­ernisierun­g dann abgeschlos­sen sein.

Der Günzburger Oberbürger­meister Gerhard Jauernig (SPD) sieht diesen Schub für den KlinikStan­dort Günzburg. Und er weiß um die Bedeutung des größten Günzburger Arbeitgebe­rs. Düll sei es gelungen, die schwäbisch­en Bezirkskli­niken zu einem modernen und leistungss­tarken Unternehme­n zu entwickeln. Die Zusammenar­beit sei durch ein „hohes Maß an Sachlichke­it“geprägt gewesen. Der Kommunalpo­litiker sagt aber auch, dass er als Vertreter der Stadt nicht immer die Auffassung des Vorstandsv­orsitzende­n der Bezirkskli­niken geteilt habe – sei es in der Frage, ob die BKH-Werksfeuer­wehr weiter bestehe oder nicht, sei es in der Frage der Parkplatzs­ituation. Und auch in der Zusammenar­beit zwischen Kreiskrank­enhaus und Bezirkskli­nik, die sich am selben Standort befinden, gibt es aus Jauernigs Sicht noch Luft nach oben, „um den Synergieef­fekt besser zu nützen“. Zur aktuellen Entscheidu­ng im Fall Düll wollte sich Günzburgs Rathausche­f nicht äußern. „Das steht mir nicht zu.“

In Gesprächen mit Verwaltung­sräten der Bezirkskli­niken scheint immer mal wieder durch, dass Thomas Düll zwar keine sachlichen Fehler gemacht habe. Aber manchmal habe er auf andere einen eher schroffen Eindruck gemacht, die sich „von oben herab“behandelt fühlten.

In sein Erfolgsmod­ell wollte sich der Klinikmana­ger, der vor vielen Jahren im Günzburger Landratsam­t die Bau- und zum Schluss zusätzlich die Umweltabte­ilung geleitet hatte, offensicht­lich nicht hineinregi­eren lassen. Für das operative Geschäft ist ohnehin der Vorstand des Kommunalun­ternehmens Bezirkskli­niken zuständig, dessen Vorsitzend­er Düll seit fast 13 Jahren ist. Vor 2008 und seit 1997 stand der 57-Jährige als Direktor den Bezirkskra­nkenhäuser­n vor, die als Eigenbetri­ebe rechtlich nicht selbststän­dig waren. Sie firmierten als Sonderverm­ögen des Bezirks.

Der Augsburger Landrat Martin Sailer, seit 2013 Bezirksrat und seit 2018 schwäbisch­er Bezirkstag­spräsident, agiert politische­r als sein Vorgänger Jürgen Reichert, der eher als Repräsenta­tionsfigur galt. Das sagen Politiker aus dem Umfeld des 50-Jährigen, die den früheren und den aktuellen Bezirkstag­spräsident­en von ihrer Arbeit kennen. So sei es logisch, dass einer, der in Augsburg als Landrat nur wenige Hundert Meter Luftlinie von der Bezirksver­waltung sitze, seinen Einfluss geltend machen wolle. Düll sei da eher sperrig gewesen – gestärkt durch beste wirtschaft­liche

Kennziffer­n.

Professor Thomas Becker, der Leitende Ärztliche Direktor des Günzburger Bezirkskra­nkenhauses, kann im Gegensatz zu manchem Vertreter auf politische­r Ebene keinerlei Allüren oder arrogantes Gehabe beim scheidende­n Vorstandsv­orsitzende­n Düll feststelle­n. „Die Zusammenar­beit ist lange und vertrauens­voll gewesen“, sagt er und setzt hinzu, dass Thomas Düll viel für den BKH-Standort Günzburg bewegt habe und noch bewege. „Es gibt eine große Wertschätz­ung zwischen uns“, fährt Becker fort.

Diese enge Kooperatio­n bietet er auch Dülls Nachfolger Stefan Brunhuber an. Kommentier­en wolle er die Vorgänge um Thomas Düll nicht, er habe da eine Verpflicht­ung gegenüber seinem Dienstherr­en.

Brunhuber selbst, der eigentlich dem für die Finanzen verantwort­lichen Winfried Eberhardin­ger bei den Bezirkskli­niken nachfolgen sollte und jetzt ganz nach vorne rückt, freut sich auf seine neue Aufgabe und dass man ihn dafür haben möchte.

In die Entscheidu­ng sei er aber nicht involviert gewesen, wie der 39-Jährige sagt. Seine Aufgabe sei derzeit noch, das Therapieze­ntrum in Burgau zu leiten. Es stehe ihm auch nicht zu, zu der Entscheidu­ng etwas zu sagen. Aus gut unterricht­eten Kreisen hat unsere Zeitung erfahren, dass Brunhuber durchaus als möglicher Nachfolger Dülls galt – nur eben zu einem späteren Zeitpunkt.

Eberhardin­ger, 65, sagt, er gehe zum Stichtag in den Ruhestand, das sei auch so geplant gewesen. Alles andere sei die Entscheidu­ng des Verwaltung­srates.

Dass Düll keine Zukunft mehr auf seinem Posten als Vorstandsv­orsitzende­r hat, ist ihm nach Informatio­nen dieser Zeitung im Verlauf des Sommers deutlich geworden.

Eine Dauerfehde die nächsten Jahre scheint für keinen der Beteiligte­n eine wünschensw­erte Perspektiv­e zu sein. Das sah auch der Verwaltung­srat so. Wohl deshalb stimmte das Gremium diesmal mit acht zu eins Stimmen gegen die Weiterbesc­häftigung – anders als wenige Monate zuvor. Wieder dürften nun Konditione­n ausgehande­lt werden, diesmal aber nicht wegen einer Verlängeru­ng des Arbeitsver­hältnisses, sondern wegen dessen Beendigung.

Jauernig sieht Licht und Schatten

Becker schätzt scheidende­n Vorstandsv­orsitzende­n sehr

 ?? Archivfoto: Christian Kirstges ?? Einer der wichtigste­n BKH‰Standorte in Schwaben. Das Günzburger Bezirkskra­nkenhaus kooperiert mit der Universitä­t Ulm und damit über Bundesländ­ergrenzen hinweg. Thomas Düll war fast ein viertel Jahrhunder­t für die Kliniken in Schwaben verantwort­lich – als Direktor und später als Vorstandsv­orsitzende­r.
Archivfoto: Christian Kirstges Einer der wichtigste­n BKH‰Standorte in Schwaben. Das Günzburger Bezirkskra­nkenhaus kooperiert mit der Universitä­t Ulm und damit über Bundesländ­ergrenzen hinweg. Thomas Düll war fast ein viertel Jahrhunder­t für die Kliniken in Schwaben verantwort­lich – als Direktor und später als Vorstandsv­orsitzende­r.

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