Mittelschwaebische Nachrichten
„Der Trail soll nächstes Jahr errichtet werden“
Hans-Werner Schade ist der stellvertretende Vorsitzende des DAV in Günzburg. Er spricht über die geplante Mountainbike-Strecke im Deffinger Wald, wie er mit den Bedenken der Kritiker umgeht und was ihn betroffen macht
Herr Schade, der DAV möchte in Günzburg einen Mountainbike-Trail errichten, doch der Widerstand in der Bevölkerung ist groß. Etwa 350 Anwohner haben gegen das Projekt in einer Unterschriftenliste unterschrieben. Warum wollen Sie eine solche Strecke unbedingt im Deffinger Stadtwald errichten?
HansWerner Schade: Es gab natürlich auch andere Überlegungen. Die Frage war: Wo ist ein vorhandenes Radwegenetz und wo wird den Sportlern etwas Attraktion geboten? Von der Topografie her ist der Wald in Deffingen gut geeignet. Es ist ein tertiäres Hügelland mit vielen Steigungen. Und es gibt es nur einen Besitzer – das ist die Stadt Günzburg. Wir greifen in die Natur ein, aber unter allen Naturschutzaspekten findet dort der kleinste Eingriff statt, der aus unserer Sicht noch vertretbar ist. Wenn wir also alle Vorund Nachteile abwägen, ist ein Trail dort gut geeignet.
Was meinen Sie damit ganz konkret? Schade: Der Deffinger Wald wird bereits durch die Autobahn gestört, außerdem sind ein Industriegelände und Legoland dort. Die Umgehungsstraße für die B 16 wird in der Nähe errichtet und dann kommt noch eventuell die Bahntrasse. Die Deffinger mögen mir das verzeihen, aber dass es sich hier um einen hochsensiblen Wald handelt ist nicht ganz korrekt. Alle anderen Waldgebiete in Günzburg sind dagegen sehr wohl sensibel – man betrachte zum Beispiel nur das Birket oder den Donauauwald mit seinen Feuchtgebieten.
Kritiker des Trails bringen eine Reihe von Argumenten: Sie sprechen beispielsweise von mehr Verkehr, einer Verdrängung des Wilds, einem Eingriff in die Natur. Sind diese Bedenken aus Ihrer Sicht denn nicht gerechtfertigt?
Schade: Information ist das Wichtigste und ich denke, dass viele Menschen bisher nicht richtig über das Projekt informiert sind. Es wird keiner der Mountainbiker mit dem Rad durch Deffingen fahren, es gibt ein Radwegenetz. Die Menschen fahren fast alle von daheim mit dem Rad los, das braucht man schon alleine, um sich aufzuwärmen. Außerdem gibt es nahe des Trails einen Park-and-Ride-Parkplatz. Wir können es zwar nicht ausschließen, dass nicht doch vereinzelt Menschen wo anders parken, aber das wird die Ausnahme bleiben. Die Situation mit den Jägern ist natürlich ein Konflikt. Der Deffinger Wald ist vielleicht ein Rückzugsgebiet für Wild, aber der Revierförster in Bad Waldsee – dort gibt es ebenfalls einen Mountainbike-Trail – hat gute Erfahrung gemacht und wörtlich gesagt: „Das Wild ist nicht doof.“Es erkennt genau von wem Gefahr ausgeht. Bei Radfahrern wird es kurz aufgeschreckt, duckt sich weg und kommt dann wieder. Man muss abwägen, was einem lieber ist: Wollen wir etwas für Kinder und Jugendliche tun, damit sie in der Natur sind, oder sollen sie zu Hause vor dem Computer sitzen.
Aber in die Natur wird trotzdem eingegriffen. Wie soll die Strecke einmal aussehen?
Schade: Dass es ein Eingriff in die Natur wird, ist uns bewusst. Aber wir bauen keine künstlichen Sprungschanzen, sondern werden möglichst naturnah arbeiten. Es wird gewisse Modellierungen in den Kurven geben, aber mit Lehm oder eventuell mit Steinen. Wenn schon ein Hügel da ist, werden wir diesen vielleicht auch mit Erde etwas erweitern, damit auch mal ein Sprung möglich ist. Aber der Wald soll in seiner bisherigen Form erhalten bleiben auch weiter von Spaziergängern genutzt werden. Die Regeln für den Trail werden über Hinweisschilder und über unsere Gruppe kommuniziert. Es gibt ganz viele Beispiele, wo der DAV eine solche Strecke angelegt hat und da funktioniert es auch. Warum also nicht auch in Günzburg?
Das wird die kritischen Bürger aber vielleicht nicht überzeugen. Außerdem haben auch zehn der 30 Stadträte sich sehr skeptisch gegenüber dem Mountainbike-Trail geäußert.
Schade: Wir werden den Deffinger Bürgern nicht nur die Hand reichen, sondern sie bei dem Projekt mitnehmen. Uns sind deren Argumente wichtig und wir wollen mit ihnen gemeinsam Lösungen finden. Ich freue mich über jeden kritischen und konstruktiven Einwand. Die Art und Weise der Diskussion im Stadtrat hat mich überrascht, bedrückt und wirklich arg betroffen. Es wurde sehr unversöhnlich diskutiert; und das quer durch die Fraktionen. Normalerweise geht man aufeinander zu und versucht einen Konsens zu schaffen. Auch mit diesen Stadträten wollen wir das Gespräch suchen, denn wir wollen keinen Ärger, sondern so viele wie möglich mit ins Boot holen. Dass neben vielen anderen Stadträten auch die Grünen-Stadträte, die solchen Vorhaben normalerweise sehr kritisch gegenüberstehen, zugestimmt haben, hat uns gefreut und zugleich gezeigt, dass wir mit dem Vorschlag eines Mountainbike-Trails nicht so falsch liegen. Das Projekt wurde sehr kontrovers diskutiert, aber am Ende mit deutlicher Mehrheit genehmigt. Die Freude bei uns war da, aber es war kein Triumph.
Wie sehen die weiteren Schritte aus? Wann kann auf dem Trail gefahren werden?
Schade: In diesem Jahr wird nichts Offensichtliches mehr passieren. Wir werden uns dieses Jahr genauere Gedanken mit der Planung machen und Kontakt mit entsprechenden Fachleuten aufnehmen. Es wird auch eine Begehung mit der Stadtverwaltung geben, auf was wir achten müssen, was zu berücksichtigen ist und wie der genaue Streckenverlauf sein wird. Der Trail soll nächstes Jahr im Frühjahr bis Sommer errichtet werden, dann kann es losgehen. Er wird etwa sechs bis sieben Monate im Jahr – vom späten Frühling bis zum Herbst tagsüber – nutzbar sein.
Und wie viel kostet das Vorhaben? Schade: Finanziell ist das noch nicht absehbar. Aber die Investition ist es uns für unsere Mitglieder wert. Dafür zahlen sie Mitgliedsbeiträge und erhalten ein entsprechendes Angebot. Es ist nichts, wo wir etwas verdienen wollen, sondern der Wunsch, dass dies viele Leute annehmen und den Sport betreiben.
Was erhoffen Sie sich von dieser Mountainbike-Strecke im Deffinger Stadtwald?
Schade: Der DAV hat in Günzburg verschiedene Gruppierungen unter anderem auch eine MountainbikeGruppe mit 120 aktiven Mitgliedern. Viele Kinder und Jugendliche suchen schon lange einen befahrbaren Trail, denn Mountainbike fährt man nicht auf asphaltierten Wegen. Man meidet Schotterwege und möchte einen naturnahen Trail – das war das Ziel. Mountainbiken ist eine Sportart mit zunehmender Beliebtheit. Es sind bereits wilde Trails im Donauauwald und Birket entstanden. Wir wollen diese abschaffen und auf einen legalisierten Trail kanalisieren. Es handelt sich um eine Konfliktlösung unter Zuhilfenahme des Deffinger Waldes.
Interview: Michael Lindner