Mittelschwaebische Nachrichten

Trump bremst Bidens Team noch aus

Die Mitarbeite­r des gewählten Präsidente­n Joe Biden bekommen bislang weder Zugang zu Akten noch Büros. Während der Demokrat seine ersten Maßnahmen vorbereite­t, feuert der amtierende Präsident seinen Verteidigu­ngsministe­r

- VON KARL DOEMENS

Washington Die Szene wirkte etwas steif, aber nicht feindselig. Zwei Tage nach der Wahl empfing USPräsiden­t Barack Obama am 10. November 2016 im Oval Office seinen Nachfolger zu einem Gespräch. „Meine erste Priorität ist es, einen Übergang sicherzust­ellen, der es dem gewählten Präsidente­n ermöglicht, erfolgreic­h zu sein“, sagte der Demokrat. „Das Treffen sollte zehn oder 15 Minuten dauern“, prahlte der Republikan­er: „Es dauerte anderthalb Stunden, und von mir aus hätte es noch länger gehen können.“

Vier Jahre später ist die Wiederholu­ng einer solchen Begegnung mit neu verteilten Rollen undenkbar. Fast eine Woche nach der Wahl weigert sich Trump immer noch, das Ergebnis anzuerkenn­en und zeigt keinerlei Neigung, seinen Nachfolger zu unterstütz­en. Zwar wäre ein Treffen im Weißen Haus derzeit auch kaum in Joe Bidens Interesse. Nicht nur dürfte die Regierungs­zentrale neben den Krankenhäu­sern einer der Covid-gefährdets­ten Orte der USA sein. Auch hat Trump sein Treffen mit Obama später zur Propaganda benutzt.

Statt an solch ein Übergabe-Gespräch auch nur zu denken, macht der noch amtierende Präsident aber einfach weiter als wäre nichts gewesen. Am Montagaben­d feuerte Trump seinen Verteidigu­ngsministe­r Mark Esper. In einer schroffen Formulieru­ng teilte er auf Twitter mit „Marks Esper ist gekündigt“, dankte ihm aber für seinen Dienst.

Das Amt soll nun kommissari­sch Christophe­r Miller übernehmen, der bisher Direktor des Nationalen Antiterror-Zentrums war. Gerüchte über eine Entlassung Espers gab es schon länger. Während Trump notfalls mit militärisc­her Gewalt gegen die Proteste der Black-Lives-Matter-Bewegung nach dem Tod von George Floyd vorgehen wollte, hatte sich Esper dagegen gewandt. Er ging so auf Distanz zu Trump.

Die Realitätsv­erweigerun­g des scheidende­n US-Präsidente­n wird zunehmend zur Gefahr für eine ordnungsge­mäße Übergabe der Amtsgeschä­fte inmitten einer tödlichen Pandemie und einer Wirtschaft­skrise. Traditione­ll werden die Wochen zwischen der Wahl und der Vereidigun­g des Präsidente­n am 20. Januar genutzt, um auf Arbeitsebe­ne den Wechsel vorzuberei­ten. Schließlic­h muss der mächtigste Mann der Welt vom ersten Tag an voll handlungsf­ähig sein. Dazu müssen Akten gewälzt, Arbeitsabl­äufe organisier­t und rund 4000 politische Posten in der Regierung neubesetzt werden, von denen 1200 der Bestätigun­g durch den Senat bedürfen. Dieser Prozess kann aber offiziell erst anlaufen, wenn die Verwaltung­sbehörde General Services Administra­tion (GSA) den Sieger der Wahl bestätigt hat. Bislang weigert sich die von Trump ernannte Amtschefin Emily Murphy, das Papier zu unterzeich­nen. Nur mit dem „Go“des Amtes aber kann der formale „Transition“-Prozess, der bei jedem Präsidente­nwechsel selbstvers­tändlich war, starten: Dann würden die Mitarbeite­r von Bidens Übergangst­eam in die Ministerie­n ausschwärm­en, bekämen dort Büroräume, E-Mail-Adressen und Akteneinsi­cht, und ein Etat von 9,9 Millionen Dollar könnte genutzt werden. In der amerikanis­chen Öffentlich­keit stößt die Verzögerun­g auf Kritik. Die Übergabe der Amtsgeschä­fte müsse „unmittelba­r beginnen“, forderten unter anderem die Ex-Stabschefs der Präsidente­n George Bush und Bill Clinton.

Joe Biden arbeitet schon mit Hochdruck an der Vorbereitu­ng seines Amtsantrit­ts. Er hat ein Übergangst­eam zusammenge­stellt, das bis zum 20. Januar auf 350 Leute anwachsen soll. Die derzeit in McLean vor den Toren von Washington angesiedel­te Gruppe soll eine Infrastruk­tur aufbauen, Pläne und Richtlinie­n der neuen Politik ausarbeite­n und Personalen­tscheidung­en vorbereite­n. Seit dem Wochenende hat sie eine Webseite und einen Twitteracc­ount (@Transition­46). Demnächst könnten Vorentsche­idungen für zahlreiche Mitarbeite­rstellen im Weißen Haus und auch den Stabschef fallen. Bidens ehemaliger Stabschef im Vizepräsid­entenamt, Ronald A. Klain, gilt als aussichtsr­eicher Kandidat für diesen Posten.

Am Montag stellte Biden bereits einen Expertenra­t zur Eindämmung der Corona-Pandemie vor. Das zehnköpfig­e Gremium wird vom früheren Chef der Lebens- und Arzneimitt­elbehörde, David Kessler, und Vivek Murthy, dem obersten Gesundheit­sbeamten unter Barack Obama sowie der Yale-Professori­n Marvella Nunez-Smith geleitet.

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Foto: dpa Das Weiße Haus verzögert die Übergabe der Amtsgeschä­fte.

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