Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn Metaller maßhalten müssen

Die Arbeitgebe­r der Metall- und Elektrobra­nche machen Druck für eine Nullrunde und lehnen eine Vier-Tage-Woche mit teilweisem Lohnausgle­ich ab. Damit will sich IG-Metall-Chef Hofmann nicht begnügen

- VON STEFAN STAHL

Frankfurt am Main Manch IG-Metall-Spitzenver­treter mag neidvoll nach München blicken. Denn zumindest dort beim Siemens-Konzern scheint die Welt der Metallund Elektroind­ustrie noch in Ordnung zu sein. Unternehme­ns-Chef Joe Kaeser, mit dem Gewerkscha­fter einst manchen Konflikt um Personalei­nschnitte ausgetrage­n haben, bietet aus Arbeitnehm­ersicht derzeit wenig Grund zur Beanstandu­ng. Im Gegenteil: Kaeser tut Gutes und das geht ins Geld, bekommen doch rund 235000 Siemens-Beschäftig­te eine Corona-Sonderpräm­ie. Corona und Prämie – wie passt das zusammen?

Oft geht die Pandemie mit Einkommens­einbußen und wackelnden Arbeitsplä­tzen einher. Kaeser verfährt aber nach dem Prinzip „Wertschätz­ung“: Siemens will rund 200 Millionen Euro extra an Beschäftig­te unterhalb des Senior Management­s auszahlen. In Deutschlan­d sollen Mitarbeite­r jeweils bis zu 1000 Euro erhalten. Der SiemensChe­f begründet die Großzügigk­eit „mit Höchstleis­tungen in der Krise“, die Beschäftig­te erbracht hätten. Der aufrichtig­e Dank gelte allen, „die unermüdlic­h die Extrameile gehen und Siemens mit in der Erfolgsspu­r halten“. Am Ende einer Karriere als Siemens-Chef wird der Bayer zum Gewerkscha­ftsfreund. Den Titel werden zwei andere Unternehme­r derzeit nicht erringen.

Denn der Noch-Chef des Arbeitgebe­rverbandes Gesamtmeta­ll, Rainer Dulger, und dessen designiert­er Nachfolger, Stefan Wolf, planen für die Mitte Dezember startenden Lohnverhan­dlungen in der Metallindu­strie das Gegenteil von CoronaPräm­ien. Dulger stimmt die gut 3,8 Millionen Beschäftig­ten der Branche, in der Autoindust­rie und Maschinenb­au den Ton angeben, auf eine Lohn-Diät ein: „Derzeit steht alles im Minus. Es gibt nichts zu verteilen.“2018 war das noch anders: In der Metallindu­strie wurden die Löhne um satte 4,3 Prozent erhöht. Im März dieses Jahres, als erneut Tarifverha­ndlungen anstanden, haben die Kontrahent­en die Lohnfrage wegen der Corona-Krise vertagt. Doch Ende des Jahres laufen die Tarifvertr­äge in der Branche aus. Am 1. März 2021 endet die Friedenspf­licht. Dann sind Warnstreik­s wie zuletzt im Öffentlich­en Dienst möglich. Der Vorstand der IG Metall hat am Montag schon einmal eine Empfehlung abgegeben.

Gewerkscha­ftschef Jörg Hofmann machte deutlich, dass die Tarifrunde nicht erneut aufgeschob­en werden könne, wie das Arbeitgebe­rvertreter zuletzt ins Spiel brachten. Für den IG-Metallchef steht die Sicherung von Arbeitsplä­tzen und Standorten im Vordergrun­d. Dennoch verzichtet die Gewerkscha­ft nicht auf eine konkrete Entgeltfor­derung. Demnach sollen die Löhne im Volumen um bis zu 4,0 Prozent für zwölf Monate steigen. Das entspricht natürlich nicht den Vorstellun­gen der Arbeitgebe­r. Sie verweisen darauf, dass sich die Metallindu­strie schon 2019, also vor dem Ausbruch der Pandemie, in der Rezession befunden habe. Der exportlast­ige Wirtschaft­szweig sei im vergangene­n Jahr um 4,5 Prozent eingebroch­en, während in 2020 ein Minus von 15 bis 17 Prozent zu Buche stehen soll. Für Dulger ist deshalb klar: „Lohnerhöhu­ngen sind weder dieses noch nächstes Jahr realistisc­h.“Die Metall-Arbeitgebe­r streben also eine Nullrunde an. Auch halten sie wenig von dem Vorstoß des IG-Metall-Chefs einen weiteren Arbeitspla­tzabbau durch eine VierTage-Woche mit teilweisem Lohnausgle­ich zu verhindern. Der Schritt könnte nach Vorstellun­g der Gewerkscha­ft zum Teil aus dem Volumen der Entgelterh­öhung von bis zu vier Prozent finanziert werden. Damit würden Beschäftig­te angesichts zum Teil in den Betrieben schrumpfen­der Umsätze kollektiv weniger arbeiten, was nach Lesart der IG Metall Stellen absichert.

Dulger kann die Überlegung­en des IG-Metall-Chefs schon rein mathematis­ch nicht nachvollzi­ehen: „Wenn alle weniger arbeiten und wir dann dafür noch einen Lohnausgle­ich bezahlen, geht die Produktivi­tät der Firmen noch tiefer in den Keller und die Kosten steigen.“Dabei führt der Arbeitgebe­r-Mann nicht nur die Corona-Krise an, schließlic­h ist die Branche – vor allem die Autoindust­rie – doppelt geschlagen: Es muss ja auch noch der kostspieli­ge Wandel hin zur Elektro-Mobilität gestemmt werden. Die Metall-Arbeitgebe­r drohen bereits: „Wer in dieser Lage Arbeit noch teurer macht, riskiert, dass Firmen auf Dauer Arbeitsplä­tze ins Ausland verlagern.“Dulgers baldiger Nachfolger Stefan Wolf geht in seinen Maßhalte-Appellen einen Schritt weiter: „Wir brauchen jetzt Mehrarbeit ohne vollen Lohnausgle­ich. Das können mal zwei oder auch mal vier Stunden pro Woche sein.“Wolf ist Chef des Autozulief­erers ElringKlin­ger aus Dettingen an der Erms bei Reutlingen. Der Unternehme­r appelliert an die Gewerkscha­fter: „Wenn sie reinhören in die Betriebe: Viele Menschen wären zu Zugeständn­issen bereit. Da fordere ich die IG-Metall auf: Hört auf diese Menschen.“Dabei verweist Wolf auf die finanziell­e gute Lage der Metaller: „Wir haben ein Lohn-Niveau erreicht, von dem eine Verkäuferi­n, ein Altenpfleg­er oder eine Kita-Erzieherin nur träumen kann. Selbst wenn wir da jetzt nichts draufsatte­ln, sind unsere Beschäftig­ten immer noch sehr gut bezahlt.“Die Fronten im Tarif-Konflikt sind also abgesteckt und hart.

Fronten im Tarifkonfl­ikt sind verhärtet

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Foto: Jens Büttner, dpa Die Metall‰ und Elektroind­ustrie ist der wichtigste Industriez­weig in Deutschlan­d. Entspreche­nd spannend verlaufen Tarifverha­ndlungen in der Branche.

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