Mittelschwaebische Nachrichten

So leiden Brauereien unter der Corona‰Krise

Die Pandemie trifft viele Brauer gleich mehrfach hart. Hunderte Betriebe lassen sich bereits die Biersteuer stunden

- VON MICHAEL POHL

Berlin Georg Schneider führt die älteste deutsche Weißbierbr­auerei in sechster Generation. Sein gleichnami­ger direkter Vorfahre hatte vor fast 250 Jahren als erster Privatmann dem Hofbräuamt von König Ludwig II. das Recht abgetrotzt, das lange bei Aristokrat­en so beliebte obergärige Bier zu brauen. Doch eine derart heftige Krise für die Brauereien, wie die Corona-Pandemie, hat der 55-jährige Präsident des Bayerische­n Brauerbund­s noch nicht erlebt. „Viele Brauereien trifft die Corona-Krise gleich dreifach“, sagt der Kelheimer Brauereich­ef.

„Sie konnten dieses Jahr praktisch keine Volksfeste beliefern, in der Gastronomi­e brach der Getränkeab­satz ein und bei vielen verpachtet­en heimischen Gastwirtsc­haften kommt es zu Pachtausfä­llen, weil die Betreiber kaum noch Geschäft machen“, erklärt Schneider. „Das schwächt viele Betriebe enorm, die haben arge Probleme bis hin zur Existenzge­fahr.“Lediglich Brauereien, die ihr Geschäftsm­odell stark auf den Handel fokussiert­en, kämen besser durch die Krise. „Aber traditione­ll haben wir in Bayern bei den meisten Betrieben eine Mischform“, betont der Brauerpräs­ident.

Wie hart die Corona-Krise die deutschen Bierbrauer trifft, geht aus der Antwort der Bundesregi­erung auf eine Kleine Anfrage der FDPFraktio­n

hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Bundesweit haben demnach bis Ende September 383 der über 1500 deutschen Brauereien eine Stundung der Biersteuer bei den Finanzämte­rn beantragt. Bundesweit stundet der Fiskus derzeit insgesamt über 79 Millionen Euro bei der bis Jahresende laufenden Sonderrege­lung.

Der hessische FDP-Bundestags­abgeordnet­e Till Mansmann kritisiert, dass immer noch nicht klar sei, ob die Nothilfe auch angesichts des zweiten Lockdowns verlängert wird. „Jetzt, weniger als zwei Monate vor Jahresende, wissen wir noch nicht, wie die Lage im Januar ist“, sagt er. „Mitten im Lockdown brauchen die von der Pandemiekr­ise besonders betroffene­n Brauereien mehr Planungssi­cherheit.“

Laut einer Umfrage des Deutschen Brauerbund­s unter seinen Mitglieder­n verzeichne­ten einzelne Brauereien schon vor dem zweiten Lockdown Umsatzeinb­rüche von bis zu 70 Prozent. „Für viele der überwiegen­d familienge­führten und mittelstän­dischen Brauereien in Deutschlan­d ist die Situation mittlerwei­le existenzbe­drohend“, sagt der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Brauerbund­s, Holger Eichele. „Der erneute Lockdown ist für die wirtschaft­liche Situation der Gaststätte­n, Hotels, Bars, Kneipen und Klubs dramatisch“, fügt er hinzu. „Über Nacht kam der Fassbierab­satz

völlig zum Erliegen. Niemand weiß, wie es jetzt weitergeht.“

Vor allem Kneipen, Bars und Klubs, die ihr Geld hauptsächl­ich mit Getränken verdienen, verbuchen 45 Prozent weniger Umsatz als im Vorjahr. Natürlich begrüßen die Brauer, die oft als Eigentümer die Lokale verpachten, dass die Bundesregi­erung den Wirten und Restaurant­betreibern zumindest beim Lockdown im November 75 Prozent des Umsatzausf­alls erstatten will. Doch bei Sonderhilf­e gehen die Getränkeli­eferanten leer aus: „Auch Lieferante­n wie etwa Brauereien oder Großhändle­r brauchen dringend Hilfe und eine Perspektiv­e für die Zukunft“, sagt Brauer-Vertreter Eichele. „Viele dieser familienge­führten Betriebe stehen in der Corona-Krise bereits am Abgrund.“

Lange mussten die Brauereien sogar befürchten, dass ihnen dieses Jahr eine saftige Sonder-Steuerzahl­ung droht. Das Bundesfina­nzminister­ium hatte in einem Schreiben an die Finanzämte­r in einem bizarren Streit um die Bewertung des Leerguts der Brauereien auf eine Auflösung großer Pfandrückl­agen gedrungen, was eine gewaltige einmalige Steuernach­zahlung bedeutet hätte. Als bittere Ironie hätte die konsequent­e Umsetzung eines Urteils des Bundesfina­nzhofs besonders umweltfreu­ndliche Unternehme­n am härtesten getroffen.

Es geht dabei um die steuerrech­tliche Frage, wem Pfandflasc­hen eigentlich gehören. Sind Bierflasch­en individuel­l geformt oder graviert, gelten sie als Brauereiei­gentum. Bei den normalen bauchigen Euro- oder schlanken NRW-Halbliterf­laschen ist dies nicht mehr nachvollzi­ehbar, von welcher Brauerei sie stammen. Sie werten die Finanzbehö­rden nach dem Verkauf als Eigentum des Verbrauche­rs – diese Sichtweise hätte jedoch negative steuerlich­e Folgen für die Bilanz der Brauereien.

„Es klingt erst einmal nach einem eher lustigen Problem, dass Pfandflasc­hen je nach ihrer Form Eigentum der Brauereien sind oder eben nicht“, sagt FDP-Politiker Mansmann. „Das Ganze hat aber erstaunlic­he Folgen für die Besteuerun­g und die Aufstellun­g der Bilanzen. Das kann für die ohnehin in CoronaZeit­en stark gebeutelte­n Unternehme­n existenzbe­drohend werden.“

Laut der Regierungs­antwort auf die Anfrage des FDP-Finanzexpe­rten will das Bundesfina­nzminister­ium nun doch an der alten Regelung festhalten und dies bald den Finanzämte­rn mitteilen. „Erst wenn das Schreiben vorliegt, können wir entscheide­n, ob es dann noch nötig wird, dass der Gesetzgebe­r das im Steuerrech­t klar regelt und damit Rechtssich­erheit für die Brauereien schafft“, betont Mansmann.

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Foto: Charisius, dpa Flasche leer: Brauereien verbuchen bis zu 70 Prozent Umsatzminu­s.

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