Mittelschwaebische Nachrichten

Sie lassen sich nicht unterkrieg­en

Im Juni haben uns drei junge Frauen aus der Region erzählt, wie sie die Corona-Pandemie beeinträch­tigt. Nun wollen wir wissen: Wie ist es ihnen seitdem ergangen und was bedeuten die neuen Einschränk­ungen für sie?

- VON TOM TRILGES

Augsburg „Ein verlorenes Jahr?“Diese Frage haben wir im Juni nach dem ersten Corona-Lockdown drei jungen Frauen für eine große Reportage gestellt: Rebecca Hörmann aus Stadtberge­n hatte gerade ihr Auslandsja­hr in Japan vorzeitig abbrechen müssen, für Carla Holz aus Aichach fiel eine lange geplante Zugreise durch Europa aus, Laura Freilinger aus Unterstall bei Neuburg erfreute sich kurz nach dem Start ihres Studiums in Erlangen am intensiver­en Familienle­ben. Wie geht es ihnen heute?

Rebecca Hörmann denkt zwar immer noch oft sehnsüchti­g an Japan, blüht aber nun in einer neuen Herausford­erung auf: Mitte September begann ihre Ausbildung zur Ergotherap­eutin. „Nach der Rückkehr aus Japan ging es mir zeitweise nicht gut, ich habe mich einsam gefühlt und mich gefragt, ob ich vielleicht doch zu früh zurückgeko­mmen bin“, sagt Rebecca Hörmann. Sie hatte das Land nach einem halben Jahr fluchtarti­g verlassen und so gerade eben den letzten Flieger erwischt, bevor das Coronaviru­s eine Ausreise unmöglich gemacht hätte. Der Traum von sechs weiteren Monaten in Japan mit spannenden Abenteuern war damit geplatzt.

„Mir fehlte hier einfach eine Aufgabe“, sagt die 21-jährige Rebecca Hörmann über die Zeit nach der

Das hat sich geändert. Derzeit heißt es für Rebecca Hörmann: lernen, lernen, lernen. „Die Ausbildung hat zwei Wochen später angefangen und die geben in der Schule jetzt richtig Gas“, sagt sie. Zwar bleibt es zunächst beim Präsenzunt­erricht, die Regeln sind allerdings streng: Rebecca Hörmann sitzt alleine an einem Zweiertisc­h, in den Pausen muss sie dort entweder bleiben oder sich stets mit 1,5 Metern Abstand zu ihren Klassenkam­eraden

bewegen. Dieser Abstand führt auch dazu, dass viele praktische Inhalte nur abstrakt behandelt werden können. „Teilweise verstehe ich die Sachen deshalb nicht und teilweise kommt man sich auch ganz schön blöd vor, wenn man zwei Personen gleichzeit­ig verkörpern soll, da Übungen mit Partner nicht möglich sind“, sagt Hörmann.

Schmerzhaf­ter sind die Beschränku­ngen für sie jedoch an anderer Stelle: „Ich kann meinen Nebenjob als Event-Servicekra­ft nicht mehr machen.“In der Ausbildung verdient sie kein Geld, sondern zahlt monatlich 75 Euro drauf, insofern tut der wegbrechen­de Lohn weh.

Privat ist es vor allem die Leidenscha­ft für das Reisen, die bei Hörmann viel zu kurz kommt. „Ich wollte Ostern eine Freundin auf der Insel La Réunion im Indischen Ozean besuchen, das wird wohl nichts. Gerade sind ja nicht einmal Tagesausfl­üge drin“, sagt Rebecca Hörmann. „Hoffentlic­h klappt es wenigstens kommenden Sommer, wieder nach Japan zu reisen.“

Urlaubsrei­f ist auch Laura Freilinger. Nachdem sie vor dem Lockdown im Frühjahr aus dem Studentenw­ohnheim in Erlangen zu ihrer Familie nach Unterstall gereist war, genoss sie dort zunächst die gemeinsame Zeit, entdeckte das Rennradfah­ren für sich, lernte Arabisch und kaufte für ihre Großeltern ein. Es folgte ein stressiger Sommer. „Das Semester ging zu Ende und die Klausuren standen an. Ich habe also gelernt und keinen Urlaub gemacht“, sagt Freilinger heute. Nachdem klar war, dass auch das Winterseme­ster ausschließ­lich online stattfinde­n würde, hoffte die 18-jährige BWL-Studentin, es aus dem Ausland bestreiten zu können. „Ich wollte nach Québec in Kanada und habe nach Flügen gesucht. Doch daraus wurde wegen der zweiten Welle nichts“, sagt Freilinger.

Das erste halbe Jahr ihres dualen Studiums hat sie im Betrieb verbracht, dann folgten die beiden Corona-Semester. Freilinger sagt: „Ich kenne in der Uni bis heute fast niemanden persönlich.“Ohnehin hätten sich die vergangene­n Monate nicht wie ein richtiges Studentenl­eRückkehr. ben angefühlt. Zwischenze­itlich, sagt Freilinger, habe man sich im Studentenw­ohnheim wenigstens mal zu zehnt treffen können. „Aber auch das geht ja gerade nicht mehr.“Freilinger nutzte die freie Zeit, um ihrem neuen Hobby nachzugehe­n: dem Rennradfah­ren. Im Winter fällt das allerdings wetterbedi­ngt flach.

Dass die Corona-Beschränku­ngen wieder strenger sind, nennt Freilinger einen „Dämpfer“. Sie sagt aber: „Das ist Jammern auf hohem Niveau. Ich würde einen zweiten Lockdown in Kauf nehmen, wenn ich dadurch Weihnachte­n mit Oma und Opa feiern kann.“Sie findet die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus sinnvoll: „Ich will nicht, dass weiter Menschen sterben.“Wenig Verständni­s zeigt Freilinger für Corona-Leugner und Maskenverw­eigerer und berichtet von einer eigenen Erfahrung: „Ich hatte eine Diskussion mit einer Frau, die in mehreren Risikogebi­eten war und mir ohne Maske sehr nah gekommen ist. Ich frage mich da schon, ob so Leute komplett verrückt sind. So etwas hautnah mitzukrieg­en, hat mich schockiert.“

Carla Holz würde das vermutlich genauso sehen. Schon im Frühling hatte sie anders als manche ihrer

Freunde auf Treffen mit vielen Personen verzichtet. Auch das Skifahren für den kommenden Winter ist gestrichen. „Ich werde es vermissen, aber das ist einfach nicht die richtige Zeit dafür“, sagt die 18-Jährige aus Aichach. Unterwegs war sie dagegen im Sommer. Ursprüngli­ch geplant war da eine Europa-Reise: Amsterdam, Brüssel, Paris, Prag, Krakau, Warschau, Berlin, Kopenhagen, Stockholm, Oslo sollten die Ziele lauten. Ein halbes Jahr lang hatte sie für ihren Traum jede freie Minute gekellnert. Angeschaut hat sie statt europäisch­er Metropolen die schönsten deutschen Studentens­tädte. „Ich wollte herausfind­en, wo es mir gefällt und wo ich mir vorstellen kann zu studieren“, sagt Carla Holz. Ihre Wahl fiel auf Stuttgart. „Werbung und Marktkommu­nikation“nennt sich ihr Studiengan­g. In Stuttgart droht Carla Holz trotz Kontaktbes­chränkunge­n keine Einsamkeit – sie wohnt in einer WG.

Zwar gab es zum Start keine Einführung­swoche, seit Mitte Oktober finden die Uni-Kurse aber durch ein Hybrid-System zum Teil vor Ort statt. Bedeutet: Die 70 Studenten wurden in Gruppen aufgeteilt, von denen immer eine anwesend ist. Der Rest verfolgt das Geschehen am Bildschirm von zu Hause aus. „Das hat super funktionie­rt“, sagt Carla Holz. „Klar ist es gerade nicht so witzig wie ohne Corona, auf das Feiern müssen wir halt noch warten.“

„Ich kenne in der Uni bis heute fast niemanden“

Aus der Europa‰Reise wurde eine Deutschlan­d‰Tour

 ?? Fotos: Hörmann, Freilinger, Holz ?? Laura Freilinger (links) wollte ihr Studium in diesen Monaten von Kanada aus fortsetzen, Rebecca Hörmann will endlich wieder verreisen (wie auf dem Foto in Budapest) und Carla Holz (rechts) verzichtet im kommenden Winter freiwillig auf das Skifahren. Die drei jungen Frauen aus der Region eint die Ansicht, dass man sich an die geltenden Corona‰Maßnahmen unbedingt halten sollte.
Fotos: Hörmann, Freilinger, Holz Laura Freilinger (links) wollte ihr Studium in diesen Monaten von Kanada aus fortsetzen, Rebecca Hörmann will endlich wieder verreisen (wie auf dem Foto in Budapest) und Carla Holz (rechts) verzichtet im kommenden Winter freiwillig auf das Skifahren. Die drei jungen Frauen aus der Region eint die Ansicht, dass man sich an die geltenden Corona‰Maßnahmen unbedingt halten sollte.
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