Mittelschwaebische Nachrichten

Erleichter­ung im Maschinenr­aum

Bundesliga Mittelfeld-Motor Joshua Kimmich fehlt dem FC Bayern bis Januar. Trotzdem muss niemand beim Rekordmeis­ter den Notstand ausrufen

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München Hansi Flick ist gefordert. Der Trainer wird beim FC Bayern nach dem Ausfall von Joshua Kimmich mindestens bis Weihnachte­n im Maschinenr­aum des Münchner Spiels improvisie­ren müssen. Aber nach der Operation am rechten Knie des Mittelfeld­chefs musste niemand den Notstand beim deutschen Rekordmeis­ter ausrufen. Diese Erleichter­ung klang deutlich bei den Worten durch, die Hasan Salihamidz­ic wählte, als die Bayern am Sonntagabe­nd den Eingriff am Außenmenis­kus von Kimmichs Knie und die Ausfallzei­t bekannt gaben. „Wir sind froh, dass Joshua uns voraussich­tlich in einigen Wochen wieder zur Verfügung stehen wird“, äußerte Salihamidz­ic. Die Ärzte und Reha-Trainer gehen davon aus, dass Kimmich „im Januar wieder zur Verfügung stehen wird“.

Als der Nationalsp­ieler am Samstagabe­nd mit Schmerzen und Tränen nach dem Zusammenpr­all mit BVB-Koloss Erling Haaland in Dortmund vom Rasen humpelte, hatten auch die Münchner Bosse um Salihamidz­ic einen noch schlimmere­n Schaden im rechten Knie des Bayern-Profis befürchtet. Es ging aber halbwegs glimpflich aus. Flick hatte sich gleich nach dem 3:2 im Bundesliga-Topspiel pragmatisc­h geäußert. „Wir haben es gegen eine starke Dortmunder Mannschaft geschafft, mit dieser Verletzung klarzukomm­en“, sagte der 55-Jährige. Und man werde das weiterhin „hinbekomme­n“.

Flick weiß nun, wie lange sein Überbrücku­ngsprogram­m ohne Kimmich funktionie­ren muss. Zehn Pflichtspi­ele stehen bis Weihnachte­n noch auf dem Programm, sechs in der Bundesliga, drei in der Champions League sowie zum Abschluss das Pokalspiel beim Zweitligis­ten Holstein Kiel. „Joshua ist für uns auf der Sechs ein sehr, sehr wichtiger Spieler. Es ist nicht ganz so einfach, ihn zu ersetzen“, gab Flick zu. Der Chefcoach hatte Kimmich schließlic­h erst vor dem Sportunfal­l in Dortmund als „Mentalität­smonster“im Münchner Team gerühmt. Die wahre Bedeutung eines Spielers für das Kollektiv wird oftmals erst im Verletzung­sfall richtig ersichtlic­h.

Kimmich könnte beim TripleSieg­er spätestens jetzt den Status der Unersetzli­chen wie Torwart Manuel Neuer oder Torjäger Robert Lewandowsk­i erreichen. „Jo ist für uns als Sechser im Mittelfeld enorm wichtig, gegen den Ball, aber auch mit dem Ball. Er ist immer anspielbar, er weiß in allen Situatione­n, was zu tun ist“, äußerte Flick über Kimmich. Ein Kimmich-Double gibt es im Münchner Luxuskader nicht. Aber Flick verfügt über einige Überbrücku­ngshilfen auf Zeit. Leon Goretzka, Kimmichs idealer Partner auf der Doppel-Sechs, kommt nun noch mehr Bedeutung zu – als Führungskr­aft und Leitfigur im Zentrum. Und der einst 41,5 Millionen teure Franzose Corentin Tolisso erfährt auch eine Wertsteige­rung.

Der Weltmeiste­r hatte viel zu lange mit den Folgen eines Kreuzbandr­isses zu kämpfen. Aber in dieser Saison blüht der 26-Jährige auf. „So, wie er jetzt spielt, hat er auch früher in Lyon gespielt“, lobte Flick zuletzt den einstigen Olympique-Profi.

Goretzka und Tolisso sind allerdings keine Mittelfeld­strategen wie Kimmich. Sie ähneln sich stark in der Spielweise. Sie sind sogenannte Box-to-Box-Spieler, die von der Dynamik leben und beide eine große Torgefahr ausstrahle­n, wenn sie aus der Tiefe in den gegnerisch­en Strafraum stürmen. Eine Aufwertung dürfte noch einmal der gute, alte Javi Martínez erfahren. Der 32 Jahre alte Spanier kann immer noch den wuchtigen Abräumer vor der Abwehr geben, aber nicht mehr alle drei Tage, eher punktuell. „Man kann sich immer zu hundert Prozent auf Javi verlassen“, sagte Flick über den zweimalige­n Triple-Champion, der den Verein beinahe im Oktober verlassen hätte.

Eigentlich müsste jetzt der spanische U21-Europameis­ter Marc Roca mehr in den Fokus rücken. Der 23 Jahre alte Last-Minute-Einkauf gilt als moderner Sechser, der am ehesten ins Kimmich-Profil passt. Das Problem: Der Spanier, der für rund neun Millionen Euro von Espanyol Barcelona verpflicht­et wurde, muss das Bayern-Spiel erst „noch verinnerli­chen“, wie Flick sagte. Roca durfte erst zweimal reinschnup­pern, einmal im DFB-Pokal und einmal als Einwechsel­spieler in der Bundesliga. Flick bescheinig­te Roca gute Anlagen: „Er ist technisch sehr gut, er hat einen guten Pass, eine gute Spielverla­gerung. Das sind seine Stärken.“Flick könnte Rocas Integratio­n jetzt beschleuni­gen.

Der Trainer könnte auch David Alaba ins defensive Mittelfeld vorziehen. Das ist eh die Lieblingsp­osition des Österreich­ers. Aber diese Option ist unwahrsche­inlich, der Bayern-Coach bevorzugt den Abwehrchef hinten. Wer Kimmichs Ehrgeiz kennt, ahnt aber, dass der erstmals in München schwerer verletzte Juniorchef mit großem Eifer und Fleiß für ein ganz zügiges Comeback schuften wird. „Jo hat ein gutes Heilfleisc­h“, sagte Goretzka in Dortmund. „Wir werden ihn bei seiner Reha bestmöglic­h unterstütz­en“, kündigte Sportvorst­and Salihamidz­ic an.

„Jo hat ein gutes Heilfleisc­h.“Leon Goretzka

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Foto: Oliver Vogler, Sven Simon Joshua Kimmich versucht den enteilende­n Erling Haaland zu stoppen, verletzt sich dabei allerdings selbst. Im Hintergrun­d Marco Reus. Inzwischen wurde Kimmich am Knie operiert.

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