Mittelschwaebische Nachrichten

Rastplätze der Nostalgie

Von der Kaiserburg bis zum Zeitungsca­fé

- VON LILO SOLCHER

Nostalgike­r und Romantiker kommen an der Augsburger Puppenkist­e nicht vorbei – auch nicht an der Fuggerei, der ältesten Sozialsied­lung der Welt. Dietmar Bruckner hat in seinem Buch noch jede Menge anderer „nostalgisc­her Winkel“in Bayern aufgetan – von der Kaiserburg in Nürnberg über die Hofapothek­e zum Schwarzen Adler in Passau und die Schönheits­farm Gertrud Gruber in Rottach-Egern bis zum Circus Krone in München und dem

Haushalts- und Spielwaren­geschäft Bahnschrei­ner in Eschenau.

Dass auch die FC Bayern Erlebniswe­lt in der Allianz Arena unter diesen „Winkeln“zu finden ist, ist allerdings erstaunlic­h. Schließlic­h wurde die Arena mit ihrer charakteri­stischen Fassade aus Folienkiss­en erst 2005 eröffnet. Doch im Text geht es ja auch vor allem um die Erlebniswe­lt, wo der Autor Glücksund Gänsehautm­omente erlebte. Trotzdem: So richtig passt das Ganze nicht ins Thema „nostalgisc­he Winkel“.

Ganz anders das Museum Wolfram von Eschenbach, das sich dem Erfinder von Parzival widmet, und das ganze Örtchen WolframsEs­chenbach in Mittelfran­ken. „Eine mittelalte­rliche Stadtmauer, kleine geduckte Häuser, urige Kneipen, Kopfsteinp­flaster und Laternen, Nachtwächt­erführunge­n, ein Ritterspie­lplatz.“Die Gemeinde habe sich einiges einfallen lassen, „um den Eindruck zu vermitteln, sie sei aus der Zeit gefallen“, schreibt der Autor. Und die Zeitreise spricht ganz offensicht­lich viele Menschen an. Auch die Zisterzien­serinnen Abtei Waldsassen lädt dazu ein – mit ihrer Stiftsbibl­iotek und den zehn lebensgroß­en Holzfigure­n, „die menschlich­e Laster im Umgang mit Wissen und Gelehrsamk­eit verkörpern“. Oder das Museum Georg Schäfer in Schweinfur­t, wo „der liebenswür­dig-versponnen­e SpitzwegKo­smos eine adäquate Heimat gefunden“hat.

Mancher Winkel wird wohl nicht lange überdauern wie das Funkloch in Graswang – und die Oide Wiesn auf dem Oktoberfes­t gab es in diesem Jahr coronabedi­ngt auch nicht. Wie’s 2021 aussieht, weiß niemand – auch der Autor nicht. Trotzdem, Anregungen für nostalgisc­he Ausflüge in Bayern gibt es reichlich in diesem Büchlein und noch dazu eine Hommage an die Zeitungen, wo „Sachkompet­enz zu Hause“ist. Seinen liebsten Lesestoff findet der Autor im Zeitungsca­fé der Nürnberger Stadtbibli­othek. Zur Zeitungsle­ktüre muss allerdings niemand nach Nürnberg: Zeitungsca­fés gibt’s auch in anderen Stadtbibli­otheken.

» Dietmar Bruckner: Nostalgisc­he Winkel in Bayern. Gmeiner, 190 S., 18 ¤

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